Stromfresser und Klimakiller: EU strickt weiter an Bitcoin-Verbot

Vor allem schwedische Behörden machen sich bei der EU-Kommission für ein "Verschwinden" des stromhungrigen Bitcoin stark. Die Bundesregierung ist beteiligt.

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(Bild: Svetlana Sotnikova/Shutterstock.com)

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Hinter verschlossenen Türen tauschen sich Regierungsvertreter aus Schweden und Deutschland gemeinsam mit Abgesandten der EU-Kommission eingehend über einen restriktiven Umgang mit dem Stromfresser und Klimakiller Bitcoin aus. Dabei gehen die Forderungen bis zu einem Verbot des "Schürfens" und Handels mit der Kryptowährung in der EU. Dies zeigen Dokumente, die das Portal Netzpolitik.org auf Basis von Informationsfreiheitsanfragen bei den beteiligten Behörden erhalten hat.

Stein des Anstoßes ist das energiehungrige Konsens- und Schutzverfahren "Proof of Work" (PoW), bei dem sehr aufwendige Rechenaufgaben gelöst werden müssen. Dabei geht es etwa bei Bitcoin (BTC) darum sicherzustellen, dass alle Teilnehmer einen einheitlichen Datenstand in der Blockchain haben. Umweltschützer mahnten jüngst, die BTC-Entwickler sollten zum alternativen, "Proof of Stake" (PoS) genannten Konsensverfahren wechseln. Auf das will die Kryptowährungsplattform Ethereum umsteigen.

In einem der von Netzpolitik.org jetzt veröffentlichten Papiere über ein virtuelles Treffen zu dem Thema auf EU-Ebene heißt es dazu: Wenn Ethereum in der Lage sei, auf die klimafreundlichere PoS-Methode zu wechseln, "könnten wir legitimerweise dasselbe von BTC verlangen. Wir müssen andere Krypto-Coins 'schützen', die nachhaltig sind." Man sehe dagegen keine Notwendigkeit, "die Bitcoin-Community zu 'schützen'".

Die Beteiligten besprechen bei der Runde auch Konsequenzen eines möglichen Verbots für private Anleger. "Wie würde das Verschwinden von Bitcoin sich auf Verbraucher auswirken?", fragt eine beteiligte Person. Die Antwort liefert sie gleich mit: Wer Bitcoin besitze, sei sich der großen Preisschwankungen und Investitionsrisiken der Währung bewusst. Zusätzliche Schutzmaßnahmen seien daher an dieser Front ebenfalls unnötig.

Bei dem Meeting fragt einer der Anwesenden direkt, ob die EU nicht den Handel mit nicht nachhaltigen Kryptowährungen generell verbieten sollte, die wie Bitcoin auf PoW setzen. Die Aufzeichnung der Antwort ist aber geschwärzt. Die Kommission begründet dies mit dem Schutz des "laufenden Entscheidungsprozesses".

Die Überlegungen zu einem potenziellen gemeinsamen Vorgehen erfolgten bei einer Sitzung zwischen schwedischen Regulierern und Kommissionsvertretern im November 2021. Wer sich dabei wie geäußert hat, bleibt offen, da die Namen der Sprecher geschwärzt sind. Ein E-Mail-Wechsel vor dem Treffen lässt dem Bericht zufolge aber darauf schließen, dass unter anderem ein führender Kommissionsbeamter teilnahm, der für "Blockchain-Innovationen" zuständig ist.

Als erste europäische Behörden forderten die schwedische Finanzaufsicht und Umweltbehörde ebenfalls im vorigen November, Krypto-Mining mit der PoW-Methode in der EU zu verbieten. Knapp 140 Terawattstunden Strom verbraucht allein Bitcoin jährlich, schätzen Forscher der Universität Cambridge mit ihrem Bitcoin Electricity Consumption Index. Das ist mehr als Polen, Norwegen oder die Niederlande nutzen. Den so verursachten jährlichen CO₂-Ausstoß schätzen Experten auf rund 65 Megatonnen.

In diesem Februar folgt eine weitere Video-Konferenz der Kommission mit schwedischen Behördenexperten. Dabei ist diesmal laut offengelegten E-Mails auch ein Abteilungsleiter aus dem hiesigen Bundesumweltministerium. Die Protokollnotizen dazu legen dar, dass die Regierungsvertreter ein Schlüsselargument von Bitcoin-Verfechtern als unglaubwürdig betrachten.

Die Krypto-Szene verteidigt den PoW-Ansatz mit der Behauptung, dass für Mining hauptsächlich "überschüssiger" Strom verwendet werde. Dieser entstehe etwa, wenn Wind- und Solaranlagen über den aktuellen Bedarf hinaus produzierten. Dies komme in der Praxis aber eigentlich gar nicht vor, hält einer der Anwesenden bei dem Gespräch dagegen. Denn Strom könne etwa in andere Märkte umgeleitet werden. Zudem verbesserten sich die Speichermöglichkeiten rasch, etwa durch Wasserstoff. Von "überschüssiger Energie" könne daher gar keine Rede sein. Ferner gäben sich die Bitcoin-Schürfer nicht mit Resten zufrieden: "Es ist nicht in ihrem Interesse, Gelegenheitsnutzer zu sein, da die Maschinen im ausgeschalteten Zustand nichts abwerfen."

Die Reform der Energieeffizienzrichtlinie werde derzeit mit den Mitgliedstaaten erörtert, heißt es in den Aufzeichnungen weiter. Arbeiten an einschlägigen Vorgaben für Rechenzentren liefen. Eine damit verknüpfte Datenbank "könnte der erste Schritt zu einer Energiekennzeichnung" für solche Anlagen sein.

Die Unterredungen ließen darauf schließen, dass ein mögliches Verbot von Mining oder gar Handel von Bitcoin auf dem Tisch liege, erklärte der Ökonom und Blogger Alex de Vries gegenüber Netzpolitik.org. Die Wortwahl sei "ziemlich klar".

Offiziell wollen sich laut dem Bericht aktuell weder die Bundesregierung noch die Kommission darauf festnageln lassen, konkrete Schritte gegen Krypto-Mining ergreifen zu wollen. Derzeit gebe es "auf vielen Ebenen einen Austausch zu der Frage, wie sich der Bitcoin nachhaltiger aufstellen ließe", sei etwa aus dem Umweltministerium zu hören. Um Bitcoin wirksam zu regulieren, müssten möglichst viele Staaten an Bord sein.

Im EU-Parlament ist ein zunächst gefordertes Verbot von Krypto-Dienstleistungen, die auf "ökologisch nicht nachhaltigen Konsensmechanismen" beruhen, vorerst vom Tisch. Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung verlangte im März stattdessen von der Kommission bis Anfang 2025 einen Gesetzesvorschlag, der die Aufnahme von Kryptowährungen in die EU-Taxonomie für grüne Finanzinvestitionen vorsieht, um ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern.

(mho)