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Was war. Was wird. Vom Herumeiern, fernen Träumen und starken Politikerinnen.

Namen sind Schall und Rauch? Das hat eigentlich noch nie gestimmt. Und für Kriegsschiffe galt es schon gar nicht, giggelt Hal Faber.

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Hasenfüßig mögen einige die deutsche Politik derzeit bezeichnen, vor allem, wenn sie aus der Ukraine stammen. Das tut den Hasen allerdings unrecht. Und den entscheidenden Leuten der gegenwärtigen Bundesregierung auch, vor allem, da sie nicht aus der SPD kommen.

(Bild: Volodymyr Burdiak / Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Ostern ist's, die einen suchen Eier, die anderen feiern Pessach oder halten die Fastenregeln ein. Scrat findet seine Eichel und darf sie endlich, endlich futtern.

Dann gibt es noch die Jungs und Mädels, die nicht religiös gestimmt sind und für die der Pazifismus im Moment ein "ferner Traum" ist. Für ihre Forderung nach mehr Mumm sind sie gerade abgekanzlert worden, weil in einer Demokratie bekanntlich nur einer regieren kann. Neben den Suchtrupps auf den Wiesen und Feldern sind Jungs und Mädels auch auf Deutschlands Straßen in fast 80 Städten unterwegs. Sie marschieren unverdrossen in der großen Tradition der Ostermärsche für Frieden und Abrüstung. Auf einigen Märschen dürfen russische Fahnen wehen, aber Protest gegen den obersten Kriegstreiber im Kreml ist nicht erlaubt: "Banner mit Aufschriften wie 'Putin der Aggressor' seien hingegen nicht erwünscht, sie würden nicht zu den Positionen des Ostermarschs passen", heißt es im Bericht über die Berliner Ostermarschierer. Beim Hamburger Ostermarsch läuft der Deutsche Gewerkschaftsbund mit, dort heißt es: "Mit den jetzt beschlossenen Sanktionen westlicher Staaten gegen Russland wird internationales Recht weiter beschädigt." Wer da was in der Ukraine beschädigt und zerstört hat, ist kein Thema.

*** Erst beschädigt durch Raketen, dann gesunken: Das Schicksal des Raketenkreuzers "Moskwa" ist bemerkenswert. Das Flaggschiff der Schwarzmeerflotte, das den deutschen Ehrentitel Kreuzer bzw. крейсер als Relikt aus dem Zarenreich trug, erlaubt das hübsche Wortspiel "Moskau ist gesunken". Das wiederum versetzt die TV-Moderatorinnen in Russland dermaßen in Rage, dass sie davon schäumen, Kiew auszuradieren. Die Umbenennung des Flaggschiffes in "Moskwa" ist ein weiterer Fehler der russischen Regierung. Erinnert sei an den berüchtigten "Panzerkreuzer A", dessen Bau die Sozialdemokratische Partei der Weimarer Republik mitgetragen hatte, obwohl sie gerade mit dem schwer österfriedlichen Wahlslogan "Für Kinderspeisung – gegen Panzerkreuzerbau!" erfolgreich war. Aus dem Panzerkreuzer A wurde das Panzerschiff Deutschland, das Hitler vorsichtshalber wieder umbenennen ließ. "Deutschland untergegangen", diese Schlagzeile wollte er den Alliierten nicht gönnen. Zur "Moskwa" passt, dass das Schiff mit einer Kriegslist angegriffen wurde, ehe die eigentlichen Raketen einschlugen. Was wiederum russische Kommentatoren "unfair" nennen. Wahrscheinlich ist die zeitliche Übereinstimmung mit der Titanic noch so eine Unverschämtheit.

*** In diesen Tagen muss man sich abseits aller Osterrituale die Frage stellen, ob der russische Alleinherrscher Putin einen Atomschlag befiehlt und damit seine gern erwähnte Trumpfkarte spielt. Die Antwort auf diese Bedrohung ist die Überlegung, dass ein regional begrenzter Atomkonflikt durchaus möglich und gar nicht so schlimm sein muss. Eine alternative Antwort kommt von der schwedischen ICAN-Chefin Beatrice Fihn. Die leistungsschutzrechtskonforme Kurzfassung: "Abrüsten, bevor es zu spät ist." Atomwaffengegner sind nicht naiv, aber sie sehen auch für die Zeit nach Putin, dass immer wieder mit ihnen gedroht werden kann, wenn diese Waffen existieren. Wie die Zeit nach Putin aussehen soll, hat der einflussreiche Denker Evgenij Prigozhin skizziert: Es wird einen Eurasischen Staat unter der Führung Russlands geben, dem die ehemaligen Staaten Ukraine, Polen und Ostdeutschland angehören, sowie ein großes Österreich-Ungarn in den Grenzen der K.u.K-Monarchie und ein Westeuropa, das in Frankreich beginnt, Großbritannien umfasst und von den USA dominiert wird. Le Pen wie Orban werden von dieser Neuordnung der Welt begeistert sein, weil sie den fantasierten "großen Austausch" stoppt.

