"Return to Monkey Island" im Test: Altes Genre, neuer Charme

Erneut stellt sich Möchtegern-Pirat Guybrush Threepwood seinem ewigen Widersacher LeChuck. Kann "Return to Monkey Island" mit den Kult-Vorgängern mithalten?

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(Bild: Terrible Toybox)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Gerald Himmelein
Inhaltsverzeichnis

Eine schnelle Zusammenfassung für alle, die es eilig haben: Macht "Return to Monkey Island" Spaß? Ja. Macht "Monkey Island 6" auch Spaß, ohne die Vorgänger gespielt zu haben? Durchaus. Werden Rätseltiefe und Gameplay den Vorgängern gerecht? Ziemlich. Löst Ron Gilbert tatsächlich den Cliffhanger von "Monkey Island 2" auf? Jein. Ist das wirklich das Ende der Serie? Kann sein, muss aber nicht.

Seit dem letzten "Monkey Island" sind 13 Jahre vergangen, 32 Jahre seit dem ersten Spiel. Die Geschichte vom jungen Guybrush Threepwood, der auf dem Weg zu seinem Traumberuf Pirat mit dem Geisterpiraten LeChuck aneinandergerät, war einst eine Idee von Ron Gilbert – mit Unterstützung von Dave Grossman und Tim Schafer.

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Die ersten beiden Monkey-Island-Adventures gelten als Meilenstein des Genres. Danach verließ Gilbert das Entwicklerstudio Lucasarts; Spiele 3 bis 5 entstanden mit bestenfalls minimalem Input des Erfinders. Beim jetzt erschienenen fünften Sequel stehen wieder Gilbert und Grossman am Steuerrad. Für die Story und Umsetzung haben Publisher Devolver Digital und Lizenzinhaber Disney den Entwicklern freie Hand gegeben.

Zwei Jahre lang hatte ein 25-köpfiges Team still und leise das Sequel entwickelt. Durch die konsequente Geheimhaltung konnten sich Gilbert, Grossman & Co. den Rücken freihalten, um nicht von Fans mit Forderungen und wohlmeinenden Vorschlägen zugeschüttet zu werden. Sie haben konsequent ihr Ding durchgezogen, und jetzt ist es da – zuerst einmal für Windows/Steam und die Nintendo Switch.

Auf die ersten Bilder vom Spiel folgten die üblichen Aufschreie: Wie sieht denn Guybrush plötzlich aus? Dann kam der erste Gameplay-Trailer: Moment, keine Verben? Sakrileg. Vor neun Jahren hatte Ron Gilbert spontan eine Liste zusammengehackt, wie er sich ein neues "Monkey Island"-Adventure vorstellte: als Retro-Spiel im Pixel-Look, ohne Tutorial oder Hinweise im Spiel. Das alles ist "Return to Monkey Island" dann nicht geworden.

So beteuert Gilbert schon seit Monaten, "Return to Monkey Island" sei kein Retro-Adventure. Damit meinen die Entwickler nicht etwa, dass das sechste Spiel seine Vorfahren links liegen lässt – im Gegenteil: Modernisiert wurden primär Grafik und Gameplay. Die liebevolle Umsetzung, das hohe Niveau der Puzzles und die vielen Gags sind hingegen ganz die Alten.

Zwar knüpft die Handlung tatsächlich, wie vor Urzeiten versprochen, direkt an das Ende von "Monkey Island 2: LeChuck's Revenge" an. Das heißt aber nicht, dass "Return to Monkey Island" alle anderen Fortsetzungen ignoriert. Im Gegenteil: Der Eintrag "Sammelalbum" im Hauptmenü führt zu einer Zusammenfassung der vorangegangenen Spiele mit anklickbaren "Schnappschüssen", Bildern und Souvenirs aus den vergangenen Abenteuern.

"Return to Monkey Island" im Test (6 Bilder)

Ein waschechtes Piratenduell! Gestritten wird vor allem mit Worten.
(Bild: heise online)

Die Macher haben einen eleganten Weg gefunden, um mit dem Ballast umzugehen, den eine 32 Jahre alte Geschichte unweigerlich mitschleppt. Einerseits setzt die Handlung tatsächlich "Monkey Island 2" fort, doch übernimmt sie auch Elemente aus den Teilen 3 bis 5. Um nicht sklavisch an den Verlauf dieser Spiele gebunden zu sein, setzen Gilbert, Grossman & Co. auf einen cleveren erzählerischen Kniff, der Interpretationsspielraum bei den Vorgängern schafft.

"Return to Monkey Island" bietet wieder die Wahl zwischen zwei Schwierigkeitsgraden: Einfach und Schwer. Zusätzlich lässt sich unter "Text und Sprache" der "Writer's Cut" aktivieren: "mehr Geschwafel, schlechteres Erzähltempo". Ich habe den Writer's Cut im schweren Modus gespielt: Wenn "Monkey Island", dann bitte die volle Dröhnung.

