Umbenennung des Weltraumteleskops James Webb: Der Druck auf die NASA steigt

Vor 20 Jahren wurde das JWST nach einem ehemaligen NASA-Chef benannt. Dass der wohl eine unrühmliche Rolle gespielt hat, wird nun zum Problem.

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(Bild: NASA GSFC/CIL/Adriana Manrique Gutierrez)

Lesezeit: 4 Min.

Nach neuen Enthüllungen steigt der Druck auf die NASA, den Namen des Weltraumteleskops James Webb doch noch zu ändern. Das ist nach dem zweiten Chef der US-Weltraumagentur benannt, der sie von 1961 bis 1968 in den Jahren leitete, als die erste bemannte Mondlandung vorbereitet wurde. Angesichts seiner Rolle in einer Periode der US-Geschichte voller Hysterie gegen Homosexuelle hatten im vergangenen Jahr aber Hunderte Astronomen und Astronominnen gefordert, das Instrument umzubenennen. Mit einem Satz hatte NASA-Chef Bill Nelson das im Herbst abgelehnt. Dokumente zu den Hintergründen dieser Entscheidung werfen nun kein gutes Licht auf die Weltraumagentur. Zu den überaus erfolgreichen Arbeiten an dem Instrument und der Außendarstellung der NASA passt das nicht. Der NASA-Chefhistoriker hat weitere Quellenarbeit angekündigt.

Das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) ist ein Projekt der NASA mit der europäischen Weltraumagentur ESA und der kanadischen CSA, die Kosten in Höhe von fast 10 Milliarden US-Dollar bezahlten die USA aber fast komplett selbst. Bis 2002 firmierte es unter dem Namen "Next Generation Space Telescope" ("Weltraumteleskop der nächsten Generation"), dann erhielt es unter dem damaligen NASA-Chef Sean O’Keefe seinen jetzigen Namen. Damals sei nicht viel über die Rolle James Webbs in der sogenannten "Lavendel-Angst" ("Lavender scare") bekannt gewesen, schreibt Scientific American. So wird eine Periode der US-Geschichte bezeichnet, die analog zur "Roten Angst" vor angeblichen Kommunisten durch eine regelrechte Hysterie gegenüber Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten geprägt war.

In den Monaten vor dem Bilderbuchstart des Weltraumteleskops hatte es dann ab Anfang 2021 aber immer mehr Recherchen zur Rolle von Webb in dieser Epoche gegeben. Die hatte ungefähr 1950 im US-Außenministerium begonnen, wo Webb damals als Staatssekretär an zweiter Stelle stand, schreibt Nature. In der damaligen Truman-Regierung habe es nicht nur als akzeptabel gegolten, Schwule und Lesben zu entlassen, es sei sogar befördert worden, hatte das Wissenschaftsmagazin im Herbst geschrieben. Vielen sei das in der Amtszeit Webbs geschehen. In der von ihm geleiteten NASA sei etwa ein Mitarbeiter, der als schwul gegolten habe, stundenlang über seine Sexualkontakte verhört und schließlich für "unmoralisches, unschickliches und würdeloses Verhalten" gefeuert worden, ergänzt Scientific American. Unter anderem unter Berufung darauf sei die Umbenennung gefordert worden.

Ende September 2021 hat NASA-Chef Bill Nelson dann schmallippig mitgeteilt: "Wir haben zu dieser Zeit keine Beweise gefunden, die eine Änderung des Namens des James-Webb-Weltraumteleskops nötig machen." Mehr gab es dazu nicht. Nature hat über eine Informationsfreiheitsanfrage nun Dokumente zu den Hintergründen erfragt. Demnach waren mit der Recherche beauftragte Personen intern aber zu einem anderen Schluss gekommen. In einer Mail etwa habe es geheißen, "dass Webb eine Führungsrolle in der Lavendel-Angst gespielt ist, ist unzweifelhaft". Außerdem gibt es demnach durchaus Beweise dafür, dass die Entlassung für "homosexuelle Handlungen" in der NASA "üblich" gewesen sei. Obendrein zeigten die Dokumente, dass Entscheidungsträger der NASA nicht den Kontakt zu Astronomen und Astronominnen gesucht hätten, die sich als LGBTQ+ identifizieren.

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Angesichts der neuen Einblicke steigt der Druck auf die NASA erneut, mehrere Vertreter und Vertreterinnen der Astronomiegemeinde zeigen sich enttäuscht über das Vorgehen der Weltraumagentur. Andere bestehen darauf, dass Webb lediglich eine "komplizierte Figur" sei, ein Mann seiner Zeit, der gutes und schlechtes getan hat. Die Angelegenheit beleuchtet auch die mit der Namensgebung nach Personen verbundenen Schwierigkeiten. Die Wissenschaft könne aber hier eine ihrer Stärken ausspielen, meint die Kosmologin Chanda Prescod-Weinstein: Wer in der Forschung einen Fehler erkennt, ändere einfach die Richtung. Teuer jedenfalls wäre ein Namenswechsel wohl nicht und auch nicht beispiellos: Das Vera C. Rubin Observatory wurde als Large Synoptic Survey Telescope entwickelt, der Swift Gamma-Ray Burst Explorer sogar erst 14 Jahre nach seinem Start in Neil Gehrels Swift Observatory umbenannt.

Kalibrierungsbilder des Weltraumteleskops James Webb (5 Bilder)

Am Anfang war ein Durcheinander
(Bild: NASA/STScI)

(mho)