SPD-Innenpolitiker stellt stärkere BSI-Unabhängigkeit in Frage​

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik birgt einiges Konfliktpotenzial für die Koalition, die das BSI eigentlich unabhängiger machen wollte.​

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(Bild: dpa, Oliver Berg)

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Von
  • Falk Steiner
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Nicht nur in der Frage der künftigen Amtsleitung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gerät die Koalition in schweres Fahrwasser. Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Hartmann stellt die im Koalitionsvertrag vereinbarte stärkere Unabhängigkeit des BSI in Frage: Die Bedeutung des BSI für den Schutz kritischer Infrastrukturen verlange nach einer weiterreichenden Aufsicht, gerade auch durch parlamentarische Kontrolle, erklärte Hartmann gegenüber heise online. "Die Anforderungen der Zeitenwende bedeuten auch, alte Denkansätze der zurückliegenden Koalitionsverhandlungen zu hinterfragen."

Die Koalitionspartner wollen davon nichts wissen. "Ich gehe fest davon aus, insbesondere durch aktuelle Notwendigkeiten, dass seitens des Innenministeriums mit Hochdruck an Reformen gearbeitet wird", entgegnet Maximilian Funke-Kaiser, Digitalpolitiker der FDP-Bundestagsfraktion, mit Blick auf das BSI.

Dass das BSI unabhängiger werden müsse, sei nahezu einhellige Expertenmeinung, sagt Konstantin von Notz, Grünen-Innenpolitiker. "Immer wieder kam und kommt es zu ganz erheblichen, offenkundigen Interessenkonflikten zwischen dem Amt und dem Bundesinnenministerium. Das haben die letzten Wochen ja gerade noch einmal deutlich gezeigt." Es gehe nicht um eine nahezu vollständige Unabhängigkeit, wie etwa beim Bundesdatenschutzbeauftragten, sondern in ganz bestimmten Bereichen.

Bislang ist das BSI formal eine nachgeordnete Behörde des Bundesinnenministeriums (BMI) und steht damit neben dem Bundeskriminalamt, dem Bundesamt für Verfassungsschutz und der Bundespolizei. Diese Behörden verfolgen neben der IT-Sicherheit auch sicherheitspolitische Ziele, die anderen Prioritäten unterliegen. Das BSI ist dabei weisungsgebunden.

Während diese Konstellation sinnvoll scheint, wo das BSI für die Informationssicherheit der Netze des Bundes zuständig ist, ist sie bei Sicherheitslücken, der technischen Unterstützung von behördlichem Hacking oder aktiven Gegenmaßnahmen gegen Angriffe ein Zielkonflikt. Genau hier die Unabhängigkeit des BSI sicherzustellen, war Ziel der Vereinbarung im Koalitionsvertrag.

SPD-Politiker Hartmann will hingegen die BSI-Kompetenzen insgesamt prüfen. "Bei der Frage, wie man das BSI zukünftig aufstellen will, muss man sich genau anschauen, welche Funktionen es erfüllen soll", sagt Hartmann. "Es muss mitgedacht werden, ob und inwieweit das BSI gleichzeitig kooperativ mit der Wirtschaft agieren und weitreichende Eingriffe vornehmen kann." Die Aufgabe des digitalen Verbraucherschutzes etwa weiche deutlich von den weiteren Kompetenzen der Behörde ab.

Was Hartmann vorschwebt, ist eine deutliche Abweichung vom bisherigen Kurs: "Ein Aufgabenprofil eines neu aufgestellten BSI, das sich mehr auf die Beratung von Unternehmen und Verwaltung, die Zertifizierung und Prüfung von Produkten sowie die akute Unterstützung bei Vorfällen konzentriert, würde zu einer effektiveren IT-Sicherheitsarchitektur beitragen."

Von einer derartig grundsätzlichen Neuaufstellung steht allerdings nichts im Koalitionsvertrag – und ob die Behörde dann im Geschäftsbereich des Innenministeriums noch richtig aufgehoben wäre, ist fraglich. "Spätestens 2023 sollten Gesetzesentwürfe zur Erreichung der Ziele des Koalitionsvertrages verabschiedet werden", fordert FDP-Digitalpolitiker Funke-Kaiser.

Die FDP hatte vor der Wahl vorgeschlagen, das BSI aus dem Verantwortungsbereich des Innenministeriums herauszulösen. Man könne auch weiterhin über andere Optionen nachdenken, sagt Funke-Kaiser: "Nichtsdestotrotz lässt sich die Unabhängigkeit des BSI ebenso sicherstellen mit dem BMI, wenngleich schwieriger."

Auch der andere Koalitionspartner sieht keinen Nachverhandlungsbedarf zum Koalitionsvertrag. "Wir gehen davon aus, dass diese Vereinbarung weiter gilt", sagt der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Nachrichtendienste, Konstantin von Notz (Grüne). "Statt sie nun in Frage zu stellen, fordern wir, die weitere Sachaufklärung in der Causa Schönbohm sehr entschlossen voranzutreiben, um einen weiteren, durch das bisherige Agieren längst eingetretenen Reputationsverlust in die extrem wichtige Arbeit des Amts zu verhindern."

Das Innenministerium sieht sachlich keinen Zusammenhang. "Die Zielsetzungen des Koalitionsvertrages werden unabhängig von Personalfragen verfolgt", teilt das Haus von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) auf Anfrage mit. Insbesondere die Maßnahmen für eine Zentralstellenfunktion des BSI für Bund und Länder, eine Fortentwicklung des Cyber-Abwehrzentrums und weitere Cyber-Gefahrenabwehrkompetenz bei Bundessicherheitsbehörden sollten in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden.

"Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und das Bundesministerium des Innern und für Heimat arbeiten bei allen Fragen der Fortentwicklung der Cyber-Sicherheitsarchitektur eng und vertrauensvoll zusammen", teilte eine BMI-Sprecherin mit. Dass die Stärkung der Unabhängigkeit des BSI dem BMI derzeit nicht prioritär erscheint, dürfte kein Zufall sein.

(vbr)