Der Abgang des "Design-Gotts": Warum Jony Ive Apple wirklich verließ

Der langjährige Chefdesigner verließ den IT-Konzern offiziell, um seine eigene Firma zu gründen. Ein neues Buch zeichnet ein anderes Bild der Geschehnisse.

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Apples früherer Chefdesigner Jony Ive (links) mit Apple-Chef Tim Cook nach einer Produktpräsentation im Jahr 2018.

(Bild: Apple)

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Inhaltsverzeichnis

Ein neues Buch über Apple und seinen früheren Chefdesigner Jony Ive zeichnet ein anderes Bild von der Geschichte des Weggangs des langjährigen ranghohen Mitarbeiters als das, was Apple offiziell verlautbarte. In einem Artikel veröffentlichte US-Journalist Tripp Mickle jetzt einen Ausschnitt seines Buches “After Steve: How Apple Became a Trillion-Dollar Company and Lost Its Soul”, das neben Ive vor allem auch die Entwicklung Apples unter Tim Cook betrachtet. Grundlage für das Buch waren laut Mickle Gespräche mit mehr als 200 früheren und heutigen Mitarbeitern Apples sowie Weggefährten Ives.

Nach der Lesart Apples verließ Sir Jonathan "Jony" Ive - so sein vollständiger Name – im Jahr 2019 das Unternehmen, um eine eigene Designfirma namens "LoveFrom" aufzubauen, mit der er für Apple arbeiten werde. Mickle zeichnet hingegen in einem Artikel in der New York Times das Bild einer massiven Verstimmung, die sich nach dem Tod von Apple-Mitbegründer Steve Jobs bei Ive aufgebaut hat.

Der Verlust seines persönlichen Freundes Jobs im Jahr 2011 habe Jony Ive heruntergerissen. Vor allem aber habe er bei mehreren Gelegenheiten einen Aufstieg der "Buchhalter" beklagt, allen voran Tim Cook, dessen Fähigkeiten in der Planung der Herstellung und der Logistik angesichts des massiven Wachstums der Firma für Apple unverzichtbar war.

Cook wiederum hielt offenbar Ive für unverzichtbar. Laut Mickle fürchtete er im Falle eines Weggangs des britischen Designers um einen Wertverlust Apples von 10 Prozent an der Börse. Ebendiese rationale Sichtweise stand aber in einem starken Kontrast zu Ive, der sich stärker von seinen Gefühlen leiten ließ.

Die Apple Watch im Jahr 2014 und der Bau des neuen Hauptquartiers Apple Park in Cupertino waren den Recherchen Mickles zufolge willkommene Ablenkungen für Ive, die ihn aber zugleich auch in Konflikt mit Cooks neuer Art der Führung geraten ließen. So fühlte er sich trotz Einlenkens von Cook, die Uhr zunächst unter modischen Aspekten zu präsentieren, unverstanden. Als die erste Apple Watch sich schlecht verkaufte, ließ Cook den Fokus von der Mode auf Fitness verlagern. Auch beim Hauptquartier geriet Ive laut Mickles Ausführungen mit den Finanzleuten aneinander.

Ive fühlte sich ausgebrannt, wie er angeblich vor engen Vertrauten und später auch Tim Cook darlegte. Um ihn zu halten, trafen Cook und er die Vereinbarung, dass er sich aus dem täglichen Geschäft zurückzieht und als Chief Design Officer hauptsächlich und nach eigenem Ermessen an Produkten mitarbeitet. Zwei seiner Mitarbeiter wurden indessen befördert, um das Alltagsgeschäft zu übernehmen.

Doch auch dies habe an seinem Unbehagen wenig geändert, heißt es. Zuletzt sei er nur noch selten in der Firma erschienen oder kam – wie im Falle eines Software-Meetings – zu spät und traf dann keine abschließenden Entscheidungen.

Ives Designsprache, die dem Prinzip "Form follows function" folgte, geriet wegen ihres ausgeprägten Hangs zur Reduzierung in seinen letzten Jahren bei Apple aber immer mehr in die Kritik. Der Wegfall von Anschlüssen und die immer dünneren Geräte waren anders als seine früheren Werke wie die Erschaffung des iMacs, des MacBooks im Unibody-Design, des iPhones, des iPads und weiterer Geräte nicht unumstritten.

Nach Ives Weggang sei das Design, das unter Steve Jobs eine Hauptrolle spielte, in Produktpräsentationen spürbar in den Hintergrund gerückt, stellt Mickle in seinem Artikel fest. Statt Produkten spielten Dienste und Produkte wie Kreditkarten eine immer größere Rolle.

Das Buch "After Steve" (Verlag HarperCollins) ist hierzulande ab dem 12. Mai in englischer Sprache erhältlich. Es kostet als Taschenbuch 14,68 Euro als E-Book 13,99 Euro.

(mki)