Aufatmen bei Internetradios

Nach dramatischen Verhandlungen verabschiedete der US-Kongress ein Gesetz, das kleinen Webcastern das Überleben sichert.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Janko Röttgers

Der US-Kongress hat überraschend ein Gesetz zur finanziellen Entlastung kleinerer Webcaster verabschiedet. Netzradios mit Einnahmen von weniger als 1.250.000 US-Dollar pro Jahr werden damit verpflichtet, Musikern und Plattenfirmen Lizenzgebühren in Höhe von acht bis zwölf Prozent ihres Umsatzes beziehungsweise fünf bis sieben Prozent ihrer Ausgaben zu zahlen -- je nachdem, welcher Betrag höher ist. Für Netzradios mit Einnahmen von weniger als 50.000 US-Dollar pro Jahr wurde ein Mindestbetrag von 2.000 Dollar pro Jahr festgelegt.

Mit dem Gesetz dürfte für viele kleine Webcaster das Überleben vorerst gesichert sein. Dies schien bedroht, nachdem der Gesetzgeber im Juni einen Gebührensatz von 0,07 Cent pro Song und Hörer festgelegt hatte. Da die Gebühren auf Grund einer Klausel des Digital Millennium Copyright Act (DMCA) rückwirkend zum 1. Januar 1998 gezahlt werden müssen, hätten diese Sätze das Aus für Hunderte von Online-Radiostationen bedeutet.

Der Verabschiedung des Gesetzes waren wochenlange ergebnislose Verhandlungen zwischen Webcastern und Plattenfirmen vorangegangen. Beide Parteien gerieten in den letzten Tagen zusehends unter Zugzwang, da ein Alternativ-Tarif zu den 0,07 Cents spätestens bis zum 20. Oktober feststehen muss. Ende September hatte der US-Abgeordnete Sensenbrenner deshalb einen Gesetzentwurf in den US-Kongress eingebracht, der beiden Parteien sechs weitere Monate Verhandlungsspielraum gegeben hätte. Musikerverbände protestierten jedoch gegen das Gesetz, da es den bereits vier Jahre auf ihr Geld wartenden Musikern noch mehr Geduld abverlangt hätte.

In der letzten Woche liefen die Verhandlungen zwischen Webcastern und der RIAA deshalb auf Hochtouren. Freitag vergangener Woche sah alles nach einem Scheitern aus, nachdem die Kontrahenten sich auch in einem 15-stündigen Verhandlungsmarathon nicht auf einen Kompromiss einigen konnten. Aussagen eines Beteiligten zufolge schaltete sich dann am Wochenende der US-Justizausschuss direkt in die Verhandlungen ein und präsentierte beiden Parteien einen eigenen Entwurf. Im Laufe des Sonntagabends einigten sich beide Parteien schließlich auf die jetzt verabschiedeten Prozentsätze.

Am Montag wurde das Gesetz dann im Eilverfahren durch den Kongress geboxt. Für Aufregung sorgten noch bis kurz vor der Verabschiedung einige Klauseln, die Mitarbeiter des Justizausschusses offenbar nach dem Schmieden des Kompromisses eigenmächtig eingefügt hatten. So tauchte der Vorwurf auf, dass die Formulierungen den Plattenfirmen dazu dienen könnten, Musiker um ihre Tantiemen zu bringen. Einige kleine Webcaster kündeten daraufhin an, den Kompromiss nicht mehr zu unterstützen. Kritiker der Musikindustrie sahen zudem Parallelen zum so genannten Music for Hire-Streit von 1999. Damals hatte der US-Kongress ein eher unbedeutendes Gesetz zum privaten Satellitenempfang verabschiedet. Eine unauffällige Formulierung des Gesetzes änderte jedoch das US-Copyright derart, dass Musik plötzlich als Auftragsarbeit galt -- eine Rückübertragung der Rechte von der Plattenfirma auf den Musiker nach 35 Jahren war damit nicht mehr möglich. Eingefügt wurde diese Formulierung damals von dem Kongressmitarbeiter Mitch Glaser. Wenige Monate später heuerte Glaser bei der RIAA an.

Dieses Mal ging allerdings alles glimpflich aus, die umstrittenen Formulierungen wurden in letzter Minute wieder aus dem Gesetz entfernt. Die Netzradio-Vereinigung Voice of Webcasters und die RIAA begrüßten das Gesetz denn auch einhellig. Mit einer Zustimmung des Senats wird in der nächsten Woche gerechnet. Umsatzstarke Webcaster wie etwa Live365.com oder Radio Free Virgin sind von dem Gesetz nicht betroffen. Zwar hatte es auch bei ihnen Versuche gegeben, eine Einigung über geringere Lizenzraten als in der ursprünglichen Festlegung zu erzielen, doch diese endeten am Freitag ohne Ergebnis. (Janko Röttgers) / (jk)