19C3: Funkstille am "Abuse"-Telefon

Die Veranstalter des traditionellen Hackertreffs zogen angesichts eines neuen Besucherrekords eine rundweg positive Bilanz, eine Fortsetzung ist schon für Sommer geplant.

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So gegen 5 Uhr früh am Morgen des gestrigen Montags wurden die Internetleitungen im bereits deutlich leerer gewordenen Haus am Köllnischen Park endgültig gekappt. Die "größte Hackerparty Europas", die auch in diesem Jahr wieder zahlreiche Sicherheitslücken in kleinen wie großen Netzgeräten sowie in kompletten Rechnerplattformen ans Licht der Öffentlichkeit gebracht und zu zahlreichen technischen Basteleien eingeladen hatte, ging mit diesem Akt unwiderruflich in einem moderaten Chaos aus übrig gebliebenen Brauseflaschen, übergelaufenen Aschenbechern und leeren Chipstüten zu Ende.

Schon am Abend zuvor hatte die Veranstaltungsleitung vom Chaos Computer Club (CCC) ein sehr (selbst-)zufriedenes Resümee des dreitägigen und bereits zum 19. Mal durchgeführten Chaos Commmunication Congress gezogen. "Wir hatten einen gut 50-prozentigen Teilnehmerzuwachs zu verzeichnen", freute sich Tim Pritlove vom Organisationsteam. Etwa 3.000 Leute hätten die Hallen durch das Tor aus der "Weltraumstation" c-base betreten, was die Macher selbst überrascht und "in einige Schwulitäten" gebracht habe. Tatsächlich war der Körperkontakt in den chronisch überfüllten Vortragsräumen kaum zu vermeiden und es kam zu Annäherungen zwischen den nach wie vor überwiegend männlichen Freaks. Aber auch bei den weiblichen Hackern im Haecksenraum ging es bei Workshops zu "BlinkenMini" oder "Urban Hacktivism" immer sehr eng zu.

Ganz abgesehen von Platzgründen muss sich der Congress aber eh im kommenden Jahr von seinem fünf Jahren besetzten Domizil, das so manchem Hacker auf Grund der schönen Plüschklappstühle in der Aula ans Herz gewachsen war, trennen. Das Haus besteht zwar noch bis Oktober 2003 als Veranstaltungsort. Für den nächsten Chaos Communication Congress steht es aber nicht mehr als Option bereit. Ins Auge gefasst hat das Leitungsteam für den 20C3 das bereits passend für den Zweck im Original als Congresshalle getaufte Gebäude am Alexanderplatz, das gerade zusammen mit dem Haus des Lehrers, dem ersten Installationsort der Blinkenlights, renoviert wird.

Statistisch gesehen erreichte der 19C3 nicht nur bei den Besucherzahlen Höchstmarken: Ein sattes Terabyte an Netz-Traffic saugten und sendeten die Hacker übers verlängerte Wochenende hinweg. "Wie groß das Loch auch immer aufgemacht wurde, es war auch immer sofort voll", sagte Pritlove. Während das konsumierte und produzierte Datenaufkommen über die erneut eingerichtete 34-Megabit-Leitung im vergangenen Jahr noch reichte, um die absolute Spitzenposition unter allen Gnutellaknoten weltweit zu erobern, war dieses Mal die Nutzergemeinde insgesamt nach den Weihnachtstagen eifrig am Dateientauschen, sodass nur "ein Platz weit oben" in der Liste der größten File-Sharing-Punkte erreicht werden konnte.

Positiv merkte CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn an, dass das extra eingerichtete "Abuse"-Telefon für aufgebrachte Webadministratoren außerhalb des Hackcenters weit gehend still stand. "Es hat niemand angerufen", berichtete der noch amtierende ICANN-Direktor; "Halt, einer hatte sich verwählt." Bei seinem ehemaligen Kollegen Frank Rieger war derweil doch eine Klage eingegangen: "Jemand beschwerte sich über einen halbstündigen Port-Scan. Aber nicht, weil er um die Systemsicherheit fürchtete, sondern weil er vollständig inkompetent ausgeführt wurde."

Die Funkstille am Roten Telefon lässt sich allerdings wohl eher durch die Tatsache erklären, dass der Congress auf eine Wochenende fiel, als durch mangelnde Ausflüge der kreativen Jungköpfe zu schlecht geschützten Webservern. Allen Versprechungen zum Trotz, keine Verunstaltungen von Webseiten vorzunehmen, kam es erneut zu einigen Ausfällen. "Es wurde wahrgenommen, dass die hessische CDU Congresswerbung geschaltet hat", lautete Müller-Maguhns stoischer Kommentar zu den seltsamen Vorgängen.

Eine Überraschung hielt Pritlove schließlich noch für alle schon leicht ermüdeten Gesellen parat, die nicht bis zum nächsten Jahr auf den kollektiven "Spaß am Gerät" warten wollen: Anfang August 2003 soll auf einer Wiese bei Altlandsberg in der Nähe Berlins zum zweiten Mal das "Chaos Communication Camp" stattfinden. Anlass ist die Aufrüstung der "Herz aus Gold". Spacig dürfte es auf dem Hackerzeltlager also auf jeden Fall zugehen.

Zum 19. Chaos Communication Congress siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)