Elektromotorrad Arc Vector: Kohlefaser-Monocoque, Achsschenkel-Lenkung und HMI

Das "fortschrittlichste E-Motorrad der Welt" mit Kohlefaser-Monocoque und Achsschenkellenkung integriert Fahrer mittels Head-up-Display und Vibrationssignalen.

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Die Arc Vector als Prototyp auf dem Goodwood Festival of Speed 2022

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Science-Fiction-Autoren haben sich schon lange vorgestellt, dass Mensch und Maschine immer mehr miteinander verschmelzen. Die britische Firma Arc kommt mit der sündhaft teuren Vector dieser Idee einen Schritt näher und lässt das Bike mit seinem Fahrer interagieren. Das Elektromotorrad könnte problemlos in einem Batman-Film auftauchen – falls es je gebaut wird.

Arc bewirbt seine Vector als das "fortschrittlichste Elektromotorrad der Welt". Das vermittelt sie auch optisch mit ihrem Monocoque-Chassis aus Kohlefaserlaminat (CFK) auf dem Batterieblock. Der Lenker liegt unterhalb dieser CFK-Struktur, die übereinander angeordneten LED-Scheinwerfer sind darin integriert und das Heck des Solo-Sitzers ist denkbar knapp gestaltet. Dadurch wirkt die Vector sehr flach und langgestreckt. Dabei sind ihr Radstand mit 1450 mm und die Sitzhöhe mit 840 mm eher moderat bemessen.

Arc Vector Teil 1 (7 Bilder)

Beim Goodwood Festival of Speed trat die Arc Vector im Juli zum ersten Mal öffentlich auf. Ex-MotoGP-Pilot James Ellison fuhr das Elektromotorrad.

Auffallend ist die Achsschenkellenkung mit einer Schwinge aus Kohlefaserlaminat am Vorderrad. Das Prinzip der Achsschenkellenkung wurde im Laufe der Geschichte immer wieder mal an Modellen wie der Yamaha GTS 1000 oder der Bimota Tesi ausprobiert, sie konnte sich jedoch nie durchsetzen. Möglicherweise hat Arc diesen Weg gewählt, weil sonst das Monocoque deutlich breiter geraten wäre.

Die Felgen – ebenfalls aus Kohlefaserlaminat – stammen von BST und tragen Reifen in der gängigen Dimension 120/70-17 vorn und 180/55-17 hinten. Bei der Federung vertraut Arc dem Stoßdämpferhersteller Öhlins und verbaut vorne und hinten je ein voll einstellbares TTX-Federbein. Auch bei den Bremsen wählt der englische Hersteller edle Komponenten und montiert Brembo-Stylema-Bremszangen und -Scheiben. Der Antrieb zum Hinterrad läuft über eine Kette, auch wenn der Prototyp, der 2019 auf der Eicma stand, noch einen Zahnriemen zeigte. Mit der Leistung des auf 399 Volt laufenden Elektromotors hält Arc noch hinter dem Berg, gerüchteweise sollen es 103 kW und satte 397 Nm am Hinterrad sein. Das ist deutlich weniger als die Verge TS aus Finnland bietet, aber immer noch ein Fall für eine Schlupfregelung. Mehrstufig, versteht sich.

Offen kommuniziert der Hersteller hingegen die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in drei Sekunden und einen Topspeed von 200 km/h. Auch die angebliche Reichweite ist schon angekündigt worden: 436 km. Bei einer 16,8 kWh großen Batterie ist das allerdings sehr unwahrscheinlich, schon eher möglich erscheint das angegebene Fahrzeuggewicht von 220 kg. Die Ladezeit von 40 Minuten klingt ebenfalls sehr optimistisch, selbst für Gleichstromladung mittels CCS-Stecker, der sich unter dem Fake-Tankdeckel auf dem Monocoque befindet.

Als wäre die Vector nicht schon spektakulär genug, bindet Arc den Fahrer in das Motorrad mit ein und nennt es "Human Machine Interface". Serienmäßig gibt es nämlich dazu den Helm Arc Zenith, der in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Hersteller Hedon entstand. Er verfügt über ein Head-up-Display und eine nach hinten gerichtete Kamera. Wenn ein Fahrzeug im toten Winkel auftaucht, wird es – neben allen anderen Informationen – sofort im Display angezeigt. Der Helm ist per WLAN mit dem Bike verbunden und die verschiedenen Modi können mittels Controller am Motorrad oder per Sprachbefehl aktiviert werden. Außerdem sorgt der Zenith mit einem dreistufigen Ventilationssystem für einen kühlen Kopf.

Arc Vector Teil 2 (8 Bilder)

An der Arc Vector kommt viel Kohlefaserlaminat zum Einsatz. So bestehen neben dem Monocoque-Chassis auch die Felgen und die Schwingen aus dem leichten Material.

Doch Arc geht bei der mit der Firma Knox entwickelten Protektorenweste noch eine Stufe weiter. Um Gefahren zu melden, kann der Rückenprotektor vibrieren. Zwei Stunden hält die integrierte Stromversorgung durch, danach kann die Weste am Motorrad wieder aufgeladen werden. Den Helm und die Weste trug Arc-Entwicklungsfahrer und Ex-MotoGP-Pilot James Ellison allerdings nicht, als er Anfang Juli beim berühmten Goodwood Festival of Speed mit der Vector vor zahlreichem Publikum lautlos über die Rennstrecke jagte.

Weitere Details werden wohl erst im September bekannt, wenn die ersten Elektromotorräder an die Kunden ausgeliefert werden sollen. Arc beabsichtigt 399 Vector zu bauen, was bei einem Preis von 90.000 britischen Pfund (rund 105.000 Euro) sehr ambitioniert erscheint. Dass in der stattlichen Summe der Helm und die Weste eingeschlossen sind, versteht sich.

Bleibt die Frage, ob die Vector wirklich kommt und, falls ja, ob sie mit allen versprochenen Features ausgestattet ist. Die Marke Arc hatte einen mehr als holprigen Start. Firmengründer Marc Truman war früher Manager bei Jaguar/Landrover und wollte 2018 seinen Lebenstraum eines außergewöhnlichen Elektromotorrads verwirklichen. Es gab zwar angeblich einige Investoren, dennoch sammelte Truman per Funding rund 1,1 Millionen Pfund von potenziellen Käufern ein und gab bekannt, eine Produktionsstätte in Wales nahe am Aston-Martin-Werk zu beziehen. Aber Ende 2019 meldete Arc Insolvenz an und Truman kaufte danach die wichtigsten Teile des Unternehmens wieder auf, um weitermachen zu können.

(fpi)