Webcam-Pflicht verweigert: Schadenersatz für gekündigten Mitarbeiter

Ein Niederländer sollte im Homeoffice permanent eine Webcam anhaben und wurde nach Weigerung gefeuert. Zu Unrecht, befand ein Gericht.

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(Bild: Wit Olszewski/shutterstock.com)

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Das US-Software-Unternehmen Chetu muss einem gekündigten Angestellten aus den Niederlanden Schadenersatz leisten, der sich geweigert hatte, im Homeoffice mit permanent angeschalteter Webcam zu arbeiten. Das entschied vor Kurzem das niederländische Bezirksgericht Zeeland-West-Brabant. Insgesamt muss das Unternehmen rund 75.000 Euro zahlen wegen einer unrechtmäßigen Kündigung.

Dem Gerichtsdokument nach sei der Mann seit 2019 im Vertrieb für die niederländische Niederlassung Chetus tätig gewesen – und das ausschließlich vom Homeoffice aus. Am 23. August dieses Jahres teilte ihm das Unternehmen mit, er müsse künftig an einem "Corrective Action Program ("CAP") – Virtual Classroom" teilnehmen. Das erfordere, dass er den ganzen Arbeitstag eingeloggt bleibe, seinen Bildschirm teile und eine Webcam in Betrieb habe.

Die Webcam habe der Mann aber verweigert und auf wiederholte Aufforderungen seines Arbeitgebers erklärt: "Ich fühle mich nicht wohl dabei, 9 Stunden am Tag von einer Kamera überwacht zu werden. Das ist ein Eingriff in meine Privatsphäre und ich fühle mich sehr unwohl. Sie können bereits alle Aktivitäten auf meinem Laptop überwachen und ich gebe meinen Bildschirm frei." Am 26. August habe er dann eine Kündigungsmail erhalten. Inhalt: "Ihr Arbeitsverhältnis ist hiermit beendet. Grund: Arbeitsverweigerung; Ungehorsam".

Das Gericht sah die fristlose Kündigung als unwirksam an, weil die überaus knappe Mail den Kündigungsgrund nicht hinreichend deutlich gemacht habe. Es habe auch keine Hinweise auf eine tatsächliche Verweigerung der Arbeit seitens des Gefeuerten gegeben.

Ebenfalls nahm das Gericht die Überwachungspraxis des Unternehmens aufs Korn. Chetu habe gegenüber dem Mann argumentiert, dass die Webcam auch nicht anders sei, als wenn er bei einer Präsenzarbeit im Büro von allen gesehen werden könne. Auch wenn man davon ausgehe, dass die Aufzeichnungen nicht gespeichert und damit keine Fragen des Datenschutzes berührt würden, sei die Videoüberwachung immer noch ein schwerer Eingriff in die Privatsphäre ohne rechtfertigenden Grund, befand das Gericht. Von einer Weigerung des Mitarbeiters, einer zumutbaren Anordnung oder Weisung nachzukommen, könne hier keine Rede sein.

Die Richter bezogen sich dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der hatte im November 2017 festgestellt, dass die Videoüberwachung eines Mitarbeiters am Arbeitsplatz ein erheblicher Eingriff in die Privatsphäre sei und damit auch in Grund- und Menschenrechte. Eine solche Überwachung erfordere besondere Legitimation.

(axk)