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IFA 2022: Nachhaltig kaufen, wenns dem Geldbeutel nicht schadet

Was versprechen sich Käufer von nachhaltigen Elektronikprodukten und wie verändert der Krieg das Konsumverhalten? Alle wollen sparen - und kaufen fleißig ein.

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(Bild: c't/uk)

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Inhaltsverzeichnis

Anfang September will die IFA in Berlin wieder durchstarten. Einen ersten Ausblick gab die Messe mit einer Veranstaltung in dieser Woche, bei der sich ein Themenschwerpunkt für die diesjährige IFA herauskristallisierte: Die Nachhaltigkeit von Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräten.

Nachhaltigkeit sollte außer der ökologischen Herstellung, Nutzung und Entsorgung auch ökonomische und soziale Aspekte umfassen, sagte Umweltberater Helmut Spoo in Berlin. So habe sich der Einsatz kritischer Rohstoffe in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt, weltweit würden inzwischen jährlich 53,6 Millionen Tonnen Elektroschrott produziert. Das sei der falsche Weg. Stattdessen müsse man zu einer ressourcen- und klimaeffiziente Kreislaufwirtschaft kommen, forderte Spoo.

Die Industrialisierung hat den Rohstoffbedarf verzigfacht, dabei stieg auch der Einsatz kritischer Rohstoffen wie Lithium, Bauxit oder Seltene Erden.

(Bild: Dr. Spoo Umwelt-Consulting)

Die Industrialisierung hat den Rohstoffbedarf verzigfacht, dabei stieg auch der Einsatz kritischer Rohstoffen wie Lithium, Bauxit oder Seltene Erden.

Das Marktforschungsunternehmen GfK präsentierte einige aktuelle Zahlen zum Absatz von technischen Konsumgütern und zum Investitionsklima in Deutschland. Demnach sorgen sich die Deutschen mit Blick auf den Ukrainekrieg vor allem um die gestiegenen Energiepreise (89 Prozent), das humanitäre Desaster des Kriegs (82 Prozent) und die gestiegenen Nahrungsmittelpreise (81 Prozent). Und sie erwarten auch steigende Preise für Haushaltsgüter (61 Prozent). Insgesamt waren in der aktuellen Erhebung 28 Prozent der Befragten unsicher, was ihre ökonomische Zukunft betrifft.

Die Unsicherheit durch den Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Energieversorgungsengpässe sowie die Inflation habe sich aber noch nicht auf den Kauf von Konsumgütern ausgewirkt, erklärte Alexander Dehmel von GfK. Er rechnet damit, dass sich dies in den kommenden Monaten ändern werde. Auch die Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar wirkt sich auf die Gerätepreise aus, weil Komponenten üblicherweise in Dollar bezahlt werden müssen. Jüngst gab es erstmals seit 20 Jahren wieder ein Gleichstand Dollar-Euro, bis dato war der Euro mehr wert als die US-Währung.

Trotz Krisenmodus wurden lauf GfK statt preiswerter Einstiegsgeräte zuletzt teurere Premium-Geräte gekauft. Die GfK spricht hier von "Premisierung", die Konsumenten würden beim Einkauf auf Qualität achten und seien auch bereit, dafür mehr zu bezahlen.

Die technischen Konsumgüter verzeichneten im ersten Halbjahr insgesamt nur ein Wachstum von 3 Prozent gegenüber 2021. Einen großen Anteil daran hatte die weiße Ware, also Kühlschränke, Trockner, Waschmaschinen und Herde. Ob sich dieser positive Trend angesichts der steigenden Inflation fortsetzt, könnte man angesichts der genannten Bedenken bezweifeln.

2019 wurden 76% aller Konsumgüter im stationären Handel gekauft, während der Pandemie sank der Anteil merklich, im ersten Halbjahr 2022 zog der Vor-Ort-Verkauf wieder leicht an.

(Bild: gfk)

Der stationäre Handel hat während der Pandemie besonders Federn lassen müssen. Im ersten Halbjahr 2022 konnten speziell die großen Technikläden sowie der Fachhandel gegenüber Online-Anbietern wieder etwas aufholen. Sie legten um 20 Prozent im Vergleich zu 2021 zu, landeten aber nicht auf demselben Level wie vor der Pandemie.

