US-Bürgerrechtler sorgen sich nach Urteil zur Abtreibung um den Datenschutz

Da in den USA das liberale Abtreibungsrecht aufgehoben wurde, könnten Frauen, die abgetrieben haben, Datenspuren zum Verhängnis werden, sagen Bürgerrechtler.

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(Bild: eff.org)

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US-amerikanische Bürgerrechtler sorgen sich nach der Entscheidung des obersten US-Gerichts, des Supreme Court, seine bisherige Rechtsprechung zur Abtreibung aufzuheben, um den Datenschutz von Frauen. Beispielsweise könnten ihnen Apps, mit denen sie ihren Zyklus verfolgen, zum Verhängnis werden, wenn damit erfasste Daten künftig in Strafverfahren womöglich als Beweismittel dienen könnten.

"Im digitalen Zeitalter öffnet diese Entscheidung die Tür für Strafverfolgungsbehörden und private Kopfgeldjäger, die riesige Mengen an privaten Daten von gewöhnlichen Amerikanern suchen", kritisiert die NGO Center for Democracy and Technology (CDT). Daten, die sensible Informationen zum Menstruationszyklus aufzeigen, könnten von Datenbrokern ohne Wissen der Benutzer gesammelt und verkauft werden, befürchten die Bürgerrechtler. Datenquellen könnten auch Webbrowser- und Sucherverläufe sein, E-Mails oder SMS.

"Alle Menschen, die eine Möglichkeit für eine Abtreibung suchen, anbieten oder erleichtern, müssen jetzt davon ausgehen, dass alle Daten, die sie online oder offline zur Verfügung stellen, von den Strafverfolgungsbehörden gesucht werden könnten", warnte die Electronic Frontier Foundation. Nutzer sollten die Datenschutzeinstellungen für die von ihnen verwendeten Dienste sorgfältig überprüfen, Ortungsdienste in Apps deaktivieren, die sie nicht benötigen, und verschlüsselte Messaging-Dienste verwenden.

Die Bürgerrechtler von Fight for the Future fordern die US-Regierung und das Parlament auf, die Überwachung durch Unternehmen, deren Datensammelei und Vorratsdatenspeicherung zu beenden. Nach der Entscheidung des Supreme Court zeige sich umso mehr, dass der Überwachungskapitalismus als Geschäftsmodell mit grundlegenden Menschenrechten unvereinbar sei. Dessen Techniken eigneten sich perfekt, um Frauen zu verfolgen, die abtreiben wollen oder abgetrieben haben.

Der Supreme Court hatte am Freitag das bisher liberale Abtreibungsrecht des Landes gekippt. Der mehrheitlich konservativ besetzte Gerichtshof machte damit den Weg für strengere Abtreibungsgesetze in den Bundesstaaten frei, bis hin zu kompletten Verboten. Einige US-Bundesstaaten hatten sich durch "trigger laws" schon auf die Entscheidung vorbereitet, in Staaten wie Arkansas, Kentucky oder Louisiana sind Abtreibungen nun nicht mehr erlaubt. Ausnahmen gibt es in der Regel nur für medizinische Notfälle. Es wird erwartet, dass die Hälfte der Bundesstaaten Abtreibungen verbietet.

Nach dieser "Roe vs. Wade" genannten Entscheidung müssten Technologieunternehmen verstärkt die digitale Privatsphäre der Frauen schützen, meint das CDT. Sie könnten die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ausweiten und weniger Daten sammeln und weiterverkaufen, die zeigen können, ob eine Frau schwanger ist. Ebenso bedenklich schätzen die Bürgerrechtler Techniken mit "künstlicher Intelligenz" ein, die solche Datei preisgeben könnten.

Vor allem müssten diese Unternehmen Anträge von Strafverfolgern genau prüfen, die dem Verdacht einer verbotenen Abtreibung nachgehen und Daten herausgegeben haben wollen, fordert das CDT weiter. Die Nutzerinnen sollten rechtzeitig über solche Anfragen informiert werden und die Öffentlichkeit über die gesamte Anzahl von Anforderungen von Strafverfolgungsbehörden.

Fight for the Future weist darauf hin, dass nicht nur Gesundheitsdaten für Frauen heikel sein können. Zusammen mit Amnesty International und anderen Organisationen hatten die Bürgerrechtler bereits früher von Google gefordert, unnötige Handy-Standortdaten nicht mehr zu erfassen. Durch Standortdaten könnten Frauen beispielsweise nachgewiesen werden, dass sie eine Abtreibungsklinik aufgesucht haben.

Die Befürchtung, dass Daten aus Zyklus-Apps nicht sicher gespeichert sind, wurde beispielsweise im September 2021 genährt. Frauen, die die beliebte App Flo nutzen, haben den Anbieter verklagt, weil er Daten an Google, Facebook, AppsFlyer und Flurry weitergegeben haben soll.

Einige Unternehmen in den USA hatten bereits vor der Entscheidung des Supreme Court angekündigt, ihren Mitarbeiterinnen Schwangerschaftsabbrüche zu erleichtern, darunter auch Amazon. Meta hatte es seinen Mitarbeitern kurz nach dem Urteil untersagt, im internen Netz darüber zu diskutieren. Die American Civil Liberties Union (ACLU) befürchtet, dass die Entscheidung und damit verbundene Haltung des Supreme Court sich auch auf andere Bereiche auswirken könne wie zum Beispiel die gleichgeschlechtliche Ehe und die Empfängnisverhütung.

(anw)