Steuerzahler geschröpft: Ex-Vize übt heftige Kritik an NASA und US-Politik

Die ehemalige Vizedirektorin der NASA hat nach eigenen Angaben gegen heftige Kritik den Erfolg von SpaceX ermöglicht. Ihr Widersacher ist jetzt NASA-Chef.

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Die Riesenrakete SLS – das damit jemals Menschen zum Mond starten, bezweifelt Lori Garver

(Bild: NASA/Ben Smegelsky)

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Die Ex-Vizechefin der NASA übt massive Kritik an der US-Weltraumagentur, der Industrie und der Politik für den Umgang mit Steuergeldern und den Widerstand gegen die private Raumfahrtbranche. In einem Buch wirft Lori Garver etwa Boeing und Lockheed Martin vor, NASA und US-Kongress "gierig" zu dem Dutzende Milliarden teuren Raketenprogramm SLS gedrängt zu haben, zitiert Politico. Das könnte die NASA in den Ruin treiben, bevor jemals wieder Menschen zum Mond geflogen sind, fürchtet sie. Ihrem ehemaligen Chef Charles Bolden werfe sie Führungsversagen vor. Aber die härteste Kritik reserviert sie demnach für den ehemaligen US-Senator Bill Nelson. Wenn der und Bolden sich durchgesetzt hätten, wäre man noch immer von Russland abhängig, um Menschen zur ISS zu bringen, meint sie. Als sie mit dem Buch fast fertig war, wurde Nelson neuer NASA-Chef.

Garver war 2009 stellvertretende Chefin der NASA geworden, die Stellung hatte sie bis 2013 inne. In ihrer Amtszeit beendete die NASA das Milliardengrab des Constellation-Programms, das dem Space-Shuttle-Programm folgen sollte. Damals setzten die USA auf das Space Launch System, die Rakete hat auch mehr als zehn Jahre später immer noch nicht abgehoben. Parallel dazu wurde das Commercial Crew Program aufgelegt, aus dem die Raumkapsel Crew Dragon von SpaceX hervorgegangen ist. Mit der können inzwischen wieder Menschen von den USA aus ins All fliegen. In ihrem Buch behauptet Garver, dass es gegen das Programm immense Widerstände gegeben habe. Angeführt habe die eben jener Bill Nelson, der sich jetzt mit den Erfolgen schmücke.

In ihrem Buch wirft Garver demnach Abgeordneten aus beiden großen US-Parteien vor, ihre eigenen Interessen über die der NASA gestellt zu haben. Die Kritik ist nicht neu, schon länger ist offensichtlich, dass etwa der Senat zufrieden ist, wenn die NASA arbeitet und Geld ausgibt. Ob sie damit auch irgendwann irgendwo ankommt, ist verhältnismäßig belanglos. Garver bestätigt das nun aus der Innensicht. Nelson aus dem US-Bundesstaat Florida – wo das Kennedy Space Center liegt – und seine Kollegin Kay Bailey Hutchison aus Texas – Heimat des Johnson Space Centers in Houston – hätten die NASA dazu "gezwungen", das SLS-Programm aufzulegen, so Garver. Das ist aktuell Jahre hinter dem Zeitplan und hat die US-Steuerzahler und -zahlerinnen schon Milliarden gekostet.

Laut Politico kritisiert Garver die Riesenrakete SLS seit Jahren, sie nennt sie "Senate Launch System". Die Rakete hat vor wenigen Tagen einen wichtigen Test absolviert, noch ist unklar, wann sie zum ersten Mal starten kann. Ein Start kostet mehr als vier Milliarden US-Dollar. Anders als das Programm zur Entwicklung privater Raumkapseln sei das Programm "absurd" und mit der Biden-Regierung ignoriere bereits die dritte Regierung solche Realitäten und halte daran fest. Wäre es nach Nelson gegangen, würde die NASA jetzt alleine mit der unfertigen Rakete dastehen und könnte ohne Russland noch immer keine Menschen zur ISS schicken, behauptet Garver, die sich ausgiebig an ihm abarbeitet. Der sei ein Politiker auf Lebenszeit und vor allem für seinen steuerfinanzierten Flug mit dem Space Shuttle 1986 bekannt. Sein Pilot war damals Charles Bolden.

"Feuchte Generalprobe" der SLS (27 Bilder)

Die Riesenrakete im Montagegebäude
(Bild: NASA)

Viel positivere Worte findet Garver in ihrem Buch demnach für die Milliardäre, die versuchen, die Raumfahrt zu revolutionieren. Ohne Elon Musk hätte sie die von ihr angestoßenen Änderungen bei der NASA niemals realisieren können, lobt sie den SpaceX-Chef. Ein Gespräch mit Amazon-Gründer Jeff Bezos sei wie eine Unterhaltung mit einem alten Freund, der Chef von Blue Origin sei "entspannt, wissbegierig und witzig". Richard Branson von Virgin Galactic wiederum sei der "unverstellt charismatischste der milliardenschweren Weltraumbarone". Ob wir sie als Individuen mögen, sei aber egal. Sie hielten sich an die Gesetze und investierten ihr Geld in die Raumfahrt, dabei könnten sie auch ganz andere Sachen damit machen. Bei der NASA selbst ging es dagegen wohl nicht so nett zu, sie habe alle frauenfeindlichen Beleidigungen abbekommen, die man sich vorstellen kann.

(mho)