EU-Staaten für automatisierten EU-weiten Abgleich von DNA- und Gesichtsdaten

Der EU-Rat hat seine Position für die Prüm-II-Verordnung zur polizeilichen Kooperation abgesteckt. Auch Führerscheindaten und Kriminalakten werden ausgetauscht.

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(Bild: Neosiam32896395/Shutterstock.com)

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Der Prümer Vertrag, der bislang den Austausch etwa von Gen-, Fingerabdruck- und Fahrzeugregisterdaten in der EU in vergleichsweise engen Grenzen regelt, soll deutlich ausgedehnt werden. Geht es nach den EU-Staaten, wird die Zahl der Datenkategorien, die automatisiert ausgetauscht werden können, um drei neue erweitert: Gesichtsbilder, Führerscheindaten und Akten von Verdächtigen und überführten Straftätern.

Dies geht aus der Ende vergangener Woche beschlossenen "allgemeinen Ausrichtung" des Ministerrats zum Vorschlag der EU-Kommission zur sogenannten Prüm-II-Verordnung hervor. Die Mitgliedsländer haben damit ihre Linie zu dem Entwurf festgezurrt. Sie folgten dabei Änderungsanträgen der französischen Ratspräsidentschaft, die auf einen automatisierten EU-weiten Abgleich aller DNA-Profile der Polizeibehörden der EU-Staaten untereinander sowie mit Europol abzielen.

Bislang war ein manueller Abruf personenbezogener Informationen durch Sicherheitsbehörden im Prüm-Netzwerk erst nach einem Treffer bei einer maschinellen Suche möglich. Vor allem Deutschland hatte einst auf dieses sogenannte "Hit/No Hit"-Verfahren gedrängt, um den Datenschutz nicht allzu sehr einzuschränken.

Schon die Kommission brachte mit ihrem Entwurf für eine Verordnung "über den automatisierten Datenaustausch für die polizeiliche Zusammenarbeit" einen zentralen Router ins Spiel, an den die nationalen Polizei-Datenbanken angeschlossen werden können. Damit sollen sich die bisher benötigten "zahlreichen Verbindungen zwischen den einzelnen nationalen" IT-Systemen im Strafverfolgungsbereich erübrigen.

Der Rat will die vorgesehene Datendrehscheibe nun für einen Massenabgleich von Geninformationen öffnen: "Für den automatisierten Abruf von DNA-Profilen sollten die Mitgliedstaaten bei der Erstverbindung mit dem Router alle ihre DNA-Profile zum Abgleich an alle anderen Mitgliedstaaten und Europol übermitteln", heißt es in dem Beschluss. Bei diesem Erstkontakt gehe es darum, "Lücken bei Übereinstimmungen zwischen den in der Datenbank eines Mitgliedstaats gespeicherten DNA-Profilen und den in den Datenbanken aller anderen" EU-Länder und bei Europol zu vermeiden.

Die genauen Modalitäten einschließlich des Zeitplans und der abrufbaren Datenmenge "pro Bündel", sollen "bilateral vereinbart werden". Im Anschluss haben die Mitgliedsländer dem Plan nach die Möglichkeit, "automatisierte Abrufe mittels eines Abgleichs aller DNA-Profile zu einem späteren Zeitpunkt zu wiederholen, um sich zu vergewissern, dass seit dem ersten automatisierten Abruf tatsächlich alle Übereinstimmungen gefunden wurden". Neue Geninformationen sollen regelmäßig hinzugefügt werden.

Den Grundrechtsschutz will der Rat zudem einschränken. So soll gleichzeitige Durchführung von Abfragen nur noch "im Einklang mit dem nationalen Recht des ersuchenden Mitgliedstaats" durchgeführt werden. Bisher lautete die Formulierung, dass hier "dieselben Garantien und Sicherheiten" gelten müssten, "die für ähnliche Abfragen auf nationaler Ebene erforderlich" sind.

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Dies bezieht sich auf einen Abgleich biometrischer Merkmale in den nationalen Datenbanken, die von anderen EU-Ländern und Europol bereitgestellt werden, über den vorgesehenen Router mit dem gemeinsamen Speicher für Identitätsdaten, der sich im Rahmen der umstrittenen "Interoperabilität" der EU-Informationssysteme im Sicherheitsbereich im Aufbau befindet. Kritiker monieren hier den Aufbau einer Biometrie-Superdatenbank durch die Hintertür.

Europol wird laut der Ratsposition generell in das Prüm-System integriert. Der Behörde soll es dabei ermöglicht werden, Datenbanken abzufragen und Zugang zu Informationssystemen zu gewähren, die biometrische Merkmale aus Drittländern enthalten.

Die EU-Staaten fügten ferner eine Option für Fahnder hinzu, bei Abfragen in Bezug auf Fahrzeuge "zusätzliche Suchkriterien" zu verwenden. Dies soll den "operativen Mehrwert" solcher Aktivitäten gewährleisten.

Mit Systemen zur Gesichtserkennung soll etwa ein Foto einer unbekannten Person, das etwa eine Überwachungskamera an einem Tatort aufgenommen hat, mit einer Datenbank abgeglichen werden können, die Bilder bekannter Personen enthält. Die mithilfe biometrischer Gesichtserkennung ausgegebene Trefferliste werde dann von einer menschlichen Fachkraft im anfragenden Mitgliedstaat überprüft, versicherte die Kommission zunächst. Der Rat hat die Pflicht einer menschlichen Kontrolle vor einem Austausch persönlicher Daten aber gestrichen und die manuelle Bestätigung fakultativ gemacht.

Sollte das EU-Parlament, das seinen Kurs noch abstecken muss, die Ratslinie mittragen, ließe die EU die Verarbeitung von Millionen sensibler personenbezogener Daten zu. Die Mitgliedsstaaten verfügten Ende 2021 allein über insgesamt fast 17 Millionen DNA-Proben. Die Bürgerrechtsorganisation Statewatch rügt, dass die neue Prüm-Übereinkunft so "das technische Rückgrat eines europaweiten biometrischen Massenüberwachungssystems bilden würde. Der EU-Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiórowski hatte jüngst beklagt, dass schon der Kommissionsentwurf weit übers Ziel hinausschieße.

Mit einer vom Rat ebenfalls gutgeheißenen Richtlinie soll zudem gewährleistet werden, dass Polizeibeamten in einem Mitgliedstaat unter denselben Bedingungen der gleiche Zugang zu Informationen gewährt wird wie ihren Kollegen vor Ort. Es sollen rund um die Uhr besetzte zentrale Kontaktstellen eingerichtet werden, um den Austausch über die Secure Information Exchange Network Application (SIENA) von Europol zu beschleunigen.

(fds)