Nicht nur Wasser: "Außerirdisches Leben könnte auf anderen Molekülen beruhen"

Bisher suchten Astrobiologen nach außerirdischem Leben, indem sie sich auf Wasser fokussierten. Doch auch andere Biologie-Formen sollten berücksichtigt werden.

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Die Dragonfly-Mission soll auf der Oberfläche des Saturn-Mondes Titan nach Leben suchen.

(Bild: NASA / JHU-APL)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler
Inhaltsverzeichnis

(This article is also available in English)

Die Biochemikerin und Astrobiologin Natalie Grefenstette vom Santa Fe Institute ist schon lange davon fasziniert, wie Leben unter verschiedenen Umweltbedingungen entstehen kann. Die Postdoc-Forscherin will im Rahmen des NASA-Projekts "Agnostische Biosignaturen" herausfinden, welche organisierenden Prinzipien und andersartigen chemischen Prozesse, die nicht auf Wasser basieren, Leben entstehen lassen können.

Die Suche nach außerirdischem Leben hat sich bisher auf die Suche nach Wasser konzentriert. Warum ist das so?

Unser Verständnis von lebenden Systemen basiert auf dem Leben auf der Erde. Es ist also naheliegend, nach Leben zu suchen, wie wir es kennen. Wasser ist für das Leben auf der Erde sehr wichtig. Chemische Reaktionen laufen in einer Flüssigkeit, also einem Lösungsmittel, besser ab. Wasser ist eine interessante Flüssigkeit, denn es ist ein Dipol mit einem Ladungsunterschied. Dadurch kann es viele andere Moleküle lösen, die für das uns bekannte Leben wichtig sind und darin in Wechselwirkung treten, etwa RNA und DNA.

Natalie Grefenstette

(Bild: Doug Merriam)

Sie plädieren dafür, die Suche nach Leben zu erweitern. Warum und wonach sollten wir neben Wasser suchen?

Wir wollen über den Tellerrand hinausschauen, weil wir im Grunde nicht wissen, was Leben ist. Wir wissen nicht, ob es auf die Moleküle auf der Erde beschränkt sein muss. Es deutet einiges darauf hin, dass auch das Leben auf der Erde anders aussehen könnte. Wir haben in der synthetischen Biologie der DNA neue Basen hinzugefügt und Aminosäuren verändert. Auch die Entdeckungen von extremophilen Mikroorganismen hat gezeigt, dass Leben in sehr verschiedenen Umweltbedingungen existieren kann.

All dies zeigt, dass lebende Systeme auch auf völlig anderen Molekülen beruhen könnten. Es wird viel daran geforscht, ob es grundlegende Regeln für lebende Systeme gibt, die uns mehr verraten, welche Räume sie einnehmen können. Es wird auch erforscht, ob lebende Systeme grundlegende Muster haben, die nicht-lebende Systeme nicht besitzen. Da sucht man nicht unbedingt nach bestimmten Molekülen, sondern etwa nach Mustern in diesen Molekülen oder in ihrer Verteilung, oder nach Mustern in der Verteilung der Atome.

Wie können solche Muster aussehen?

Die meisten Lebewesen auf der Erde verwenden dieselben 20 Aminosäuren. Aber wir haben auch Aminosäuren mit einer anderen Verteilung auf Meteoriten entdeckt. Manche Aminosäuren kommen nur in Lebewesen vor, andere nur auf Meteoriten. Es könnte sein, dass diese Aminosäuren irgendwie besser geeignet sind, oder es kann Zufall sein, oder es könnte sein, dass das Leben auf diese Weise quasi eingefroren ist. Denn wenn wir jetzt etwas drastisch verändern, weiß der Rest des Systems nicht, wie es zu verwenden ist. Wir kennen noch nicht alle Möglichkeiten, was Leben ausmachen kann und was es braucht.

Wie können wir das herausfinden?

Ich interessiere mich für Forschung, die die Regeln lebender Systeme und ihre Bedürfnisse zu verstehen versucht. Wir haben diesen Witz, dass man bei einem Meeting mit 50 Forschern 60 Definitionen von Leben erhält. Die NASA-Definition "ein sich selbst erhaltendes chemisches System, das zur darwinistischen Evolution fähig ist" ist als Arbeitsdefinition ganz nützlich. Aber die aktuelle Diskussion dreht sich viel um die Frage, ob wir überhaupt eine Definition von Leben brauchen, um danach zu suchen. Wir neigen eher dazu, Eigenschaften zu finden, die wir mit Leben verbinden, etwa Evolution, Fortpflanzung, Bewegung oder geringe Entropie.

Andererseits überlegen Forscher durchaus, welche Moleküle andere Systeme verwenden könnten. In der Wissenschaftsgemeinde werden zum Beispiel Formamid und Ammoniak [als alternative Lösungsmittel zu Wasser] diskutiert, weil sie Wasser recht ähnlich sind. Beide sind interessant, weil sie polare Moleküle sind, die insbesondere Moleküle von lebenden Systemen der Erde lösen können. Zudem ist Formamid in einem viel größeren Temperaturbereich flüssig als Wasser, nämlich bis 210 Grad statt 100 Grad. Und vielleicht haben Sie schon von der Überlegung gehört, dass Leben auch auf Silizium statt auf Kohlenstoff basieren sein könnte.