Selbstständige IT-Experten: Staatlich überbehütet

Statt IT-Freelancern Rechtssicherheit zu bieten, will der Staat sie vor Ausbeutung schützen. Das sichert sie nicht ab, sondern erschwert ihre Situation.

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, Hans Jürgen Marhenke

(Bild: Hans Jürgen Marhenke)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Dorothee Wiegand

Der Gesetzgeber möchte Menschen, die im Niedriglohnbereich tätig sind, vor Ausbeutung schützen und sie sozial absichern. Beim Verdacht einer Scheinselbstständigkeit prüft die Deutsche Rentenversicherung (DRV) daher die genauen Umstände des Beschäftigungsverhältnisses. Das ist eine gute Sache. Mit denselben Kriterien, mit denen die DRV die Tätigkeit von Lieferdienstradlern, Warenhausdetektiven und Messehostessen prüft, checkt sie auch die Arbeit selbstständiger IT-Experten. Das ist ein Problem.

Der gemeine IT-Freelancer ist ein freier Geist. Er möchte sein eigener Chef sein und seine Expertise in ganz unterschiedliche Projekte einbringen. Weil sein spezialisiertes Know-how stark nachgefragt ist, kann er angemessene Tagessätze verlangen und so ausreichend für seine soziale Absicherung sorgen. Er arbeitet in Projektteams eng mit festangestellten Kollegen zusammen, und nutzt dabei meist auch Infrastruktur des Auftraggebers – schon aus Sicherheitsgründen. Solche für die selbstständigen IT-Profis selbstverständlichen Aspekte ihrer Arbeit gelten im Statusfeststellungsverfahren allerdings oft als Indizien für Scheinselbstständigkeit.

Dass es mit der Statusfeststellung bei den sogenannten modernen Wissensarbeitern nicht ganz rund läuft, ist wohl allen Beteiligten klar. Anfang des Jahres hat der Gesetzgeber das Verfahren reformiert. Die aktuelle Version legt die DRV in einem 141 Seiten langen Schreiben dar. Als Grundlage nennt sie unter anderem das "Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht" und das "Gesetz zum Abbau verzichtbarer Anordnungen der Schriftform im Verwaltungsrecht".

Bei so viel Vereinfachung und Abbau, so meint man, müsste eine Statusfeststellung bald auf einem Bierdeckel möglich sein. Tatsächlich ist das neue Hauptformular für das Feststellungsverfahren von sieben auf neun Seiten angewachsen, weitere Formulare kamen hinzu. Damit ist Selbstständigen in der IT und ihren Auftraggebern nicht gedient. Sie wünschen sich weniger Papierkram und mehr Verständnis für die Besonderheiten von IT-Projekten. Sie brauchen klare und eindeutige Kriterien bei der Feststellung sowie Rechtssicherheit bei den Bescheiden statt Überbehütung durch den Staat.

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(dwi)