Kreislaufwirtschaft: EU plant digitalen Produktpass und weniger Warenvernichtung

Die EU-Kommission hat ein Gesetzespaket mit neuen Ökodesign-Regeln vorgelegt, um Produkte wiederverwendbar, nachrüstbar und reparierbar zu machen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 79 Kommentare lesen

(Bild: Phoenixns/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Nachhaltige Produkte aller Art sollen auf dem EU-Markt zur Norm werden, um Umwelt- und Klimaauswirkungen insgesamt zu verringern. Die EU-Kommission hat dazu am Mittwoch ein umfangreiches Gesetzespaket im Rahmen ihres Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft, der Verbraucheragenda und des Green Deal vorgestellt. Enthalten ist etwa ein Vorschlag für eine neue Ökodesign-Verordnung, der die bisherige einschlägige Richtlinie ergänzen soll.

Auch wenn es bereits sektorspezifische EU-Vorschriften gibt, um Produkte umweltfreundlicher und energieeffizienter zu machen, ist laut der EU-Kommission nun "ein breiterer Rahmen für die Festlegung harmonisierter Vorschriften für ökologische Nachhaltigkeit erforderlich". Nur so lasse sich der Übergang "zu einer klimaneutralen, ressourceneffizienten und kreislauforientierten Wirtschaft" beschleunigen sowie die "Hebelwirkung des EU-Binnenmarkts" voll ausschöpfen. Das Muster der Wegwerfgesellschaft könne vermieden werden, da "ein Großteil der Umweltauswirkungen eines Produkts in der Entwurfsphase bestimmt" werde.

Entsprechende Anforderungen will die EU-Kommission in produktspezifischen Rechtsvorschriften festlegen. Betroffene Artikel sollen damit "dauerhafter, zuverlässiger, wiederverwendbar, nachrüstbar, reparierbar, leichter zu erhalten und wiederaufzubereiten sowie energie- und ressourceneffizienter" werden. Die Vorschriften könnten auch auf Stoffe abzielen, die die Kreislauffähigkeit behindern, Quoten für recycelte Anteile enthalten sowie Möglichkeiten für die Wiederaufarbeitung und das Recycling erweitern.

Über den Verordnungsentwurf können auch Informationsanforderungen für Produkte festgelegt werden. Käufer sollen damit mehr über deren Auswirkungen erfahren und so entlang der gesamten Wertschöpfungskette nachhaltigere Entscheidungen treffen können. Für alle regulierten Artikel "werden digitale Produktpässe eingeführt", erklärt die EU-Kommission. Diese etwa über einen QR-Code abrufbaren Informationen könnten auch in Form von "Leistungsklassen" vermittelt werden, die beispielsweise von "A bis G" reichen, um einen Vergleich zu erleichtern. Dies würde ähnlich funktionieren wie das bekannte EU-Energielabel und ließe sich etwa für einen Reparierbarkeitswert verwenden.

Weitere Details bringt die Kommission über ihren Plan für eine Novelle der Richtlinie über Verbraucherrechte ins Spiel: Demnach müssten Händler Kunden "über die garantierte Lebensdauer von Produkten" informieren. Dazu kommen sollen Angaben zur Reparierbarkeit des Produkts, die Verfügbarkeit von Ersatzteilen oder Handbücher. Was intelligente Geräte sowie digitale Inhalte und Dienste anbelangt, so müssten Verbraucher auch über Software-Updates des Herstellers informiert werden.

Ferner schlägt die Brüsseler Exekutivinstanz eine Reform der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken vor. Damit will sie die Liste der Produkteigenschaften, über die der Händler die Verbraucher nicht irreführen darf, erweitern. So werden ökologische oder soziale Auswirkungen sowie die Lebensdauer und die Reparierbarkeit berücksichtigt. Ferner werden irreführende Praktiken hinzugefügt wie Aussagen über die künftige Umweltleistung ohne klare, objektive und überprüfbare Verpflichtungen und Ziele sowie ohne ein unabhängiges Überwachungssystem.

Verhindern will die EU-Kommission so grünen Etikettenschwindel (Greenwashing) und die frühzeitigen Obsoleszenz von Produkten. Wenn sichergestellt werde, dass umweltbezogene Aussagen ehrlich sind, könnten die Verbraucher Produkte wählen, "die tatsächlich besser für die Umwelt sind als die anderer Wettbewerber".

Der Entwurf für die Ökodesign-Verordnung würde es der Kommission erlauben, Vorschriften für alle physischen Waren wie etwa Smartphones, Tablets, Photovoltaiksysteme, externe Netzteile und andere elektronische Geräte im zweiten Gang durch "delegierte Rechtsakte" zu erlassen, "die in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden". Nur wenige Sektoren wie Lebensmittel, Tierfutter und Arzneimittel seien ausgenommen. Eine vorläufige Bewertung habe ergeben, dass sich Kategorien wie Textilien ("Fast Fashion"), Möbel, Matratzen, Reifen, Reinigungsmittel, Farben, Schmierstoffe sowie Zwischenprodukte wie Eisen, Stahl und Aluminium stark auf die Umwelt auswirkten und großes Verbesserungspotenzial hätten.

Die bisherige Ökodesign-Richtlinie bezieht sich dagegen nur auf Geräte, die für den Energieverbrauch besonders relevant sind. Das sind etwa Fernseher und andere Displays, Kühlschränke, Elektromotoren, Waschmaschinen und Geschirrspüler. Das EU-Parlament forderte bereits voriges Jahr, die Vorgaben auszudehnen sowie ein breites Recht auf Reparatur und einen digitalen Produktpass einzuführen. Auch die Grünen machten sich hierzulande schon für solche Nachbesserungen stark.

Das Paket enthält zudem mehrere Maßnahmen, die verhindern sollen, dass für Verbraucher bestimmte unverkaufte Waren vernichtet werden. Große Unternehmen wie Amazon müssten im Einklang mit der Abfallhierarchie die Menge der von ihnen pro Jahr entsorgten Produkte offenlegen, Gründe für die Entsorgung angeben und Angaben zur Menge der beseitigten Artikel machen. Ferner soll die Kommission eine Vernichtung verbieten können, "wenn sich dies für bestimmte Produktkategorien als besonderes Problem erweist".

Die Regierungseinrichtung rechnet vor, dass die EU-Bürger allein 2021 durch die bestehenden Ökodesign- und Kennzeichnungsanforderungen über 120 Milliarden Euro weniger an Kosten gehabt hätten. Künftig würden etwa die prognostizierten Energieeinsparungen im kommenden Jahrzehnt deutlich weiter zunehmen. So werde etwa eine Reihe neuer Produktgruppen wie Niedertemperaturstrahler und Ladegeräte für Elektrofahrzeuge neu bewertet. Zudem würden Materialabhängigkeiten verringert und so "die strategische Autonomie und Widerstandsfähigkeit der EU gestärkt".

(olb)