Wie Fjorde zur unerwünschten Methanquelle werden

Fjorde emittieren genauso viel des Klimagases Methan, wie alle Tiefseegebiete der Ozeane zusammen. Mit fortschreitender Klimaerwärmung könnte sich das ändern.

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Starke Sturme an den Fjorden können dort sauerstoffärmeres, methanhaltiges Wasser an die Oberfläche befördern.

(Bild: R. Lindblom)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert
Inhaltsverzeichnis

Tief ins Land schneidende Fjorde sind selten. In Europa erstrecken sie sich nur von der nördlichen Westküste Schwedens entlang den norwegischen und sibirischen Küsten und bis über den Murmansk-Fjord hinaus noch ein wenig nach Osten.

Sie sind Relikte der Eiszeiten, die man deshalb auch nur im hohen Norden und Süden der großen Kontinente findet, die einst unter Eis lagen. Sie ziehen sich bis zu 200 Kilometer ins Land und können mehr als tausend Meter tief sein.

Ihre Entstehung verdanken sie eiszeitlichen Gletschern, die langsam entlang von Flusstälern Richtung Meer rutschten. Dabei schliffen sie das Gestein an den Talrändern ab, wodurch ihre typische U-Form mit steilen Felswänden entstanden. An der Mündung zum Meer türmte sich das mitgeführte Geröll als Barriere auf, oft nur wenige zehn Meter tief unter der Wasseroberfläche.

Diese Untiefe verhindert, dass die Fjorde ihr Tiefenwasser direkt mit dem offenen Meer austauschen können. Leichteres Süßwasser aus Flüssen und Bächen verdünnt das Salzwasser in der oberen Schicht, die wie eine Decke über dem schwereren und salzhaltigeren Wasser liegt. Dazwischen liegt eine Trennschicht, die Pyknokline. Sie lässt weder Sauerstoff nach unten diffundieren, noch können Gase wie Schwefelwasserstoff oder Methan nach oben entweichen. Letztere entstehen durch Fäulnisprozesse von toten Organismen, die viel Sauerstoff brauchen. Wenig Chancen also, dass in den Tiefen der Fjorde höheres Leben existieren kann.

Schiebt allerdings ein schwerer Sturm viel schweres, sauerstoffreiches und salzhaltiges Wasser aus dem offenen Meer über die Schwelle am Fjordeingang, wird die sauerstofflose Tiefe quasi durchlüftet. Es fließt direkt nach unten und drückt das alte Wasser nach oben, so dass das Methan in die Atmosphäre entweicht.

So geschieht es auch beim By-Fjord, der 80 Kilometer nördlich von Göteborg etwa sieben Kilometer tief ins Land reicht. Durchschnittlich alle drei bis fünf Jahre drücken dort starke nordöstliche Winde salzhaltiges Oberflächenwasser aus dem Skagerrak in den Havsten-Fjord und weiter über die Schwelle in den By-Fjord, wo das alte Tiefenwasser mitsamt dem Methan an die Oberfläche kommt.

Immerhin trägt Methan zu 30 Prozent zum Treibhauseffekt der Erde bei. Wieviel Fjorde dazu beitragen, untersuchte eine Forschergruppe der Universität Göteborg seit 2009 an dem kleinen Meeresarm By-Fjord. Ihre bisherigen Ergebnisse veröffentlichen sie kürzlich in der Fachzeitschrift "Limnology and Oceanography".

Mit 48 Meter ist der Fjord zwar nicht sehr tief, eignet sich aber genau deswegen gut als Modell für tiefere Fjorde. Denn dadurch war es für die Forscher einfacher, mit ihren Lander genannten, autonomen Messsonden die Vorgänge am Boden über längere Zeiträume zu erfassen. Am Eingang ist der Fjord durch eine schmale Meerenge mit einer Schwellentiefe von 13 Metern mit dem größeren Havsten-Fjord verbunden, der seinerseits mit dem Skagerrak in Verbindung steht.

Am Ende des By-Fjords liegt die kleine, Hafenstadt Uddevalla mit 57.000 Einwohnern. In ihrem Hafengebiet mündet der kleine Fluss Bäve. Aus Fluss und städtischer Kläranlage ergießen sich neben Süßwasser auch reichlich organischer Kohlenstoff und Nährstoffe in den Fjord. Die Pyknokline, die das salzärmere vom salzreichen Tiefenwasser trennt, liegt in 12 bis 15 Metern Tiefe. Unterhalb davon breitet sich die anoxische, also sauerstofffreie Zone ab etwa 15 bis 20 Meter aus.

"Es ist seit einiger Zeit bekannt, dass viele Fjorde eine anoxische Umgebung in Bodennähe aufweisen und dass sich Methan im Bodensediment bildet. Normalerweise gelangt nur ein kleiner Teil dieses Gases in die Atmosphäre, da es beim Aufsteigen durch das sauerstoffreichere Wasser nahe der Oberfläche abgebaut wird", sagt Stefano Bonaglia, Forscher für Meeresgeochemie am Fachbereich Meereswissenschaften der Universität Göteborg und Erstautor. Doch immer wenn ein Sturm das Wasser durchmischte, entließ der Fjord große Mengen an Methan in die Atmosphäre, stellten die Forscher fest.

Anhand vergleichbarer Messungen aus zehn Fjorden in Europa, Nord- und Südamerika errechneten die Forscher, dass diese engen und tiefen Meeresbuchten weltweit genauso viel Methan emittieren, wie alle Tiefseegebiete der Ozeane zusammen, die 84 Prozent der Meeresfläche ausmachen. Das sind rund eine Million Tonnen Methan pro Jahr. Dabei machen die Fjorde mit 500.000 Quadratkilometern gerade einmal 0,13 Prozent der globalen Meeresfläche aus.

Nur aus den flacheren Meeresbuchten und Flussmündungen gast mit bis zu drei Millionen Tonnen pro Jahr mehr Methan aus. Das liegt an der starken Überdüngung der Küstengebiete durch den Menschen, die zu immer mehr anoxischen Bereichen am küstennahen Meeresboden führt.

Die offenen Ozeane geben nur wenig Methan an die Luft ab, weil sich am Boden kaum organisches Material ansammelt. Denn die Organismen, die in den oberen Schichten der Meere absterben, werden auf ihrem kilometerlangen Weg in die Tiefe weitgehend von Bakterien abgebaut. Das bisschen Methan, das am Boden entsteht, wird auf seinem ebenso langen Weg nach oben chemisch weitgehend umgesetzt.

In den Fjorden dagegen erfolgt der Austausch nach Stürmen so schnell, dass Methan nicht umgewandelt werden kann.

Bei weiter voranschreitendem Klimawandel dürften sich die Methanemissionen aus Fjorden aber eher verringern. "Wenn die Zahl der schweren Stürme stark zunehmen würde, würden die Methanemissionen zurückgehen, weil die anoxischen Umgebungen am Grund der Fjorde verschwinden würden, wenn das Wasser häufig durchmischt wird", so Bonaglia.

Die weitere Klimaerwärmung dürfte sich damit aber kaum anhalten lassen, denn andere Methanquellen, wie die auftauenden Tundren, sind weit größer. Dennoch sind Erkenntnisse wie die der schwedischen Forscher für die Verbesserung von Klimamodellen nötig.

(jle)