Kryptowährungs-Kursrutsch: Abhebestopp bei Celsius und Berliner Fintech Nuri

Steht der nächste große Kryptodienste-Crash ins Haus? Die Plattform Celsius hat alle Auszahlungen gestoppt – und bremst damit auch ein deutsches Start-up aus.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 118 Kommentare lesen

Weil Celsius alle Auszahlungen stoppt, kommen auch Kunden der "Bitcoin-Ertragskonten" von Nuri erstmal nicht an ihr Geld.

(Bild: Nuri)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

In Folge der jüngsten drastischen Kursrutsche an den Kryptomärkten ist erneut ein Anbieter ins Trudeln geraten: Die Finanz-Plattform Celsius teilte am Montag mit, dass alle Möglichkeiten gesperrt werden, Geld von Konten bei dem Dienst abzuheben. Ebenfalls seien auch Swap genannte Wechselgeschäfte sowie Transfers zwischen Konten des Dienstes eingefroren. Er wolle sich "in eine bessere Position bringen", um langfristig den Auszahlungspflichten nachkommen zu können, heißt es in der Mitteilung des Dienstes. Das geschehe "zum Schutz der Kunden" angesichts "extremer Marktbedingungen".

In der Kryptoszene machen sich schon Befürchtungen breit, es könnte nach dem Fall des Stablecoins TerraUSD nun mit Celsius gleich der nächste Anbieter havarieren. Celsius ist eine Plattform, auf der Nutzerinnen und Nutzer Kryptogeld auf einer Wallet lagern können und dafür Zinsen einstreichen. Die Zinsen hängen von Höhe und Art der Einlage ab – bis zu 18 Prozent Jahreszins seien drin, wirbt Celsius. Die Coin-Einlage wird dann fürs Staking verwendet oder an institutionelle Anleger verliehen, die damit Geschäfte machen.

Der Stopp überrascht umso mehr, da Celsius noch vor einer Woche in einem Blogbeitrag betont hatte, dass man bestens gerüstet für die schwierige Marktsituation sei. Gerüchte, der Terra-Kollaps Celsius habe herbe Verluste gebracht, seien nicht zutreffend. Celsius habe die Instabilität dieses Stablecoins frühzeitig bemerkt und sofort reagiert. Außerdem stehe mehr als genug Liquidität bereit, um alle Verpflichtungen zu bedienen.

Nach dem Auszahlungsstopp am Montag rauschte der Kurs des nativen Celsius-Tokens um rund 70 Prozent auf bis zu 0,15 US-Dollar ab. Zum Dienstag schlug das Pendel in die andere Richtung – Celsius legt rasant zu und stieg auf derzeit 0,33 US-Dollar an. Von seinem Höchstwert von rund 6 US-Dollar hat sich der Celsius-Coin aber schon seit Längerem entfernt. Eigenen Angaben nach verwaltete Celsius zuletzt Guthaben im Umfang von rund 12 Milliarden US-Dollar für über 1,5 Millionen Kunden.

Der Auszahlungsstopp bringt nun auch das Berliner Start-up Nuri (ehemals Bitwala) in die Bredouille: Bei den "Bitcoin-Ertragskonten" von Nuri herrscht jetzt auch Auszahlungsstopp. Für diese Konten versprach Nuri seiner Kundschaft bis zu 3 Prozent Rendite auf Bitcoin-Einlagen. Dafür wurden eingezahlte Coins, vermittelt über den Bankpartner Solaris, an Celsius weitergereicht. Und die hängen nun eben auch fest.

Nuri betonte in einer Mitteilung, dass Erträge auch weiterhin angerechnet würden. Neue Einzahlungen in die Ertragskonten habe man bis auf Weiteres erst einmal gestoppt und stehe in enger Abstimmung mit Celsius. Wie viele Kunden und welche Summen vom Stopp betroffen sind, teilte Nuri nicht mit. Eine Antwort auf eine Anfrage von heise online steht noch aus. Dem Handelsblatt sagte Nuri-Chefin Kristina Walcker-Mayer, dass nur "ein Bruchteil" der knapp 500.000 Kunden ein Bitcoin-Ertragskonto habe.

Wie groß auch immer der Bruchteil der Kundschaft sein mag – sollte Celsius tatsächlich in die Zahlungsunfähigkeit geraten, dann wird der Verlust an diesen Kunden hängenbleiben. In den Risikohinweisen zu dem Bitcoin-Ertragskonto macht Nuri deutlich, dass es keine Einlagensicherung gibt und dass der Dienst auch nicht für Verluste einstehe. "Die Anleger tragen vollständig das Risiko der Insolvenz von Celsius Network", heißt es dort.

In den USA hat Celsius die Bedingungen für seine verzinsten Krypto-Accounts seit dem 15. April auch umgestellt. Neue Gelder von Privatanlegern werden seitdem nicht mehr dafür angenommen, nur noch professionelle Anleger kommen zum Zuge. Das sei das Ergebnis der Diskussion mit den US-Finanzaufsichtsbehörden gewesen, hatte Celsius mitgeteilt. Anleger außerhalb der USA betraf das aber nicht. Und Nuri hat dessen unbenommen auch weiterhin sein Bitcoin-Ertragskonto in Kooperation mit Celsius für Privatanleger angeboten.

Die Talfahrt von Bitcoin und vielen anderen Kryptowerten ist indessen wieder ein wenig gebremst. Am Morgen des heutigen Dienstags fiel der Kurs der nach Marktwert größten Digitalwährung noch in Richtung der Marke von 20.000 Dollar. Im Tief wurden auf der Handelsplattform Bitfinex rund 20.860 Dollar markiert. Das ist der tiefste Stand seit eineinhalb Jahren. Zur Stunde erholte sich der Kurs wieder etwas auf rund 22.000 US-Dollar. Das Rekordhoch wurde mit etwa 69.000 Dollar im November erreicht.

Die Nummer zwei auf dem Markt, Ether, fiel bis auf 1078 Dollar und damit auf den tiefsten Stand seit Anfang 2021. Aktuell liegt der Kurs bei rund 1200 US-Dollar. Der Wert aller rund 19.800 Digitalwährungen beläuft sich dem Portal Coinmarketcap zufolge zurzeit auf etwa 940 Milliarden US-Dollar. Vor einem halben Jahr lag die Marktkapitalisierung rund dreimal so hoch. Das zeigt, wie stark der Markt unter Druck steht. Ausschlaggebend für den Kurssturz sind Inflations- und Zinssorgen. Wegen der Geldentwertung straffen viele Zentralbanken ihre Geldpolitik.

(axk)