Drei Fragen und Antworten: Welche Stolperfallen drohen beim IT-Freelancing?

Mehr Geld, mehr Freiheit – Freelancing ist für viele ITler ein verlockender Karriereentwurf. Dabei gilt jedoch einiges zu beachten, wie unser Interview zeigt.

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Wer viele Jahre in der IT gearbeitet hat und dabei in einer Festanstellung ausreichend Erfahrung gesammelt hat, denkt derzeit vielleicht über einen Wechsel in die Selbstständigkeit nach. Doch auch wenn man das notwendige Know-how mitbringt, ist Freelancing nicht für alle ITler etwas. Vor der Entscheidung sollte man sich kritisch hinterfragen und den Schritt gut vorbereiten, erklärt die langjährige iX-Autorin Yasmine Limberger in drei Fragen und Antworten.

Drei Fragen und Antworten: Stolperfallen beim IT-Freelancing

Yasmine Limberger war viele Jahre in der IT-Beratung verantwortlich für unterschiedliche Themen im Personalumfeld. Heute arbeitet sie an der Technischen Hochschule Ingolstadt im Bereich Recruiting und Personalentwicklung und ist nebenbei unter karriere-welten.de als Karrierecoach, Dozentin und Sprecherin aktiv.

Angenommen, man bringt die erforderlichen technischen und beruflichen Erfahrungen mit: Welche persönlichen Eigenschaften brauchen Menschen, die den Schritt in die Unabhängigkeit wagen wollen?

Auf jeden Fall erstmal eine ordentliche Portion an Mut und Risikobereitschaft. Nicht erst in Corona-Zeiten hat man gesehen, dass Selbständige auch durch unvorhersehbare Ereignisse plötzlich mit Verdienstausfällen zu kämpfen haben. Projekte werden eventuell nicht mehr verlängert und man kann nicht automatisch mit einem sicheren Einkommen rechnen. Daher muss man als Selbständiger neben den technischen Qualifikationen auch unternehmerisch denken, Aufwandsabschätzungen kalkulieren, Rücklagen bilden, und Investitionen zum Beispiel in Hardware oder Software sowie Weiterbildung solide planen.

Ein gewisses Verständnis für betriebswirtschaftliche Zusammenhänge ist also nicht nur hilfreich, sondern im Zweifelsfall essenziell. Natürlich muss ein Freelancer auch im Umgang mit Kunden und Geschäftspartnern gut verhandeln und kommunizieren können. Ganz wichtig finde ich auch die Eigenschaft, NEIN sagen zu können und nicht alle Anfragen und Aufträge anzunehmen. Man muss sein Portfolio und seine Kompetenzen fokussieren und effizient einsetzen. Schnell agiert man als Freelancer auch mal als "Allrounder" für Feuerwehreinsätze. Aber auch auf langfristigen Einsätzen gilt es, den rechtzeitigen Absprung in ein neues Projekt zu schaffen. Durchhaltevermögen und Selbstmotivation sind daher auch wichtige Eigenschaften.

Welche rechtlichen Fragen müssen angehende Freelancer berücksichtigen, damit aus dem Traum von mehr Freiheit kein Albtraum wird?

Bevor man den Sprung in die Unabhängigkeit wagt, sollte man sich sowohl mit einem Steuerberater als auch mit anderen Freelancern austauschen, die wichtige Tipps und Erfahrungen teilen können. Eine freiberufliche Tätigkeit in der IT zählt zum Beispiel nicht automatisch zu den sogenannten Katalogberufen gemäß § 18 Einkommensteuergesetz (EStG), die automatisch den Freiberufler-Status erhalten.

Die Anmeldung als Freiberufler erfolgt beim zuständigen Finanzamt, das dann über die Anerkennung als Freiberufler entscheidet. Dazu müssen einige Bedingungen erfüllt sein.

Wer als ITler ein eigenes Unternehmen gründen will und zum Beispiel auch andere ITler einstellen und auf Projekte bringen oder sich zumindest mit einem Partner zusammenschließen möchte, sollte sich ebenfalls im Vorfeld zu Themen wie Rechtsform und Gewerbesteuer beraten lassen.

Eine immer wieder vorherrschende Problematik ist, dass IT-Freelancer als scheinselbständig eingestuft werden. Das kann gravierende Folgen haben, denn als Konsequenz müssen Arbeitgeber zum Beispiel Sozialversicherungsbeiträge auch noch rückwirkend für mehrere Jahre abführen. Aber auch Freelancer müssen bereits erhobene Umsatzsteuern beziehungsweise eine bereits abgezogene Vorsteuer nachzahlen.

Außerdem verlieren Sie den Status der Selbstständigkeit und werden rückwirkend als Angestellter Ihres Auftraggebers eingestuft. Haben Sie ein Gewerbe angemeldet, müssen Sie es als Folge der Scheinselbständigkeit umgehend abmelden. Um dabei alles richtigzumachen, empfiehlt es sich, einen Steuerberater einzubeziehen.

Bleibt noch die Frage nach dem Zwischenmenschlichen: Wie schafft man es, sich in bestehende Teams zu integrieren?

Das ist ein ganz wichtiger Punkt, der tatsächlich nicht immer einfach ist. Die beste Voraussetzung dafür ist, dass man selbst den Wunsch verspürt, dazuzugehören. Wer sich als außenstehender Freelancer sieht, kaum im Büro sichtbar ist, sondern nur remote arbeitet, bekommt die Stimmungen und Insights im Team und im Unternehmen kaum mit. Regelmäßiges Arbeiten und Teilnahme an Präsenzmeetings ist daher unabdingbar.

Und auch in Meetings, die heute nahezu alle Online ablaufen, heißt es: Kamera an und mit voller Aufmerksamkeit dabei sein, Fragen stellen, aber keine "gutgemeinten" Ratschläge erteilen!

Von Tag eins an sollte man an den Ritualen des Teams, am gemeinsamen Mittagessen und gemeinsamen Team-Aktionen teilnehmen und sich für die Themen der Kolleginnen und Kollegen interessieren. Meistens gelingt dann die Integration ins Team fast von allein.

Vielen Dank für ihre Antworten, Frau Limberger.

In der Serie "Drei Fragen und Antworten" will die iX die heutigen Herausforderungen der IT auf den Punkt bringen – egal ob es sich um den Blick des Anwenders vorm PC, die Sicht des Managers oder den Alltag eines Administrators handelt. Haben Sie Anregungen aus Ihrer tagtäglichen Praxis oder der Ihrer Nutzer? Wessen Tipps zu welchem Thema würden Sie gerne kurz und knackig lesen? Dann schreiben Sie uns gerne oder hinterlassen Sie einen Kommentar im Forum.

(jvo)