Sabotage bei der Bahn: Polizei sucht nach den Tätern

Gekappte Kommunikationskabel sorgten am Samstag für Chaos bei der Bahn in Norddeutschland. Polizei und Deutsche Bahn gehen von Sabotage aus.

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(Bild: Deutsche Bahn AG / Volker Emersleben)

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Nachdem Unbekannte wichtige Kommunikationskabel für den Schienenverkehr der Deutschen Bahn zerstört hatten, sucht die Polizei nach den Tätern. Die Ermittlungen würden dabei in alle Richtungen geführt, erklärte die Bundespolizei. Am Abend wurden die Ermittlungen dann an das Landeskriminalamt in Berlin übergeben, wie Sprecher der Bundespolizei und des Berliner Lagezentrums am frühen Sonntagmorgen bestätigten.

"Wir haben einen Tatort in Berlin-Hohenschönhausen", sagte ein Sprecher der Bundespolizeidirektion Berlin der Deutschen Presse-Agentur. "Ein weiterer befindet sich in Nordrhein-Westfalen." Aus Sicherheitskreisen hieß es, es seien am Karower Kreuz in Berlin und in Herne in NRW vorsätzlich Lichtwellenleiterkabel beschädigt worden. Auch das Backup-System sei damit ausgefallen und damit auch der Zugfunk, GSM-R, mit dem der Zugverkehr gesteuert wird. Darauf fiel in Norddeutschland zeitweise der gesamte Bahnverkehr aus.

"Aktuell ist von einer zielgerichteten Fremdeinwirkung von außen auf Kabel der Deutschen Bahn auszugehen", sagte der Sprecher. Zu weiteren Details könne er auch aus ermittlungstaktischen Gründen keine Auskunft geben.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte zuvor gesagt, die Störungen gingen auf Sabotage an zwei Standorten zurück. "Es wurden Kabel mutwillig und vorsätzlich durchtrennt, die für den Zugverkehr unverzichtbar sind." Die Bahn sei Ziel eines Anschlags geworden. So sieht auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser laut einem Tweet die Lage.

Grünen-Chef Omid Nouripour forderte angesichts der Tat Verbesserungen beim Schutz der kritischen Infrastruktur. "Der heutige Anschlag auf die Kabelverbindungen der Bahn hat Chaos auf den Bahnhöfen, Verzögerungen in den Lieferketten und massive Verunsicherung in der Bevölkerung ausgelöst", sagte Nouripour der dpa. Die kritischen Infrastrukturen und damit wir alle seien angreifbar und verletzlich.

Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, meinte laut dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, "jetzt ist die Stunde der Polizeiermittlungen und nicht der Spekulationen. Wir sind alle gut beraten, in Ruhe die Ergebnisse abzuwarten". Unabhängig von diesem konkreten Fall müsse über die Sicherheitsarchitektur Deutschlands und der EU neu nachgedacht werden.

Betroffen von der Sabotage waren der Fern- und teils auch der Regionalverkehr der Deutschen Bahn in weiten Teilen Norddeutschlands. Unzählige Fahrgäste strandeten an den großen Bahnhöfen wie Hannover, Hamburg und Berlin. An Auskunftsschaltern bildeten sich lange Warteschlangen. Im Laufe des Vormittags meldete die Bahn, dass die Störung behoben sei.

Auch internationale Verbindungen waren betroffen. So fuhren keine IC-Züge zwischen Berlin und Amsterdam. IC-Züge von Kopenhagen endeten an der dänisch-deutschen Grenze in Padborg. RE- und RB-Verbindungen in Niedersachsen, Bremen und Schleswig-Holstein standen still.

GSM-R (Global System for Mobile Communications-Railway) ist ein Mobilfunkstandard ausschließlich für den Eisenbahnverkehr. Die Deutsche Bahn nutzt den Standard für die betriebliche Sprach- und Datenkommunikation. Mit dessen Entwicklung begann der internationale Eisenbahnverband UIC (Union Internationale des Chemins de fer) 1992. GSM-R sollte nicht nur den bis dahin üblichen Analogfunk ablösen, sondern auch einen einheitlichen Standard für alle Eisenbahnunternehmen darstellen und mehr Möglichkeiten als die reine Sprachkommunikation bieten.

GSM-R ist unter anderem auch Bestandteil des europäischen Zugbeeinflussungssystems ETCS (European Train Control System). Per Mobilfunk tauschen Zug und Infrastruktur Informationen aus, beispielsweise über erlaubte Geschwindigkeit und Signalzustände. ETCS soll in Deutschland in verschiedenen Ausbaustufen die bislang verwendeten Zugbeeinflussungssysteme PZB (Punktförmige Zugbeeinflussung) und LZB (Linienförmige Zugbeeinflussung) auf einigen Strecken ablösen.

Im August 2021 waren 340 Streckenkilometer mit ETCS ausgerüstet, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervorging. GSM-R wird auf 130.000 Streckenkilometer eingesetzt, es soll in den nächsten Jahren durch das Future Railway Mobile Communication System (FRMCS) ersetzt werden.

(anw)