Ein großes Thema war die Energieeffizienz von Geräten; ihr widmete sich unter anderem eine gemeinsame Studie der Strategieberatung Oliver Wyman und des IFA-Veranstalters GfU. Demnach würden die Verbraucher in Deutschland höhere Preise für umweltfreundlichere Haushaltsgeräte und Unterhaltungselektronik akzeptieren – vor allem dann, wenn die Geräte später im Betrieb geringere laufende Kosten verursachen und sich so schneller amortisieren.

Die Energieeffizienz beeinflusst den Kauf von Geräten merklich, die CO2-Bilanz der Geräte spielt dagegen keine große Rolle - vielleicht auch mangels passender Kenngrößen.

(Bild: Oliver Wymann)

So schauten die Verbraucher vor dem Kauf insbesondere auf die Energieeffizienzklassen und die Reparierbarkeit der Geräte. Sie seien bereit, deutlich mehr für ein Gerät zu zahlen, das zwei Effizienzklassen über einem Vergleichsgerät liege. Ob sich die Befragten der repräsentativen Studie später beim Kauf tatsächlich so entscheiden, steht natürlich auf einem anderen Blatt.

Die Bedeutung des Energieeffizienzlabels haben die Verbraucher in den vergangenen Jahren von den Herstellern geradezu eingetrichtert bekommen – an allen Haushalts- und Elektronikprodukten sorgten schreiend bunte Energiekennzeichen in den Läden für Aufmerksamkeit. Das war folgerichtig, da sich nur anhand einer relativen Klassifizierung für Verbraucher erkennen lässt, ob ein Gerät tatsächlich weniger Energie benötigt. Die alleinige Aussage, dass ein TV im Betrieb 100 Watt benötigt, hilft ohne Bezug zur Bildschirmgröße, Leuchtdichte und Ausstattung nicht weiter.

Vor allem im IT-Bereich ist es zuletzt allerdings recht still geworden um die Energieeffizienzklassen. Grund sind EU-Vorgaben, in denen Grenzwerte für die verschiedenen Effizienzklassen – typischerweise A bis G – neu festlegt wurden. Man wollte raus aus dem A+++-Chaos.

Reklassifizierung: Aktuell liegen fast alle TVs in Energieeffizienzklasse G, eine Differenzierung nach Effizienz ist für potenzielle Käufer damit im Grunde ausgeschlossen.

Allerdings hatte die Neufestlegung teilweise fatale Folgen. So gibt es aktuell keinen einzigen Fernseher in der Energieeffizienzklasse E, fast alle TVs landen heute in Klasse G, einige wenige in F. Auch ultrahochauflösende Monitore findet man fast ausschließlich in Klasse G.

Daran wird sich nach Einschätzung der von uns befragten TV-Hersteller in den kommenden zwei Jahren auch erstmal wenig ändern. Nutzer, die auf die Energieeffizienz eines neuen Fernsehers Wert legen, können mit dem aktuellen EEK-Label also vorerst keine sparsamen Geräte identifizieren.

Die IFA 2022 will sich dem Themenbereich Energieeffizienz und Nachhaltigkeit unter anderem in Vorträgen und Expertenpanels auf den über 4000 Quadratmetern der IFA Next widmen. Im IFA Plus Summit, der eintägigen Convention am 5. September 2022, dreht sich alles um die Globalisierung und den damit verbundenen Herausforderungen – aktuell etwa die durch Krieg und Pandemie unterbrochenen Lieferketten.

Etliche Hersteller, die vor der Pandemie komplette Hallen bespielt haben, werden die Messebesucher in diesem Jahr in Berlin auf kleineren Flächen finden, Panasonic etwa. Oder sie sind wie Philips gar nicht mehr dabei. Sony ist unterm Funkturm zwar für seine Händler zugegen, verzichtet aber auf den großen Auftritt für die IFA-Besucher. Das Unternehmen will nach eigenen Angaben künftig vor allem auf Online-Events setzen.

Online-Events versus Messepräsenz stand auch im Mittelpunkt der Querelen um die künftige Ausrichtung der IFA. Diese haben der bislang größten Konsumgüter-Show in Europas eher geschadet als genutzt. Es ging dabei wohl auch darum, ob man die IFA künftig an einem anderen Standort als Berlin ausrichtet. Interessanterweise hielt der Präsident der GfU, die Ausrichter der Messe ist, abends vor der versammelten Presse ein flammendes Plädoyer für den Standort Berlin – dieselbe GfU, die zuvor noch der Messe Berlin und dem Berliner Senat mit Wegzug gedroht hatte. Ein GfU-Vertreter beteuerte auf unsere Nachfrage, der Standort Berlin habe nie zur Debatte gestanden.

(uk)