Chatkontrolle: Kinderschützer stärken EU-Kommission den Rücken

Mehrere Kinderschutzverbände loben den Verordnungsentwurf zum Kampf gegen sexuellen Missbrauch als "historisch".

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EU-Symbole

(Bild: -strizh-/Shutterstock.com)

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Nachdem Bürgerrechtler, Datenschützer und Teile der Internetwirtschaft Sturm liefen gegen den Verordnungsentwurf der EU-Kommission zum Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch und die damit verknüpfte massive Überwachung privater Nachrichten, erhält die Brüsseler Regierungsinstitution nun erstmals im größeren Stil Zuspruch für das Vorhaben. Eine Reihe von Kinderschutzorganisationen feiert die Initiative als weltweit "von historischer Bedeutung", die genau im richtigen Moment komme.

Die Kommission stelle mit dem Plan "die Vision eines verantwortungsvollen Internets vor, in dem Kinder neugierig sein und das sie sicher erkunden können", heißt es in einem offenen Brief, zu deren Erstunterzeichnern Internet Watch Foundation (IWF), Thorn, ECPAT (End Child Prostitution, Child Pornography & Trafficking of Children for Sexual Purposes) sowie die WeProtect Global Alliance gehören. Die IWF spricht von 54 Organisationen, allein neun davon sind aber nationale ECPAT-Ableger.

Aus Deutschland sind etwa Innocence in Danger, die Stiftung digitale Chancen und das Deutsche Kinderhilfswerk dabei. Der hiesige Kinderschutzbund hatte sich indes schon frühzeitig gegen das "unverhältnismäßige" Vorhaben ausgesprochen. Der Großteil sexueller Missbrauchsdarstellungen werde direkt über Plattformen und Foren im Web geteilt, nicht über die im Zentrum des Kommissionsentwurfs stehenden Chat-Dienste.

Die derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen seien in den EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich, ist dem Schreiben zu entnehmen. Sie beruhten auf freiwilligen Maßnahmen der Diensteanbieter und "gehen nicht auf die Probleme ein, die durch die Weiterentwicklung der Technologie und den gesellschaftlichen Umgang mit ihr entstehen können". Der Gesetzesvorschlag lege dagegen "einen ausbalancierten, verbindlichen und zukunftssicheren Rahmen fest, der es uns ermöglichen wird", in den kommenden Jahren gegen bekannte und neue Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs sowie gegen das Heranpirschen an den Nachwuchs übers Internet per Grooming vorzugehen.

Mit der im EU-Parlament ebenfalls umkämpften Initiative sollen auch Anbieter durchgängig verschlüsselter Messaging- und anderer Kommunikationsdienste wie WhatsApp, Apple mit iMessage, Signal und Threema über behördliche Anordnungen dazu verpflichtet werden können, Fotos und Videos von Kindesmissbrauch in den Nachrichten ihrer Nutzer ausfindig zu machen. Überdies will die Kommission die seit Jahren nicht minder umstrittenen Websperren auf breiter Ebene einführen.

Das Gesetz soll den Verfassern des Briefs zufolge aber sicherstellen, dass von den Providern genutzte Erkennungs- und Filtertechniken im Einklang mit den Werten der EU und den Grundrechten entwickelt und genutzt würden. Dafür sorgten einige Sicherheitsvorkehrungen. Unter anderem müssten die vorgesehenen Mittel vom Europäischen Datenschutzausschuss bewertet werden. Sie dürften ausschließlich solche Informationen verwenden, die zur Aufdeckung des Missbrauchs unbedingt erforderlich seien.

Jeder betroffene Nutzer werde Anspruch auf wirksame Rechtsmittel haben, betonen die Kinderschützer. Das ins Spiel gebrachte neue EU-Zentrum könnte "eine tragende Säule" im Kampf gegen Child Sexual Abuse Material (CSAM) sein. Es habe "den klaren Auftrag, Maßnahmen von Anbietern von Online-Diensten sicherzustellen, Präventionsbemühungen zu unterstützen und den Opfern den nötigen Rechtsschutz zukommen zu lassen". Entscheidend sei auch die allgemeine Pflicht der Betreiber, Risiken zu bewerten und Präventionsmaßnahmen zu ergreifen.

"Wir haben im Laufe der Zeit gelernt, dass freiwillige Maßnahmen allein dieses Problem nicht lösen werden", heben die Unterzeichner hervor. Nun komme es auf die Details der Ausgestaltung des im Raum stehenden Gesetzestexts an, "um dauerhafte Verbesserungen für die Sicherheit von Kindern zu erzielen". Das eigene geschlossene Vorgehen sei der einzige Weg, "um der sexuellen Ausbeutung und dem Missbrauch von Kindern im Internet Einhalt zu gebieten".

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Kritiker monieren dagegen, der Vorschlag werde das digitale Briefgeheimnis zerstören und den Sinn verschlüsselter Kommunikation ad absurdum führen. Allein die Möglichkeit, dass ein Scannen und Filtern von Inhalten angeordnet werden könne, reiche aus, um die Vertraulichkeit der Kommunikation faktisch abzuschaffen. Die Minister für Digitales, Justiz und Inneres, Volker Wissing, Marco Buschmann (beide FDP) und Nancy Faeser (SPD), sind sich einig, dass es eine solche "flächendeckende Chatkontrolle" nicht geben dürfe.

(fds)