Genschere CRISPR soll Pflanzen während künftiger Hitzewellen helfen​

Die Stärkung ihrer Abwehrkräfte könnte die Pflanzen vor den steigenden Temperaturen schützen, die der Klimawandel verursacht.​

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Von
  • Casey Crownhart
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Einige der produktivsten landwirtschaftlichen Regionen der Welt, von Indien bis zum Mittleren Westen der USA, haben in diesem Jahr bereits Temperaturrekorde gebrochen. Und Deutschland steckt zurzeit in einer Hitzewelle. Die steigenden Temperaturen könnten den Ernten schaden und möglicherweise besorgniserregende Folgen für die Lebensmittelversorgung haben. Heiße Tage und Nächte können nicht nur Dürrezustände verschlimmern. Unter extremen Bedingungen kann die molekulare Maschinerie in den Pflanzen sogar ausfallen, was zu Ernteausfällen führt. Es wird erwartet, dass diese Gefahr angesichts des Klimawandels weiter wachsen wird.

Wichtige Nutzpflanzen wie Mais und Weizen könnten durch die künftige Erwärmung sogar vor zusätzliche Herausforderungen gestellt werden. Denn die Hitze beeinträchtigt ein wichtiges Instrument ihrer Infektionsabwehr. Wenn sich die Temperaturen auch nur geringfügig über das normale Maß hinaus erwärmen, können die Pflanzen anfälliger für Schädlinge werden.

Biologen haben begonnen, diesen Vorgang zu entschlüsseln und ihre Forschungsergebnisse zeigen gentechnische Wege auf, wie sich die Abwehrkräfte der Pflanzen reparieren ließen, ohne ihr Wachstum zu verlangsamen. Wenn sich diese Erkenntnisse auf landwirtschaftliche Betriebe übertragen lassen, könnten solche Veränderungen der Pflanzen dazu beitragen, dass die Nahrungsmittelversorgung mit dem Bevölkerungswachstum in einer sich erwärmenden Welt Schritt hält.

Das Immunsystem von Pflanzen ist nicht ganz so kompliziert wie das menschliche, aber sie produzieren durchaus Chemikalien als Reaktion auf bakterielle oder Pilzinfektionen oder Insektenangriffe. Bei vielen Pflanzen läuft ein wichtiger Immunpfad über die sogenannte Salicylsäure. Diese Verbindung hat antibakterielle Eigenschaften und dient auch als Signal, um andere Immunabläufe in Gang zu setzen.

Das Problem ist, dass dieser Signalweg unter ungewöhnlich heißen Bedingungen praktisch zum Erliegen kommt. Bei Pflanzen, die normalerweise an kühleren Orten wie Mitteleuropa wachsen, können schon wenige Tage mit Temperaturen über 28 Grad ausreichen, um die Abwehrkräfte der Pflanze zu schwächen.

Forscher wissen schon seit Jahrzehnten von dieser Einschränkung. Aber sie haben erst vor kurzem ein Gen identifiziert, das hinter der temperaturabhängigen Schwäche zu stehen scheint. Dem Team des Pflanzenbiologen Sheng Yang He von der Duke University zufolge kodiert das Gen CBP60g ein Protein, das bestimmt, wie andere am Salicylsäure-Signalweg beteiligte Gene abgelesen und umgesetzt werden.

Anschließend konnten die Forscher das Genom der Pflanzen so verändern, dass sie gezwungen waren, die Salicylsäureproduktion ständig, also auch bei hohen Temperaturen hochzufahren. Den Forschern gelang es auch, Pflanzen zu erzeugen, die die Abwehrstoffe nur dann produzierten, wenn sie einen Krankheitserreger entdeckten, ansonsten aber aus Energiespargründen ihr Wachstum nicht durch unnötige Abwehrmaßnahmen verlangsamten.

Die Übertragung der Ergebnisse, die wie viele grundlegende Studien mit einer Pflanze namens Arabidopsis durchgeführt wurden, auf andere Gewächse könnte allerdings eine Herausforderung darstellen, sagt Cesar Cuevas-Velazquez. Der Pflanzenbiologe von der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko ist einer der Gutachter der Studie.

Immerhin sind viele relevante Pflanzenarten eng mit Arabidopsis verwandt, darunter Brokkoli und Rosenkohl. Und da der Salicylsäure-Stoffwechselweg in vielen verschiedenen Pflanzenarten vorkommt, darunter auch in wichtigen Nutzpflanzen wie Weizen, Mais und Kartoffeln, ist es möglich, dass die Arbeit weit über das Labor hinaus Auswirkungen haben könnte. In einigen Folgeexperimenten wiederholte die Duke-Gruppe ihre Ergebnisse in Rapspflanzen. Die ersten Ergebnisse waren vielversprechend, obwohl die Arbeit noch in Feldversuchen getestet werden muss.

Ein Hindernis für den Einsatz der gentechnisch veränderten Pflanzen könnte darin bestehen, dass die Forscher Bakterien verwendet haben, um die neue DNA in die Pflanzen einzubringen. Das bedeutet, dass sie als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) gelten würden. Sheng Yang He sagt jedoch, dass künftige Forschungen Gentechnikwerkzeuge wie CRISPR verwenden könnten, anstatt DNA aus einem anderen Organismus einzubringen. Dadurch könnten einige der regulatorischen und verbraucherrelevanten Herausforderungen im Zusammenhang mit GVO-Lebensmitteln vermieden werden.

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Andere Experten weisen darauf hin, dass die Forschung zwar vorankommt, wir die Pflanzen aber noch nicht vollständig verstanden haben. "Es gibt noch viele Fragen, die grundlegender sind", sagt Jian Hua, Pflanzenbiologin an der Cornell University. Zum Beispiel ist nicht klar, warum dieser Immunweg bei hohen Temperaturen überhaupt abgeschaltet wird.

Die Verlangsamung des Immunsystems bei hohen Temperaturen könnte eine evolutionäre Eigenart sein. Es ist aber auch möglich, dass das Abschalten bestimmter Abwehrmechanismen bei Temperaturschwankungen einen gewissen Nutzen hat, so Hua. Einige Pflanzen verfügen über andere Immunreaktionen, die sich bei steigenden Temperaturen verstärken, und es ist nicht klar, welche relative Bedeutung diese verschiedenen Wege haben oder wie sie zusammenwirken könnten.

Der durch den Klimawandel bedingte Temperaturanstieg wird sich nicht nur auf die Immunität der Pflanzen auswirken, sondern auch auf viele andere Bereiche. Wenn die Forscher jedoch neue Wege finden, um den Pflanzen zu helfen, sich selbst zu verteidigen, könnte dies letztlich zu einem geringeren Einsatz von Pestiziden und einer widerstandsfähigeren globalen Nahrungsmittelversorgung führen.

(vsz)