Digitaler Euro: Klassische Banken fühlen sich ausgebootet

Anfangs war der digitale Euro als Ergänzung zum Bargeld gedacht. Aktuelle Überlegungen der EZB gingen deutlich weiter, beklagen Vertreter von Geschäftsbanken.

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(Bild: SWKStock/Shutterstock.com)

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Mit dem bei der Europäischen Zentralbank (EZB) laufenden Projekt zum Ausloten der Chancen eines digitalen Euro zeichnen sich zunehmende Konflikte mit den Geschäftsbanken ab. Das Vorhaben sei am Anfang als Ergänzung zum Bargeld angedacht gewesen, erklärte Jens Holeczek, Gruppenleiter Digitale Zahlungssysteme beim Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken, am Mittwoch bei einem Parlamentarischen Abend der Initiative Deutsche Zahlungssysteme in Berlin. Der mittlerweile debattierte Ansatz gehe weit darüber hinaus.

Aktuell werde auf EZB-Ebene darüber diskutiert, dass der digitale Euro auf ein Konto laufen solle, also nicht nur über eine inhaberbezogene elektronische Geldbörse (Wallet) abgewickelt werde, führte Holeczek aus. Ferner sollten Schnittstellen genutzt werden, die aufgrund der Zahlungsdienste-Richtlinie PSD2 vorgeschrieben seien.

Besonders übel stoßen dem Experten Überlegungen im EZB-Umfeld auf, wonach mit dem digitalen Euro "beliebig große Transaktionen" getätigt werden könnten. Damit "gehen Einlagen flöten", monierte Holeczek. Viele Kunden bräuchten so gar kein privates Girokonto mehr. Offen bleibe nur, wer ihnen dann einen Dispokredit oder einen Hausbau finanziere. Sogar für automatisierte Bezahlungen von Maschine zu Maschine seien die digitalen europäischen Münzen im Gespräch. Kanada und Japan etwa hätten sich dagegen dafür entscheiden, virtuelles Zentralbankgeld gar nicht an die Bürger auszugeben.

Die EZB startete im Juli 2021 eine zweijährige Untersuchungsphase rund um die potenzielle Digitalwährung mit dem Fokus auf Technologie und Datenschutz. Ein digitaler Euro könnte sich "als zu erfolgreich erweisen", hatte Fabio Panetta, Mitglied des EZB-Direktoriums, 2021 bereits zu bedenken gegeben. Es wäre verlockend, solche sicheren, liquiden Vermögenswerte "potenziell in großen Mengen und ohne Kosten" zu halten. Gerade in Krisenzeiten sei so eine Flucht weg von den Geschäftsbanken hin zur Zentralbank vorstellbar.

Zum Gegensteuern brachte der Italiener die Option ins Spiel, "die Menge an digitalen Euro zu begrenzen, die einzelne Nutzer halten können". Eine andere Möglichkeit wäre ihm zufolge, Strafzinsen auf digitale Euro-Bestände oberhalb eines bestimmten Schwellenwerts zu erheben. Er nannte dabei eine Grenze von 3000 Euro. 100 Prozent Privatsphäre seien mit einem solchen Ansatz aber nicht zu garantieren: Eine Kontrollbehörde müsste etwa feststellen können, ob eine Person zwei verschiedene, etwa an unterschiedliche Smartphones geknüpfte Konten mit Digitaleuros habe.

Schon mit 3000 Euro könnten 80 Prozent der Bürger ihre monatlichen Ein- und Ausnahmen bestreiten, hielt Holeczek dagegen. Für sie würde ein Konto bei der EZB für die virtuelle Währung so reichen. Der parlamentarische Finanzstaatssekretär Florian Toncar (FDP) versprach, die Bundesregierung werde sehr genau darauf achten, dass der digitale Euro nicht die Grundarchitektur des Finanzsystems ändere: Die EZB solle nicht ins Privatkundengeschäft einsteigen mit Wallets und Kontoauszügen. Es gelte, das Zahlungsmittel sinnvoll zu begrenzen und "nicht als schrankenloses Instrument" anzubieten.

"Auf einmal sollen Zahlungsströme nachgebildet werden", wunderte sich auch Ingo Limburg, Vorstandsvorsitzender der Initiative Deutsche Zahlungssysteme. Die Reichweite des Pilotprojekts "ändert sich offenbar ständig". Horst Rüter vom EHI Retail Institute monierte, dass die EZB "dummerweise Amazon die Möglichkeit gegeben" habe, die technische Prüfung des digitalen Euro durchzuführen. Solche Tests könnten auch europäische Konzerne wie Ikea, die Media-Saturn-Holding oder die Otto-Gruppe machen.

