Data Scientists​: Stark steigende Nachfrage am Arbeitsmarkt​

Immer mehr Daten und immer leistungsfähigere Rechner machen möglich, große Datenmengen zu analysieren. Das führt zu einem Boom beim Bedarf an Data Scientists.

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(Bild: Itzchaz/Shutterstock.com)

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Von
  • Peter Ilg
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Der Bitkom prognostiziert einen massiv steigenden Bedarf an Data Scientists. "Hier eröffnet sich ein Berufsfeld, das in den kommenden Jahren enorme Bedeutung erlangen wird", sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. In einer Befragung des Verbands gaben 6 Prozent der Unternehmen an, dass sie Daten-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler beschäftigen, 15 Prozent planen, solche künftig einzustellen. Das bedeutet mehr als eine Verdopplung.

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Data Science ist eine junge Analysetechnologie, deren Methoden aber sind nicht neu. Maschinelles Lernen und Neuronale Netze gibt es schon lange. "Jetzt haben die Rechner aber genügend Leistung, um komplexe Modelle zu berechnen", sagt Professor Dominik Heider, Leiter der Bachelor- und Master-Studiengänge Data Science an der Universität Marburg. Die Absolventen gehen weg wie warme Semmeln.

In den Datenwissenschaften geht es um zwei Dinge: erstens die Möglichkeit, große Datenmengen aus Datenbanken und mit Algorithmen zu verarbeiten. Zweites werden Daten ausgewertet, um Zusammenhänge zu erkennen oder Vorhersagen zu treffen. "Data Science geht mit komplexeren Modellen deutlich über die reine Statistik hinaus", sagt Heider. Die Datenwissenschaften sind eine junge Disziplin und eine Spezialisierung aus der Kombination von Mathematik und Informatik.

Inzwischen gibt es eine Vielzahl an Hochschulen in Deutschland, die diese Disziplin als Studiengang anbieten. "Im Wesentlichen lernen die Studierenden, wie sie aus vielen Daten relevante Informationen für eine Fragestellung herausfiltern", sagt Heider. Qualität und Vollständigkeit der Daten sind zwei bedeutende Kriterien auf den Einfluss der Ergebnisse.

Ihr Wert wird jedoch je nach Fragestellung gewichtet: Bei Fahrerassistenzsystemen am Auto sind viele Details unwichtig, etwa wie groß eine Person auf der Straße ist. Hauptsache, sie wird vom Notbremssystem erkannt. Die genaue Größe eines Tumors aber ist bei einer Aufnahme mit dem Computertomographen extrem wichtig. Datenwissenschaftler müssen daher entscheiden, welches die richtigen und wichtigen Parameter für nützliche Ergebnisse sind.

Die beiden Studiengänge in Marburg gehören zum Fachbereich Mathematik und Informatik, entsprechend sind auch die Studieninhalte. "Wir führen bald Anwendungsschwerpunkte in beiden Studiengängen ein, um Domainwissen zu vermitteln, etwa Biomedizin", sagt Heider. Spezialisierung ist ein Trend in diesem Studienfach.

Etwa 100 Absolventinnen und Absolventen schließen jährlich ihr Studium in Marburg ab. "Ich habe noch nie gehört, dass jemand keinen Job gefunden hätte", sagt Heider. Ganz im Gegenteil: die Uni hat Probleme, Doktoranden zu finden, weil die Industrie die meisten schon nach dem Bachelor mit hohen Gehältern zu sich lockt. Je nach Branche und Art des Abschlusses liegen die Einstiegsgehälter zwischen 60.000 und 80.000 Euro. Schon mit wenigen Jahren Berufserfahrung verdienen viele über 100.000 Euro im Jahr.

Von Fragestellungen der Physik ging es für Jannik Hofestädt zur Analyse von Fahrdaten für die HUK-Coburg.

Jannik Hofestädt, 36, arbeitet seit eineinhalb Jahren als Data Scientist bei der HUK-Coburg. Zuvor hat er Physik studiert und anschließend in diesem Fach promoviert. "Im Studium und in der Doktorarbeit habe ich in Fragestellungen der Physik Data-Science-Methoden angewandt", sagt Hofestädt. So kam er zu seinem Job in den Datenwissenschaften bei der Versicherung und beschäftigt sich heute mit Data Science in der Telematik. "Ich arbeite in der Entwicklung und Weiterentwicklung von Modellen, mit denen aus Fahrdaten berechnet wird, wie risikohaft und vorausschauend die Fahrweise von Versicherten ist", sagt Hofestädt. Dazu gehört, wie wenig oder wie oft sehr stark gebremst wird. Solche Eigenschaften sind Teil des Berechnungsmodells.

Bei der HUK-Coburg können Kunden der Kfz-Versicherung einen Rabatt von bis zu 30 Prozent auf die Versicherungsprämie bekommen, wenn sie risikoarm und vorausschauend fahren. Die HUK-Coburg, der größte Autoversicherer in Deutschland mit rund 13,4 Millionen versicherter Kraftfahrzeuge, bietet diesen Service seit drei Jahren an. Rund 450.000 Kunden nutzen ihn. Zur Datenerhebung wird ein Sensor an die Windschutzscheibe geklebt und eine App auf dem Smartphone installiert.

Spezielles Bereichswissen sei für seinen Job nicht notwendig, sagt Hofestädt. Doch er braucht Fachwissen in Mathematik, Physik, Statistik, Programmierung und Erfahrung mit gängigen Tools für Data Science. Bei der Software für die Datenauswertung bedienen sich die Data Scientists aus Standardpackages und modifizieren sie für deren Zwecke. "Was ich gerne an meinem Job mag ist die Sherlock-Holmes-Mentalität: die akribische Suche nach der Lösung", sagt Hofestädt. Weil man dabei aber oft auf dem Holzweg sein kann, braucht er Ausdauer und Frustrationstoleranz. Das kennt Hofestädt vom wissenschaftlichen Arbeiten an der Uni.

Daniel John leitet die Abteilung Aktuariat Komposit, das sind Schaden- und Unfallversicherungen bei der HUK-Coburg. Zu seinen Verantwortlichkeiten gehören unter anderem die Preisgestaltung der Versicherungen, Vorhersagen über Schadensentwicklung und Data Science. John beschäftigt sich seit 15 Jahren intensiv mit Data Science. Er hat Mathematik mit Nebenfach Informatik studiert und in Mathematik promoviert. Zusätzlich hat er berufsbegleitend eine Ausbildung zum Aktuar abgeschlossen. Aktuare sind Versicherungsmathematiker.

Neben der Telematik nutzt die HUK-Coburg Data Science im Marketing für die gezielte Kundenansprache oder in der Schaden- und Leistungsbearbeitung zur Betrugserkennung: Auffällige Angaben von Versicherungsnehmern werden mittels Data-Science-Methoden analysiert. Eine andere Anwendung ist die automatisierte Kommunikation mit Kunden über Chatbots.

"Um Data Science künftig noch konsequenter anzuwenden, gründen wir eine Abteilung Data Analytics", sagt John. Sie befindet sich aktuell im Aufbau und soll im Herbst offiziell eröffnet werden. Die mittelfristig rund 15 Mitarbeiter sollen die bestehenden Data-Analytics-Einheiten mit Manpower, Methodik und Technik sowie Budget unterstützten. Aktuell arbeiten bei der HUK-Coburg etwa 30 Datenwissenschaftler. Innerhalb der nächsten zwei Jahre soll sich deren Anzahl etwa verdoppeln.

(axk)