Anga Com: Wer bekommt das UHF-Frequenzband?​

Der Rundfunk nutzt die Frequenzen zwischen 470 und 694 MHz noch, dennoch würden sich gerne Mobilfunkbetreiber und Polizeikräfte gerne ein Stück abschneiden.

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(Bild: KYNA STUDIO, Shutterstock)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
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Die Weltfunkkonferenz 2023 rückt immer näher, doch Deutschland weiß noch nicht, wie es sich zu einer Grundsatzfrage verhalten soll: Bleibt das UHF-Band im Bereich von 470 bis 694 MHz weiterhin der Übertragung linearer Fernsehprogramme (DVB-T2) und dem Veranstaltungsfunk vorbehalten oder sollten sie im Zuge einer dritten digitalen Dividende neu verteilt werden?

Interessenten gibt es genug: Mobilfunker wollen sie für 5G-Ausbau, Innenminister melden dringenden Bedarf für Polizei, Feuer und Katastrophenschutz an. Auf der Fachmesse Anga Com in Köln zeigte sich am Mittwoch: Obwohl das Thema seit Jahren kontrovers diskutiert wird, ist Deutschland von einer einheitlichen Position noch weit entfernt.

Die derzeitigen Nutzer wollen die Frequenzen nicht freiwillig abgeben. DVB-T2 sei keineswegs entbehrlich, betonte Helwin Lesch, der im Bayerischen Rundfunk für die Verbreitung zuständig ist. Zwar empfangen darüber allenfalls 6,3 Prozent der deutschen Haushalte ihre TV-Programme, doch schwanke der Wert stark und erreiche in Ballungsräumen bis zu 14 Prozent. Die terrestrische Rundfunkübertragung sei die effizienteste Nutzung der Frequenzen, erklärte Lesch. Der Energieverbrauch des Sendernetzes mit bundesweit 160 Standorten sei ungeschlagen niedrig. Zudem könnte im Katastrophenfall so am einfachsten eine breite Bevölkerung erreicht werden.

Hinzu käme, dass die Frequenzen für andere Nutzungsmöglichkeiten nur eingeschränkt nützlich seien, sagte Lesch. In Nachbarländern wir Frankreich sei das terrestrische Fernsehen erheblich weiter verbreitete als in Deutschland. Deshalb müsse man bis zu 200 Kilometer Sicherheitsabstand einhalten, um die Frequenzen für einen anderen Zweck störungsfrei zu nutzen. Zudem sei ein Kaskadeneffekt zu erwarten: Fiele die terrestrische Fernsehübertragung weg, könnten sich die verbleibenden Radiosender den Unterhalt des Sendernetzes alleine nicht mehr leisten.

Dennoch zeigen die Sicherheitsbehörden in Deutschland großes Interesse an dem Spektrum. Jürgen Mathies, Staatssekretär im Innenministerium Nordrhein-Westfalen, verwies auf die hohe Priorität, die dem Funk von Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz und Bundeswehr eingeräumt werden müsse. "Frequenzen retten Leben", betonte Mathies. Zum Beispiel könnten Feuerwehren mithilfe dieser Frequenzen Wärmebilder direkt von Drohnen übertragen. Das jetzt genutzte Tetra-Netz sei nur für Sprach- und Textnachrichten ausgerichtet, sodass neues Spektrum notwendig sei – Matthies rechnet mit einem Bedarf von 60 Megahertz.

Hier hatte die Innenministerkonferenz bereits frühzeitig Bedarf angemeldet, doch die Bundesregierung hatte sich im Koalitionsvertrag anders positioniert. Im Frühjahr hatte sich auch die Rundfunkkommission der Länder für einen Beibehalt der Frequenzen für den Rundfunk ausgesprochen. Dennoch halten die Innenminister an ihrer Forderung fest.

Die Mobilfunkbetreiber haben natürlich auch ein großes Interesse an den Frequenzen. Valentina Daiber von Telefónica Deutschland verwies auf die enorme Bedeutung, die der Mobilfunk derzeit schon bei der Kommunikation spiele. Die Bevölkerung habe gesteigerte Erwartungen an die mobile Kommunikation, die terrestrische Rundfunkübertragung müsse da zurückstehen. Zudem sei durch den Aufbau eines vierten Mobilfunknetzes durch United Internet ein enormer zusätzlicher Bedarf an Spektrum entstanden.

Schützenhilfe bekam der öffentliche Rundfunk von Andreas Sennheiser vom gleichnamigen Hersteller von Audio- und Veranstaltungselektronik. Durch die Abschaltung des analogen Fernsehens und von DVB-T habe dieser Bereich schon ausreichend Frequenzen freigemacht. Stattdessen sei es nun an der Zeit, das Einsparpotenzial in anderen Bereichen zu nutzen.

Sennheiser plädierte für ein bundesweites Roaming, sodass es nicht mehr vier Parallel-Infrastrukturen geben muss. Die Mobilfunkprovider sollten über ihre Services und nicht über ihre Infrastruktur konkurrieren. Obwohl Provider auf solchen Podien immer wieder für Zusammenarbeiten plädieren, ist dieser Vorschlag jedoch konträr zu dem heute praktizierten Geschäftsmodell der Mobilfunkbetreiber.

Sennheiser hatte jedoch auch das eigene Geschäftsmodell im Blick: Gerade bei Großveranstaltungen seien die zur Debatte stehenden Frequenzbänder bereits weitgehend ausgelastet. Je größer die Veranstaltung, umso mehr Spektrum sei notwendig – Sennheiser kalkuliert mit bis zu 200 Mhz. "Wollen wir Olympische Spiele mit Ton, oder nicht?", fragte der Experte. Zudem drohte bei den Umnutzungsdebatten eine Überlastung des Spektrums, sodass am Ende keiner der Nutzer mehr seine Aufgaben ordentlich erfüllen könne.

Neben der reinen Verteilungsfrage steht jedoch auch noch die Frage der Technik offen. Zum Beispiel könnten die Rundfunksender ihre Programme auch über 5G Broadcast verbreiten. Allerdings sind hier noch viele Praxisfragen offen. Debattiert wird auch, ob der Blaulicht-Funk auf das private Netz eines Mobilfunkers wechseln könnte.

Obwohl Ende 2023 auf der Weltfunkkonferenz eine Grundsatzentscheidung getroffen werden soll, zeigte die Diskussionsrunde in Köln, dass bisher eine gemeinsame Lösung noch außer Reichweite ist: Niemand will auf die eigenen Ansprüche verzichten. Auch die Bundesnetzagentur hat es nicht geschafft, trotz zahlreicher Treffen im Rahmen eines Arbeitskreises, die Positionen anzunähern. Sollten die deutschen Vertreter jedoch ohne eine feste Position zur internationalen Konkurrenz anreisen, befürchten alle Seiten, ihre Pläne für die UHF-Frequenzen nicht umsetzen zu können.

(vbr)