Gutachter fordern Pflichtfach Informatik an Schulen

In einem Gutachten zur Digitalisierung des Bildungssystems fordert eine Kommission der Kultusministerkonferenz verpflichtenden Informatik-Unterricht.

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(Bild: peampath2812/Shutterstock.com)

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Von
  • Dorothee Wiegand

Ein umfangreiches Gutachten zur Digitalisierung im deutschen Bildungssystem stellt großen Nachholbedarf fest – bei Bildungsinhalten und Lernmaterial ebenso wie bei der Ausbildung von Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften. Es enthält Handlungsempfehlungen für Maßnahmen von der frühen Bildung bis zur Hochschule. Verfasst hat es die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK), ein Beratungsgremium der Kultusministerkonferenz (KMK). 2020 hatte die KMK die Einrichtung dieser Kommission beschlossen, Anfang Mai 2021 dann die 16 Mitglieder der SWK berufen.

Mit Blick auf die frühe Bildung empfehlen die Verfasser des Gutachtens, die Medienbildung als Bildungsziel in Rahmenpläne für Kitas und Kindergärten aufzunehmen. Auch die Weiterbildung der Fachkräfte in Vorschuleinrichtungen steht auf der Liste der Empfehlungen.

Die zentrale Forderung für allgemeinbildende Schulen ist nicht neu: In ganz Deutschland soll spätestens ab dem Schuljahr 2024/25 Informatik als Pflichtfach in der Sekundarstufe I unterrichtet werden, wie es etwa die Gesellschaft für Informatik schon lange vorschlägt. Direkt damit verbunden ist die Empfehlung, in allen Bundesländern deutlich mehr Informatik-Lehrkräfte auszubilden. Zudem raten die Autoren dazu, dauerhaft länderübergreifende Zentren für digitale Bildung einzurichten. Personen mit einer IT-Ausbildung sollten leichter eine Gelegenheit zum Quereinstieg bekommen. Außerdem schlägt die SWK vor, dass es für das Lehramt Informatik auch die Option eines "Ein-Fach-Studiums" geben soll.

Bereits in der Primarstufe sollen laut Gutachten Inhalte der Informatik im Sachkundeunterricht verpflichtend unterrichtet werden.

(Bild: Sebastian Kahnert, dpa)

Der Co-Vorsitzende der SWK, Olaf Köller, sagte bei der Vorstellung der Empfehlungen: "Wir stehen vor epochalen Veränderungen". Die Bildungsminister der Länder stimmen dem grundsätzlich zu, haben aber auch Fragen. Ties Rabe (SPD), Senator für Schule und Berufsbildung in Hamburg, bezeichnete den Vorschlag eines Pflichtfachs Informatik als sinnvoll, gibt aber zu bedenken: "Es ist allerdings ein umfangreiches Unterfangen, bedeutet es doch, dass in anderen Schulfächern Stunden gestrichen werden müssen, um Informatik zu ermöglichen." Der hessische Kultusminister Alexander Lorz (CDU) kommentierte die Empfehlungen so: "Bei neuen Unterrichtsinhalten und -angeboten stellt sich aber stets die Frage, auf welche anderen wir stattdessen verzichten können. Hier erhoffen wir uns ebenso Hinweise und Empfehlungen der Wissenschaft, da man nicht alles, was Schule künftig leisten soll, immer noch obendrauf packen kann."

Die Digitalisierung des Bildungswesens fand in der KMK lange Zeit kaum Beachtung. Ende 2016 veröffentlichte die KMK unter dem Titel "Bildung in der digitalen Welt" erstmals einen Beschluss zu einer gemeinsamen Digitalstrategie der Länder. Ende 2021 erschien die ergänzende Empfehlung "Lehren und Lernen in der digitalen Welt". Dieses Papier spiegelt auch die Erfahrungen aus der Phase der Pandemie wider. Es hebt die Bedeutung veränderter Lehr- und Lernprozesse sowie der Schulentwicklung hervor.

Diese ergänzende Empfehlung sei in einem sehr offenen Diskurs entstanden, berichtet Uta Hauck-Thum, Professorin am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und -didaktik der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Verglichen damit sei das nun veröffentlichte Gutachten ein deutlicher Rückschritt. 2021 habe man mit rund 80 Bildungsexperten online über eine neue Kultur der Digitalität und eine veränderte Prüfungskultur diskutiert. "Es geht um Veränderungen des Lehrens und Lernens, um Zukunftsrelevante Kompetenzen und ein verändertes Fehlerverständnis – und nicht darum, dass Kinder künftig schon in der Kita ihren Medienführerschein machen", so Hauck-Thum.

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(dwi)