*** Wer diese Pläne für größenwahnsinnig hält, muss einfach mal nach Großbritannien blicken. Der britische Premierminister Boris Johnson, von Moskau gerade als persona non grata deklariert, will illegale Migranten nach Ruanda ausfliegen, wo sie "in Ruhe" ihr Asylgesuch stellen könnten. Das Projekt wäre ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und die Genfer Flüchtlingskonvention, doch das stört Johnson in seiner Großraumphantasie wenig. Erstens lenkt es wunderbar von seinem Partygate ab, zweitens von den massiven IT-Problemen des Zolls, unter dem die LKW-Fahrer leiden. Unterstützung findet Johnson bei seiner Ministerin Priti Patel, die für harte Kurse aller Art zu haben ist. Sie muss bald über die Zukunft von Julian Assange entscheiden, der sich seit drei Jahren in britischer Haft befindet. Wer weiß, ob Patel da nicht auf ebenso seltsame Gedanken wie Johnson kommt.

*** Kann man den "Vernichtungskrieg der russischen Armee" mit dem Gebahren von Google, Microsoft und Meta vergleichen? Schwer vorstellbar, aber in Deutschland geht das, wenn man vom dubiosen Leistungsschutzrecht der Verlage überzeugt ist. Das wird dann eine Argumentationslinie vom Recht des Stärkeren herumgebogen, bis der Vergleich vom tausendfachen Morden an Zivilisten mit den tausendfach entgangenen Einnahmen der Presseverlage irgendwie zulässig erscheint. Das Bundeskartellamt wird dann wie der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen angerufen, dem furchtbaren Treiben, dem Ausfall von Zahlungen von angeblich 190 Millionen für 260 deutsche Presse-Domains ein Ende zu setzen. Fehlt eigentlich nur noch, dass vom Vernichtungskrieg gegen die deutsche Presse fantasiert wird.

Im Interview mit Ex-Außenminister Joschka Fischer stellte die "tageszeitung" bange Fragen zur Zukunft von Deutschland. Das Blatt hat schwere Zweifel, dass die Grünen die richtige Partei sind, das zügige "Erwachsenwerden der Deutschen" voranzubringen, worauf Fischer prompt nachhakte, wer denn sonst für die Zukunft stehen könnte. Zur "Frage aller Fragen" war dann der alte Optimist wieder da, Gott inklusive: "Ich habe da eine klare Haltung: Gott sei Dank sind jetzt die Grünen in der Regierung. Und Gott sei Dank sind die beiden Stärksten der jüngeren Generation in der Verantwortung, Habeck und Baerbock. Und wir werden noch erleben, wie wichtig das Landwirtschaftsministerium von Cem Özdemir ist bei der mit Zeitverzögerung eintretenden Welternährungskrise. Und dahinter steht eine breite Pyramide an Kompetenz." So sieht die Zukunft aus. Und die Vergangenheit? Kein Wort über Schröder.

Damit kommen wir gleich zu einem anderen Politiker der Tat, nämlich Karl Lauterbach. Ihn kennen wir nun in zwei Zuständen, die an Schrödingers Katze erinnern. Da ist der Bundesgesundheitsminister ohne Richtlinienkompetenz und ein Karl Lauterbach, der auf Twitter zum Maskentragen ermahnt und vor der nächsten Welle warnt. Diese Woche wurde die Existenz einer Querdenker-Terrorgruppe bekannt, die den doppelten Karl entführen wollte. Auch davon lässt er sich nicht beeindrucken. So hält er bald die Keynote auf der DMEA, der Messe für Medizin-IT in Berlin. Sein Thema laut der Vorab-Mitteilung: "Ob e-Rezept oder Patientenakte: Die Digitalisierung muss im Versorgungsalltag von Patientinnen und Patienten und Leistungserbringern gleichermaßen ankommen. Das geht nur, wenn digitale Anwendungen für beide Seiten einen Nutzen haben. Und alle Leistungserbringer, von Krankenhaus bis Apotheke, daran mitwirken". So geht es munter weiter im Schrödinger-Stil von Lauterbach und seinem Ministerium, mitsamt der angeschlossenen Projekt-Gesellschaft Gematik. Erst hieß es, dass 130.000 Konnektoren ausgetauscht werden müssen, nun könnten es nur 25.000 KoCoBoxen des Herstellers Compugroup Medical sein. Die Spannung bleibt, während sie anderswo langsam, aber sicher steigt. Im allseits bekannten Bielefeld findet bald wieder die Preisverleihung der begehrten Big Brother Awards statt. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn nicht wieder eine Firma aus der bizarren Welt der Medizin-IT ein Preis bekommt. Im letzten Jahr war es der Terminservice Doctolib.

Na denn: Musik, zwo, drei, vier ...

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