Die EZB sei gerade dabei, die verschiedenen Interessen auszutarieren, warnte Dorothea Mohn vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) vor einer verfrühten Abschreibung des digitalen Euro. Es sei wichtig, eine europäische Infrastruktur zu stärken, die resilient sowie universell und grenzüberschreitend zu guten Konditionen einsetzbar sei. Nachdem die European Payment Initiative (EPI) diese Ziele zunächst nicht erreicht habe, könnte der digitale Euro nun auch genutzt werden, um ein Gegengewicht zu US-Finanzdienstleistern wie Paypal, Mastercard und Visa zu schaffen.

Alles komme auf die Ausgestaltung des Prestigeprojekts an, betonte Mohn. Dieses könne die Vorteile des Bargelds in die digitale Welt übertragen und ein "konkurrierendes Instrument" im Markt zur Verfügung stellen, was gut für die Kostenentwicklung sei. Generell dürften aus Verbrauchersicht bei virtuellen Zahlungsmitteln Daten nicht missbraucht werden. Betrug und Diebstahl müssten "ohne Wenn und Aber kompensiert werden". Der Verband achte zudem auf Abhängigkeiten von einzelnen Akteuren und eine zunehmende Marktkonzentration, die sich auch negativ auf die Preise auswirken könnten.

Der digitale Euro sollte sich von Krypto-Vermögenswerten wie Bitcoin unterscheiden, unterstrich Sabine Grützmacher, Expertin für digitale Finanzthemen der Bundestagsfraktion der Grünen. Sie wolle nicht einen Kaffee trinken und 15 Minuten warten müssen, bis das energiehungrige Konsens- und Schutzverfahren "Proof of Work" erledigt sei. Die Politik könne dafür Vorgaben etwa zur Datensparsamkeit machen, wie es Deutschland und vier weitere EU-Staaten jüngst forderten. Für sie stehe ferner außer Frage, dass der digitale Euro nicht als Kapitalanlage nutzbar sein sollte. Bislang habe der Gesetzgeber auch die Chance verpasst, den neuen Personalausweis mit dem elektronischen Identitätsnachweis (eID) mit Bezahlvarianten zu koppeln.

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Toncar bedauerte, dass die EPI im ersten Anlauf als Lösung "nicht voll auf die Schiene gesetzt werden konnte". Das wirtschaftlich attraktive Potenzial, kostengünstige einfache Bezahllösungen für 500 Millionen Bürger auf dem EU-Binnenmarkt anzubieten, werde nach wie vor nicht ausgeschöpft. Es gelte daher Lücken zu identifizieren und die EPI stärker mit Applikationen und Wallet-Lösungen für den digitalen Euro in Verbindung zu bringen.

Die EPI komme in abgespeckter Version, zeigte sich Limburg zuversichtlich. Laut einer repräsentativen Allensbach-Umfrage im Auftrag des Netzwerks für bargeldlose Zahlungssysteme fänden es 45 Prozent der Bundesbürger wichtig, dass es künftig verstärkt europäische Bezahlsysteme als Konkurrenz zu US-amerikanischen gibt. Zudem sprächen sich 61 Prozent der Bevölkerung dafür aus, dass die EU beim Zahlungsverkehr unabhängiger von den USA sein sollte. 57 Prozent empfänden es als besonders wichtig, dass der Daten- und Verbraucherschutz dann strenger gehandhabt werden könne.

Ende des Jahres dürfte Neues von der EPI zu hören sein, ließ Matthias Lange vom Bundesverband deutscher Banken durchblicken. Das Thema Karte bleibe außen vor, da hier Mitgliedsstaaten wie Deutschland mit der Girocard schon starke nationale Lösungen hätten und der Markt weitgehend gesättigt sei. Nachdem es die hiesigen Banken geschafft hätten, die Girocard "ins Internet zu bekommen", müsse deren "Digitalisierung" ins Smartphone nun schnell vorangebracht werden.

Schwachpunkte der Girocard etwa bei Mietwagen, Restaurants und App-to-App-Bezahlungen würden rasch behoben, versprach Oliver Hommel, Geschäftsführer der Euro-Kartensysteme. Der Formfaktor der Karte werde an Bedeutung verlieren. Am besten wäre es, wenn die Verbraucher das Portemonnaie oder das Handy künftig gar nicht mehr zücken müssten, sondern im Hintergrund automatisiert bezahlen könnten.

(olb)