Die ersten Schritte im Spiel gehen ziemlich leicht von der Hand. Fährt der Mauszeiger über einen Hotspot – ein Objekt, mit dem der Held interagieren kann – erscheint ein Tooltip, was ein Links- und mit einem Rechtsklick anstellen wird. Bei Unterhaltungen mit anderen Figuren bietet das Spiel zwischen zwei und sechs Optionen, die zu unterschiedlichen Dialogen verzweigen.

Irgendwann weicht das selbstsichere Grinsen dem ersten Stirnrunzeln: Erst da wird deutlich, dass die erste Viertelstunde nur ein sehr gut kaschiertes Tutorial war, um die Bedienung und Möglichkeiten des Spiels vorzuführen. Wer also anfangs über den Schwierigkeitsgrad meckern will, sollte sich ein bisschen gedulden: Das wird noch knifflig genug – und wie.

Im Unterschied zu anderen Adventures bestehen die Puzzles hier nicht nur aus sturem "Kombiniere Gegenstand aus Inventar mit Objekt in Szene": Bei vielen Fundstücken ist es nötig, sie erst anzugucken, bevor sie ins Inventar wandern können. Einige Objekte werden erst freigegeben, nachdem Guybrush erfolgreich Dialoge mit anderen Spielfiguren absolviert hat. Zur Lösung einiger Aufgaben muss heftig um die Ecke gedacht werden – glücklicherweise nie ganz so schlimm wie das Puzzle mit der Pumpe in "Monkey Island 2", dessen Auflösung Gilbert und Grossman heute noch bedauern.

Abgesehen von einer wesentlichen Ausnahme sind alle Sprecher der vergangenen "Monkey Island"-Spiele auch für dieses Spiel zurückgekehrt. Dominic Armato ist wieder Guybrush Threepwood, Alexandra Boyd spricht Elaine, Denny Delk ist der sarkastische Totenkopf Murray. Eine neue Stimme hat hingegen Oberschurke LeChuck: Earl Boen ist seit fünf Jahren im Ruhestand, doch Jess Harnell schlägt sich in der Rolle genauso wacker.

Wie bei "Monkey Island" üblich gibt es nur englischsprachige Sprachausgabe, die jedoch mit deutschen Untertiteln versehen ist. Die Grafiken im Spiel sind eingedeutscht, wo sinnvoll – so heißt es zwar weiterhin "Mêlée Island", aber "Stan's Gebraucht-Schiff-Basar". Auch die gewohnten Komponisten sind wieder von der Partie.

Der Soundtrack von "Return to Monkey Island" klingt fantastisch und erneuert die interaktiven Ideen seiner Vorfahren. Kurzes Schwelgen in Spiel-Urgeschichte: "Monkey Island 2" war das erste Spiel mit einem interaktiven Soundtrack, bei dem sich die Musik synchron und reibungslos an das Spielgeschehen anpasste. Was heute fast jedes Spiel beherrscht, war seinerzeit revolutionär.

Auch bei "Monkey Island 6" schöpfen die Komponisten die Möglichkeiten zur dynamischen Musikanpassung voll aus: Durchquert Guybrush die Piratenkneipe "Scumm Bar", erklingen in exakt dem Moment E-Gitarren im Mix, in dem bestimmte Figuren ins Bild kommen. Geht Guybrush wieder ein paar Schritte nach links, verschwinden die Gitarren wieder aus dem Arrangement.

Grafisch bleibt das Adventure konsequent zweidimensional. Wenn Guybrush also in einer Szene die Gehrichtung ändert, wechselt das Spiel die Figur aus, statt ein 3D-Modell zu drehen. Das bedeutet aber nicht, dass alle Szenen flach wären. Es ist durchaus eine Perspektive da: Wenn Guybrush in einer Szene nach hinten geht, wird die Figur entsprechend kleiner.

Bei "Monkey Island"-Veteranen hat der verwendete Grafikstil schon bei der Veröffentlichung der ersten Videos angeeckt. Jedoch hat Guybrush in den vergangenen fünf Spielen sechsmal (!) den Look gewechselt, von Pixelhaufen über Zeichentrick zu Echtzeit-3D. Da wirkt ein neuer Richtungswechsel nur konsequent – das Beibehalten eines der vorangegangenen Looks hätte vermutlich für genauso viel Unmut gesorgt.

Das Grafik-Design stammt von Rex Crowle und erinnert an sein früheres "Knights and Bikes" – nur ist es hier deutlich stimmiger umgesetzt. Aus vergangenen Spielen bekannte Figuren und Locations sind in jedem Fall wiederzuerkennen. Nur bei einigen Nebenfiguren wirkt die Gesichtsanimation etwas merkwürdig. So verziehen sich etwa bei den Piraten in der Scumm Bar die Köpfe beim Sprechen wie Gummi. Das lässt sich aber durchaus als Stil sehen; lieblose Machart kann man "Return to Monkey Island" definitiv nicht vorwerfen.