Ärzte lehnen Anbindung an die "Datenautobahn" des Gesundheitswesens ab

Viele Ärzte wollen Digitalisierung, sind aber unzufrieden mit der "Top down"-Mentalität der für die Digitalisierung des Gesundheitswesens zuständigen Gematik.

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(Bild: TippaPatt/Shutterstock.com)

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Ärzteverbände kritisieren den von der Gematik GmbH ausgehenden Zwang zur Digitalisierung des Gesundheitssystems. Dabei betonen sie immer wieder, digitalem Fortschritt grundsätzlich offen gegenüberzustehen. Doch beim elektronischen Rezept (E-Rezept), der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) und der elektronischen Patientenakte (ePA) gibt es einigen Ärzteverbänden zufolge noch Verbesserungsbedarf.

Der Chef vom Berufsverband der Dermatologen (BVDD), Dr. Ralph von Kiedrowski, hat die Bestrebungen der Gematik in einem Podcast die "dunkle Seite der Digitalisierung" genannt. Therapien und Anwendungen, die die Versorgung vereinfachen und verbessern, bezeichnete er hingegen als helle Seite der Macht – etwa die digitale Sprechstunde oder eine App zur Ermittlung des Hautkrebsrisikos.

Ärzte brauchen von Kiedrowski zufolge Digitalisierung. Allerdings würden bei der politisch vorangetriebenen Digitalisierung viele Dinge noch "in Kinderschuhen" stecken. Seit Jahren werde versucht, Prozesse in Zusammenhang mit der Telematikinfrastruktur "voranzupeitschen". Es scheitere im Tagesgeschäft jedoch an grundsätzlichen Dingen wie der Funktionalität der Systeme.

Von Kiedrowksi räumte zwar auch ein, dass es sicherlich nicht leicht sei, 130.000 Vertragsärzte mit den Krankenkassen und Versicherten einzubinden, dennoch sollte die Digitalisierung die Patientenversorgung verbessern und zumindest nicht verschlechtern. In der Praxis würden die Kolleginnen und Kollegen immer wieder erleben, dass die Systeme instabil sind und dass allein die Einleseprozesse der Versichertenkarte – die sonst zehn bis zwölf Sekunden dauern – bis zu einer Minute Zeit in Anspruch nehmen. In der Zeit ist eine Praxis Kiedrowski zufolge wie "auf Eis gelegt".

Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. (Bvkj) begrüßt die Digitalisierung, lehnt die Telematikinfrastruktur (TI) in ihrer jetzigen Form allerdings ab. Der Verband fordert von der Gematik "ihre Hausaufgaben zu machen" – Produkte sollten erst weitgehend getestet sein. Immer wieder hatten Ärzte bemängelt, Betatester für unausgereifte Systeme zu sein. Über die TI soll der sichere Versand von Patientendaten zwischen Apotheken, Krankenkassen und Praxen stattfinden.

Den Unmut der Ärzte verstärkte zuletzt, dass die 130.000 für die Anbindung an die TI notwendigen und besonders sicheren Hardware-Router (Konnektoren) ausgetauscht werden sollen, weil deren Krypto-Zertifikate nach fünf Jahren auslaufen. In Zusammenhang mit einer Analyse der Konnektoren hatte die c't Alternativen zum Austausch der Geräte vorgeschlagen.

Eine der Alternativen, die Verlängerung der Krypto-Zertifikate mittels Software-Update, hatten zwei der drei Konnektorhersteller bereits implementiert. Das würde weitere Konnektoren bis zur Einführung der rein Software-basierten TI 2.0, die im Jahr 2025 kommen soll, unnötig machen. Zuletzt hatte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik gegenüber c't bestätigt, dass eine Verlängerung der Krypto-Zertifikate bis Ende 2025 möglich ist. Die Prüfung dieser Alternativen lehnten die Gematik und das Bundesministerium für Gesundheit jedoch ab – aufgrund fehlender neuer Erkenntnisse.

Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) drohte in diesem Zusammenhang sogar mit einem Ausstieg aus der TI und auch der Ärzteverband MEDI hatte sich für einen Stopp der Austauschaktion ausgesprochen. Auch der Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte (HNO-Berufsverband) zeigte seinen Ärger über den durch die TI erzeugten zusätzlichen Aufwand. "Die Arztpraxen sind nicht bereit, den Aufwand, den Ärger und die Zusatzkosten des beschlossenen TI-Konnektorenaustauschs ein zweites Mal mitzumachen", sagt Dr. Dirk Heinrich, Präsident des HNO-Berufsverbandes.

(mack)