Kommentar zum iPod-Ende: Schade, aber konsequent

Apples Einstellung seiner Musikspieler-Produktlinie folgt auf eine Phase jahrelangen Vernachlässigens. Der Konzern hätte mehr mit der Marke machen können.

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iPod touch

Der iPod touch war als abgespecktes iPhone aus der Zeit gefallen.

(Bild: dpa, Christoph Dernbach/Symbol)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Zahlreiche Menschen, die seit dem Jahr 2001 in der westlichen Welt groß geworden sind, dürften eine iPod-Story besitzen: Apples MP3-Player war rund um das Millennium – und Jahre darüber hinaus – einfach stil- und kulturprägend. Die Geräte waren nicht die ersten tragbaren digitalen Musikspieler mit Computeranschluss auf der Welt, doch sie waren lange Zeit die besten. Egal, ob es um das kompakte und schicke Design ging, die Fülle an Songs, die sie per Mini-Festplatte schluckten ("1000 Songs in Deiner Tasche"!) oder die Bedienung durch das clevere Clickwheel: Apple zeigte der Branche, wo es lang ging.

Gleichzeitig leitete der iPod eine Renaissance des (damals noch) Computerkonzerns ein: Nach Jahren des Niedergangs brachte der 1997 wiedergekehrte Konzernchef Steve Jobs wieder Hitprodukt auf Hitprodukt an den Start. Die enormen Marktanteile, die der nicht gerade günstige MP3-Spieler eroberte, waren atemberaubend. Der Erfolg verblasste erst mit der Einführung des noch populäreren iPhone. Apple baute die iPod-Produktlinie konsequent aus, es gab den iPod mini (der natürlich auch gleich populärster MP3-Spieler wurde), den iPod nano, den iPod shuffle. Man leistete sich auch verrückte Experimente wie 2009 ein Gerät, das allein über Sprachsteuerung zu kontrollieren war.

Es gab viele bunte Farben, die Unterstützung durch die iTunes-Software wurde besser, sie kam schließlich auch auf Windows (was die Dominanz des iPod endgültig zementierte) und die weißen iPod-Ohrhörer wurden weltweit in den großen Städten ikonisch. Dazu dann auch noch die kultige Schattenfiguren-Reklame. Mit Einführung des iTunes Music Store revolutionierte Apple den Musikmarkt, statt gerippter CDs – die anfangs für massiven Ärger zwischen Apple und der Plattenindustrie sorgten – konnte man seit 2004 einfach direkt Songs und Apple im Internet kaufen. Auch hier war Apple nicht der erste Anbieter, doch die einfache Benutzbarkeit und das gut funktionierende Bezahlsystem (die legendären 99 Cent pro Song!) dahinter sorgten für enorme Nutzerzahlen.

Mit der Einführung des iPhone im Jahre 2007 war der iPod längst nicht am Ende. Apple baute noch immer Jahr für Jahr neue Modelle, sein "Musikevent" im Herbst wurde legendär. Natürlich war absehbar, dass dem Alleskönner namens Smartphone auch im Musikgeschäft die Zukunft gehörte. Dennoch versorgte Apple die User weiter mit neuen Modellen, denn schließlich konnte sich nicht jeder ein teures iPhone leisten.

Nur ganz kurz nach dem iPhone, im September 2007, kündigte Apple den ersten iPod touch an. Es war ein etwas merkwürdiges Gerät: Quasi ein iPhone, nur ohne Mobilfunkteil. Es erlaubte Nutzern, das iPhone-Universum kennenzulernen, ohne einen teuren Telefonvertrag abschließen zu müssen. Später, als Apple 2008 dann den App Store einführte, wurde der iPod touch auch zur Software-Plattform, gerne neben der Musikfunktion auch für Spiele verwendet. Parallel dazu kamen weiter iPods ohne iOS auf den Markt, erst 2017 stellte Apple schließlich die klassischen Musikspieler ganz ein. Sie fristeten zuletzt ihr Dasein vor allem bei Menschen mit besonders großer Musiksammlung oder als Zuspieler im Auto.

Apples iPod über die Jahre (16 Bilder)

iPod von 2001

Ungefähr so groß wie ein Satz Spielkarten, zudem Hosentaschen-kompatibel: Der klassische iPod gab das Design vor.
(Bild: Apple)

Mit der Ankündigung Apples in dieser Woche, nach 21 Jahren ganz aus dem iPod-Geschäft auszusteigen, ist nur konsequent und im Prinzip auch überfällig. Der Hersteller hatte die Produktlinie in den letzten Jahren – leider nicht als einzige – komplett vernachlässigt. 2019 war der iPod touch zuletzt angefasst worden und wurde in dieser Uralt-Version von Apple einfach weiterverkauft. Wer statt einem aktuelleren iPhone zu dieser Hardware griff, bekam viel zu wenig fürs Geld.

Doch statt konsequent entweder ein neues Modell herzustellen oder die Produktlinie zu beerdigen, wartete Apple noch bis 2022. Die Pressemitteilung zum iPod-Ende ist bezeichnend mit "Die Musik lebt weiter" überschrieben. Darin fasst der Konzern noch mal seine Erfolge in diesem besonderen Markt zusammen. Und er verweist darauf, dass es ja weiterhin die "hervorragenden Möglichkeiten, Musik über eine ganze Reihe von Geräten zu genießen", gibt – "darunter die Vielzahl von Modellen vom neuen iPhone SE bis zum neuesten iPhone 13 Pro Max". Der iTunes Music Store ist unterdessen zusammengeschrumpft, stattdessen setzt Apple voll und erfolgreich aufs Musikstreaming mit Apple Music.

Da stellt sich die Frage: Hätte Apple aus dem iPod noch mehr machen können? Absolut. Etwa ein auf den High-End-Markt zugeschnittenes Musikspielerprodukt. So muss man peinlicherweise einen speziellen A/D-Wandler an Apple-Geräten betreiben, wenn man die höchste Lossless-Qualität von Apple Music verwenden will.

Ein Kommentar von Ben Schwan

Mac & i-Redakteur Ben Schwan schreibt seit 1994 über Technikthemen und richtet sein Augenmerk mittlerweile insbesondere auf Apple-Geräte. Er mag das Design von Mac, iPhone und iPad und glaubt, dass Apple nicht selten die benutzerfreundlicheren Produkte abliefert. Immer perfekt ist die Hard- und Software-Welt aus Cupertino für ihn aber nicht.

Das könnte Apple doch selbst. Aber das war wohl – ähnlich wie beim großen HomePod, der eingestellt ist –, für den Konzern ein zu kleiner Markt. Bye-bye also, iPod: Du hast für Apple wahrlich Deine Schuldigkeit getan. Ich werde Dich vermissen!

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(bsc)