Tiktok: Wortfilter schränken Meinungsfreiheit ein

Tiktok soll Wortfilter eingesetzt haben, die den öffentlichen Diskurs zu Themen wie etwa Homosexualität und den Ukraine-Krieg eingeschränkt haben.

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(Bild: Primakov/Shutterstock.com)

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Der Kurzvideodienst Tiktok setzt Wortfilter ein, die die Meinungsfreiheit in Deutschland einschränken. Das geht aus einem Bericht nach gemeinsamen Recherchen des NDR, WDR und der Tagesschau am Mittwoch hervor. Demnach handele es sich um "mindestens 20 Wörter", nach denen Kommentare automatisiert gefiltert und gegebenenfalls für die Öffentlichkeit blockiert werden. Darunter befinden sich Begriffe wie "Nazi", "Sklaven", "Gas" sowie "LGBTQ" und "schwul".

Dem Bericht nach haben NDR, WDR und Tagesschau bei ihren Recherchen 70 Wörter und Wortkombinationen ausprobiert, um die Wortfilter einzugrenzen. Dabei stellten sie fest, dass Kommentare, die lediglich einen der 20 ermittelten Begriffe enthielten, nicht öffentlich angezeigt wurden. Das testeten sie mit unterschiedlichen Tiktok-Accounts jeweils viermal mit den Standardeinstellungen für den Kommentarbereich.

Tiktok durchsuche Kommentare proaktiv, die "gegen unsere Richtlinien verstoßen oder Spam-Verhalten darstellen", zitieren die Sender und die Tagesschau Tiktok als Reaktion auf die Vorwürfe. In den vorliegenden Fällen sei ein Fehler unterlaufen. Die Kommentare seien "fälschlicherweise als potenziell schädlich gekennzeichnet" worden. Um das künftig zu vermeiden, will Tiktok dem Bericht nach weitere Maßnahmen ergreifen. So sollen die automatischen Filter-Algorithmen verbessert werden. Auch wolle man Forscherinnen und Forschern einen Zugang zu der Moderationssystem-API geben, um Verbesserungen zu erzielen.

Davon, dass die betroffenen Kommentare nicht öffentlich erschienen, erfuhren die Kommentierenden nichts. Dadurch sei der Eindruck entstanden, die Kommentare seien öffentlich. Tatsächlich sei für die Nutzerinnen und Nutzer nicht ersichtlich gewesen, dass ihre Kommentare nicht sichtbar waren. Auch über mögliche Verstöße gegen die Richtlinien von Tiktok wurden sie nicht informiert. Zudem haben die automatischen Wortfilter Kommentare gefiltert, die eine Diskussion über bestimmte Themen wie etwa Homosexualität damit ausklammerten. Gefiltert worden sein sollen auch Begriffe wie "Klimakrise" und "Klimawandel" sowie Begriffe im Umfeld des Ukraine-Krieges wie etwa "Spezialoperation" und "Völkerrecht".

Automatisierte Wortfilter seien eine kostengünstige Methode, um sich die Moderation durch Menschen einzusparen, heißt es in dem Bericht weiter. Zugleich sind sie aber fehlerbehaftet und können den öffentlichen Meinungsaustausch einschränken. Dem Moderationssystem von Tiktok fehle es an Transparenz, bemängelt ein Medienwissenschaftler dem Bericht nach.

NDR, WDR und Tagesschau hatten bereits im Februar 2022 zu dem Thema recherchiert und auf automatisierte Wortfilter bei Tiktok hingewiesen. Daraufhin seien einige Filterbegriffe von Tiktok gelöscht worden. Zudem hatte Tiktok versprochen, das Verfahren zu überdenken. Nach Angaben der Sender und der Tagesschau seien zunächst etwa Begriffe wie "LGBTQ", "gay" und "Hetreosexuelle" aus der Wortliste herausgefallen, nun aber erneut wieder unter den Filterbegriffen aufgetaucht.

(olb)