Jobs in Deutschland: Wenig Anzeichen für technologische Arbeitslosigkeit

Zumindest in Deutschland haben Digitalisierung und Robotisierung laut Forschern bislang insgesamt fast keine Jobs vernichtet. Die Rolle von KI ist noch unklar.

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Automatisierung, Roboter

(Bild: 
Jenson / Shutterstock.com)

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Welchen Einfluss hat Robotisierung auf Jobs in Deutschland? Der vielfach befürchtete "Roboterschock" sei hierzulande bislang ausgeblieben, erklärte Ökonom Jens Südekum auf einer Konferenz des Münchner Kreises. Der Grad dieser Form der Automatisierung durch Maschinen sei zwar deutlich höher als in den USA und fast vergleichbar mit dem in Japan und Südkorea. Trotzdem habe jenseits des Atlantiks in der Automobilindustrie jeder Roboter durchschnittlich sechs Arbeiter ersetzt, während es hierzulande Null seien.

Zwischen 1994 und 2014 seien hierzulande zwar 280.000 Fabrikjobs verschwunden, erläuterte Südekum. Den Beschäftigten seien aber andere Aufgaben zugewiesen worden. Man habe sie bis zum Rentenalter gehalten. Es habe sogar eine leichte Zunahme in der Arbeitsplatzsicherheit gegeben. Die mittleren Löhne seien aber – im Gegensatz zur Produktivität – nicht gestiegen. Zudem habe sich die Schere bei der Bezahlung zwischen Hochschulabsolventen und weniger gut Ausgebildeten vergrößert.

In traditionellen Industrien zählten viele deutsche Firmen zu den Marktführern, begründete der Wirtschaftswissenschaftler diese Entwicklung. Der Einsatz von Robotern habe dieses "Superstar-Muster" noch angetrieben. Probleme habe es eher für Firmen gegeben, die diese Technologie nicht verwendeten und Marktanteile verloren hätten. Auch Gewerkschaften und der demografische Faktor einer alternden Bevölkerung hätten eine wichtige Rolle gespielt, um das menschliche Kapital zu halten und fortzubilden.

Mit Künstlicher Intelligenz (KI) und Big Data könnte sich das aber ändern, auch wenn die Anzeichen für eine "technologische Arbeitslosigkeit" hier ebenfalls noch nicht ausgeprägt seien, berichtete Südekum. Empirische Daten zu den Auswirkungen dieser Digitalisierungstechniken gebe es noch nicht. Laut Umfragen wolle diese die große Mehrheit der Firmen hierzulande früher oder später zwar einsetzen. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung liegt das Substitutionspotenzial durch Computer und Roboter hierzulande – regional unterschiedlich – zwischen 15 und 30 Prozent.

Die Folgen für Deutschland könnten Südekum zufolge bei KI aber deutlich größer sein als bei Robotern. So sei die hiesige Wirtschaft hier kein globaler Technologieführer mehr. Zudem seien neben Fließbandarbeitern auch mehr Jobs im Dienstleistungssektor betroffen, in dem die Gewerkschaften weniger mächtig seien. Fest stehe, dass Datenanalysten, IT-Experten sowie Spezialisten im Kundendienst weiter gefragt seien. Die Baby-Boomer gingen zudem in Rente, weniger "Post-Millenials" kämen nach.

Die Rufe etwa eines Elon Musks nach einem bedingungslosen Grundeinkommen oder eines Bill Gates nach einer Robotersteuer sowie Warnungen vor einer unregulierten KI vernehme die deutsche Forschungsgemeinschaft wohl, betonte der Berater des Bundeswirtschaftsministeriums. Noch seien aber auch die Auswirkungen solcher Instrumente noch unklar. Die Politik sollte ihm zufolge eher über Modelle der Mitarbeiterbeteiligung nachdenken.

"Es bräuchte strukturelle Änderungen", ergänzte Südekums Kollege Daron Acemoglu, der seit 1993 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) lehrt. Dann könnte etwa das vielfach brach liegende Potenzial von KI für den Arbeitsmarkt gehoben werden, da die Steuerung dieser Technik mit vielen neuen Aufgaben verbunden sei und etwa transparenter und überprüfbar gemacht werden müsse. In den USA sei ferner neben einem Ausbau von lebenslangem Lernen eine Steuerreform wichtig, da das dortige System Kapital gegenüber Arbeitskraft bevorzuge.

Die Berliner Soziologin Anke Hassel trieb vor allem die Sorge der großen Macht von Big Tech um. Ohne Internet sowie Produkte von Microsoft und Google könne kaum einer mehr eine Firma betreiben, gab sie zu bedenken. Bei KI hätten solche Plattformen die meisten Patente und nutzten diese auch für den Produktionsprozess. Es gelte daher zunächst zu klären, "über welchen technologischen Wandel wir überhaupt sprechen". Bei der Fortbildung gelte es, Formen des informellen Trainings wie YouTube- oder TikTok-Videos stärker einzubeziehen. Dazu ließen sich Mitarbeiter einfacher motivieren als zu einem dreimonatigen Kurs.

(tkn)