Biometrische Überwachung: EU-Ratsspitze fordert mehr Spielraum für die Polizei

Die tschechische Regierung drängt im EU-Rat auf mehr Spielraum für die Behörden beim Einsatz biometrischer Verfahren in der Strafverfolgung.

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(Bild: Alexander Kirch / Shutterstock.com)

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Der Vorschlag der EU-Kommission für ein weitgehendes Verbot der Videoüberwachung mit biometrischer Echtzeiterkennung schränkt nach Ansicht der tschechischen Präsidentschaft des EU-Rates Strafverfolger zu stark ein. Die Tschechen drängen auf erweiterte Möglichkeiten für den Einsatz biometrischer Verfahren, insbesondere für die Polizei. Das geht aus dem im mittlerweile vierten Kompromissvorschlag für eine gemeinsame Position des Rates hervor, der heise online vorliegt.

Die Kommission hatte vor anderthalb Jahren ein grundsätzliches Verbot "biometrischer Echtzeit-Fernidentifizierung im öffentlichen Raum" vorgeschlagen. Das würde unter anderem den Einsatz von Videoüberwachung mit automatisierter Gesichtserkennung betreffen, wie ihn die Bundespolizei am Berliner Bahnhof Südkreuz getestet hat. Ausnahmen sollten für die gezielte Suche nach Schwerverbrechern, Opfern oder vermissten Kindern gelten sowie bei konkreter Terrorgefahr.

Die slowenische Ratspräsidentschaft hatte sich im vergangenen Jahr dafür ausgesprochen, jegliche Echtzeiterkennung in der Öffentlichkeit zu untersagen und eine entsprechende Passage gestrichen. Die Tschechen haben diese nun wieder eingefügt, um "Zweifel an der möglichen Einbeziehung von Systemen zur Identifizierung auszuräumen, die nicht unter diese Definition fallen sollten". Dabei gehe es etwa um Techniken, um Fingerabdrücke einer Person zuzuweisen und diese so namentlich zu erkennen.

Biometrische Fernerkennungssysteme "werden in der Regel dazu verwendet, mehrere Personen oder deren Verhalten gleichzeitig zu erfassen (zu scannen)", erläutert die Ratsspitze in dem als vertraulich eingestuften Papier vom Mittwoch. Sie könnten die Identifizierung einer Reihe von Individuen ohne deren aktive Beteiligung erheblich erleichtern. Ferner wollen die Tschechen durchsetzen, dass Gefängnisse und Grenzkontrollbereiche nicht unter die Definition öffentlich zugänglicher Räume fallen.

Insbesondere sollen Strafverfolgungs-, Grenzkontroll-, Einwanderungs- oder Asylbehörden laut dem Papier in der Lage sein, im Einklang mit dem EU-Recht oder nationalen Gesetzen Informationssysteme zu nutzen, um eine Person auch gegen ihren Willen zu identifizieren. Dabei könne es sich etwa um ein an einer Straftat beteiligten Individuum handeln, das nicht kooperiere oder aufgrund eines Unfalls oder einer Erkrankung nicht fähig sei, den Behörden seine Identität zu offenbaren.

Die Rufe nach einem generell Bann biometrischer Massenüberwachung etwa aus der Zivilgesellschaft, der Forschung, der Bundesregierung oder den Datenschutzaufsichtsbehörden drohen auf Ratsebene so ungehört zu verhallen. Auch die Verhandlungsführer des EU-Parlaments kamen an dieser Front noch auf keinem grünen Zweig, obwohl die Abgeordneten im Plenum hier bereits ein Verbot gefordert hatten.

Bei manipulierten Bild-, Audio- oder Videoinhalten wie Deepfakes enthält der bisherige Verordnungstext eine Auflage zu einer entsprechenden Kennzeichnung. Dies gilt laut der Ratsführung aber nicht, "wenn die Verwendung gesetzlich zur Aufdeckung, Verhütung, Untersuchung und Verfolgung von Straftaten zugelassen ist oder wenn der Inhalt Teil eines offensichtlich kreativen, satirischen, künstlerischen oder fiktionalen Werks oder Programms ist".

Sicherstellen wollen die Tschechen auch, dass Innovationen im Bereich von KI-Systemen stärker gefördert werden. So sollen nationale Stellen etwa einfacher sogenannte "regulatorische Sandkästen" einrichten können, in denen Techniken weitgehend frei ausprobiert werden können. Das Erstellen öffentlicher Abschlussberichten dazu wird dem Papier nach obligatorisch, um aus den Erfahrungen lernen zu können.

Die Präsidentschaft will die Änderungen am Dienstag bei einem Treffen der Arbeitsgruppe Telekommunikation erläutern. Die nationalen Delegationen könnten dann noch auf letzte Änderungen drängen, bevor der Standpunkt der Mitgliedsstaaten spätestens bis Dezember offiziell festgezurrt werden soll.

(vbr)