Rollenwechsel​: Vom Teamplayer zur Führungskraft​

Die Übernahme einer Führungsfunktion verändert die Arbeit völlig. Von da an, muss man nicht nur sich, sondern andere motivieren. Wie der Rollenwechsel gelingt.

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(Bild: Charles-Edouard Cote/Shutterstock.com)

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Von
  • Peter Ilg
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Herzlichen Glückwunsch zur Ernennung als Führungskraft! Bei Christian Wiesweg ist inzwischen ein gutes Jahr vergangen, seit er diesen Satz gehört hat. Im Mai vergangenen Jahres wurde er zum Leader bei d-velop ernannt. Das Softwareunternehmen bietet Lösungen fürs Dokumentenmanagement und digitale Geschäftsprozesse an. Vor vier Jahren hat es auf Agilität umgestellt. Die oberen Managementfunktionen blieben erhalten, es wird aber in kleinen, selbstorganisierten Teams gearbeitet und anstelle klassischer Vorgesetzter gibt es dort sogenannte Leader.

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"Ich bin kein Vorgesetzter, der Anweisungen gibt. Ich coache das Team in meiner Rolle als Leader", sagt Wiesweg. Das besteht aus 22 Mitarbeitenden im Consulting-Service. Darunter Projektconsultants und Projektleiter. Den Rollentausch vom Mitarbeiter zur Führungskraft hat Wiesweg inzwischen weitgehend abgeschlossen.

Dabei hat ihm geholfen, dass er bereits Führungskraft bei vorherigen Arbeitgebern war, von großen Abteilungen und in klassischen Führungsrollen. Daher weiß er: "Bei jeder neuen Aufgabe muss man die alte abschließen und die neue annehmen." Das hört sich leicht an, kann aber ziemlich schwer sein, etwa wenn man seine vorherige Arbeit gern gemacht hat. Wiesweg war davor Projektleiter in einem anderen Team bei d-velop. Dadurch war der Rollenwechsel einfacher, als wenn er in derselben Gruppe aufgestiegen wäre. In diesen Fällen kann es Neider geben und persönliche Beziehungen können leiden, wenn der freundliche Kollege zum fordernden Chef wird.

Wieswegs Wechsel lief aus einem weiteren Grund für ihn gut: Sein Vorgänger hat das Unternehmen nicht verlassen, sondern hat intern gewechselt. "Deshalb fand eine ordentliche Übergabe statt." Davon hat er sehr profitiert. Wenn Vorgänger eine Firma verlassen, geschieht das oft im Unguten; Übergaben sind dann schwierig. Bei offenen Fragen wandte sich Wiesweg an die Personalabteilung und inzwischen hat er zwei Seminare besucht: Führen im Homeoffice und Zeitmanagement.

Seine größte Herausforderung bestand nämlich darin, die richtige Balance zwischen der Führungsrolle und der Projektleitung zu finden. In seinen vorherigen Führungspositionen war er Vollzeitführungskraft, heute ist er Teilzeitvorgesetzter und weiterhin Projektleiter. Zu einem Drittel seiner Arbeitszeit ist er Leader, zu zwei Dritteln Projektleiter. "Ich mag diese Aufteilung, weil ich so weiterhin im Tagesgeschäft bin und dadurch die Herausforderungen in Projekten kenne." Führungskräfte in Vollzeit verlieren das Gespür für die Aufgaben und das Verständnis für die Arbeit ihres Teams.

In klassischen Führungsstrukturen sagen die Vorgesetzten ihren Mitarbeitern, wie ein Problem gelöst wird. "Wir haben das Prinzip der Eigenverantwortung", sagt Wiesweg. Wenn Mitarbeitende mit Problemen zu ihm kommen, werden gemeinsam Lösungen gesucht und ihnen bleibt überlassen, welche sie wählen. Das nennt sich Hilfe zur Selbsthilfe.

Die Führungsverantwortung teilt sich Wiesweg mit zwei anderen Gruppenmitgliedern. Er ist für Personalentwicklung, Zielvereinbarungen und Gehalt zuständig. Ein anderer kümmert sich um das operative Geschäft und den Ressourceneinsatz. Der Dritte steuert die Prozesse und erstellt die Aufgabenbeschreibungen.

Wiesweg stellt sich regelmäßig die Frage, ob er seiner Führungsrolle gerecht wird. Deshalb fragt er bei seinen Teammitgliedern immer wieder nach, ob sie damit zufrieden sind, wie er seine Arbeit als Führungskraft macht. "Regelmäßiges gemeinsames Reflektieren ohne Hierarchiedenken ist sehr wichtig", lautet sein Rat.

Das Management-Institut Dr. A. Kitzmann bietet Seminare für Fach- und Führungskräfte an, darunter ‚Vom Mitarbeiter zur Führungskraft‘ und ‚Agile Führung‘. Dr. Jana Völkel-Kitzmann ist geschäftsführende Gesellschafterin. Sie sagt: "Im Seminar vom Mitarbeiter zur Führungskraft lernen die Teilnehmer, mit dem Rollenwechsel umzugehen." Dazu zählt, wie sie aus der tief fachlichen in eine übergeordnete generalistische Rolle schlüpfen können und sie sich bewusst machen, dass sie zu einer Führungskraft ausgewählt wurden, weil sie das Potential dafür haben – und nicht aus Willkür.

Grob eingeteilt gibt es zwei Gruppen von Teilnehmern an dem Kurs: Die eine zweifelt an sich, die andere ist selbstbewusst. "Bei den Zaghafteren muss zunächst das Bewusstsein für ihre neue Funktion aufgebaut werden, sie müssen lernen, wegzukommen vom perfektionistischen Detail und nicht im Projekt mitzuarbeiten, sondern es zum Erfolg zu führen", sagt Völkel-Kitzmann. Die Gruppe der Selbstbewussten interessiert, was Vor- und Nachteile unterschiedlicher Führungsstile sind, wie sie richtig motivieren und kommunizieren.

In beiden Kursen lernen die Teilnehmer alle relevanten Themen rund um Führung kennen, allerdings unterscheiden sich die Schwerpunkte. Im zuerst genannten Seminar liegt der Schwerpunkt auf der klassisch-hierarchische Führung, im Kurs agile Führung lernen sie als Coach und Berater zu führen. "Agilität war mal ein Trend, heute ist dies Form der Führung weit verbreitet", sagt Völkel-Kitzmann. In diesem Seminar ist der Anteil an Teilnehmern mit einem technischen Job deutlich höher als im anderen Kurs.

d.velop hat rund 1.000 Mitarbeiter und eine agile und eigenverantwortliche Waben- und Zell-Organisation. "Wenn eine Zelle zu groß geworden ist, wird sie geteilt, um weiterhin schlagkräftig zu sein", sagt Britta Liesbrock, die für die Personalentwicklung zuständig ist. Als Obergrenze für eine Gruppengröße wurden 8 bis 12 Mitglieder definiert, wenn es die Organisation erfordert, können es auch mehr sein. Wird geteilt, dann schlägt das Team vor, wer eine Führungsfunktion übernehmen kann. "In anderen Fällen werden uns Personen mit Führungspotential von anderen Mitarbeitenden empfohlen, etwa weil sie in Projekten ihre Führungsqualitäten gezeigt haben", sagt Liesbrock.

Damit ihnen der Rollenwechsel gelingt, bietet d-velop Seminare und Coachings an, in denen sie es wiederum lernen, coachend die Mitglieder ihrer Teams besser zur Entfaltung zu bringen. Christian Wiesweg kam über Empfehlungen anderer Mitarbeitenden in seine Position.

(axk)