USB-C-Zwang der EU: Apple hat diverse Optionen für kommende iPhones

Nach dem EU-Beschluss, USB-C bei Smartphones vorzuschreiben, wird für künftige iPhones eine solche Buchse erwartet. Apple könnte aber ein Schlupfloch nutzen.

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iPhone 14 Pro Max und Pro.
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Florian Müssig
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Kürzlich hat die EU beschlossen, dass unter anderem alle in ihrem Zuständigkeitsbereich verkauften Smartphones ab 2024 mit einer USB-C-Buchse ausgestattet sein müssen und herstellerspezifische Schnittstellen wie Apples Lightning nicht mehr zulässig sind. In einem Interview mit dem Wall Street Journal äußerte sich Apples Marketing-Manager Greg Joswiak denn auch erwartbar, Apple habe gar keine andere Wahl, als dem Gesetz Folge zu leisten.

Diese Aussage kann so verstanden werden, dass Apple seine iPhones in künftigen Iterationen von Lightning auf USB-C umstellen wird. Das wäre naheliegend, denn seit Kurzem hat ja sogar das günstigste iPad den Wechsel vollzogen. Und MacBooks haben USB-C ohnehin seit vielen Jahren.

Man muss aber ebenso zur Kenntnis nehmen, dass Joswiak nicht explizit "wir statten das nächste iPhone mit USB-C aus" gesagt hat. Das kann mit Apples penibler Geheimhaltungsrichtlinie zusammenhängen, vor einem Produktstart keine Infos über neue Geräte zu verraten. Obendrauf wäre es wenig geschickt, jetzt schon ein (sicherlich nicht unwichtiges) Feature eines künftigen iPhones zu verraten, wenn gerade erst der Vorgänger iPhone 14 gestartet ist – oder wegen Bestandsschutzes (das "iPhone 15" kommt schon Ende 2023, also vor Inkrafttreten des USB-C-Zwangs) sogar Vorvorgänger eines ersten USB-C-iPhones.

Eine Analyse von Florian Müssig

Florian Müssig schreibt seit 2005 bei c't über Notebooks und deren Spezialisierungen zu Netbooks, Ultrabooks, Hybriden & Co. Außerdem kümmert er sich um artverwandte Themen wie Akku-Technik.

Dennoch lässt die Aussage auch zwei andere Möglichkeiten zu. So könnte Apple seine iPhones anno 2024 gänzlich aus Europa zurückziehen. Das würde das Gesetz ebenfalls erfüllen, ist zugegebenermaßen angesichts der bisherigen Verkaufszahlen und der Größe des Binnenmarkts aber extrem unwahrscheinlich. Unter dieser Entscheidung würden schließlich auch andere Geschäftsbereiche massiv leiden: Man kann keine Apple Watch ohne iPhone nutzen, und die AirPods-Verkaufszahlen würden zumindest stark einbrechen. Von Diensten wie Apples Fitnesskursen ganz zu schweigen.

Apple hat aber auch noch ein Schlupfloch als Option: Die EU-Direktive spezifiziert die betroffenen Geräteklassen konkret als

Tragbare Mobiltelefone, Tablets, Digitalkameras, Kopfhörer, Headsets, tragbare Videospielkonsolen und tragbare Lautsprecher, soweit sie über eine kabelgebundene Ladefunktion aufladbar sind.

Dieser Nachsatz ist entscheidend. Für rein drahtlos ladbare Geräte gibt es keinerlei Vorgaben – und spielt Apple dem Vernehmen nach nicht schon seit Jony-Ive-Zeiten mit dem Gedanken, iPhones komplett ohne Schnittstellen zu bauen?

Alle technischen Möglichkeiten, so eine Entscheidung nicht zwangsläufig global, sondern eventuell auch nur regional umzusetzen, hat Apple längst in den letzten Jahren angewandt. So hat die Apple Watch in einer den beiden Vertiefungen, die die wechselbaren Armbänder aufnehmen, einen Diagnose-Port, den man als Kunde nicht nutzen kann. Für EU-iPhones könnte Apple also die Lightning-Buchse schlicht als Diagnose-Port definieren und ihre Funktion per Firmware abklemmen.

Firmware-Beschränkungen, um lokalen Gesetzen Folge zu leisten, sind für Apple (und allen anderen global aktiven Hersteller) keineswegs Neuland und betreffen nicht nur Aspekte wie zulässige WLAN- oder Mobilfunkbänder. So können iPhone-Nutzer aus den Vereinigten Arabischen Emiraten kein FaceTime nutzen. Und in Japan kann man beim Bilderknipsen das akustische Auslösegeräusch der Kamera-App nicht abschalten – ja, so ein Gesetz musste dort eingeführt werden, um die Unsitte zu unterbinden, Frauen heimlich unter den Rock zu fotografieren.

Hinsichtlich Design wie Spritzwasserschutz wäre es natürlich sinnvoller, die Buchse dann gleich ganz wegzulassen. Wie das mit minimalem Entwicklungsaufwand funktionieren könnte, zeigt just das iPhone 14: US-Modelle nutzen die gleiche Platine wie iPhones für andere Märkte, aber der SIM-Kartenschacht wird nicht bestückt – weil in den USA nur noch eSIM vorgesehen ist. Die Gehäuse sind entsprechend modifiziert, gar keine Aussparung für einen SIM-Einschub mehr zu haben. Zur Fehlerdiagnose könnte Apple auf MagSafe wechseln: Über die Apple-spezifische Schnittstelle zum drahtlosen Laden ist schließlich auch ein (mindestens rudimentärer) Datenaustausch möglich.

Dennoch: Ein iPhone mit USB-C ist sicherlich die wahrscheinlichste Möglichkeit. Apple hat Lightning mit dem iPhone 5 eingeführt, weil es damals noch keinen verdrehsicheren USB-Anschluss gab (USB-C wurde erst etwa zwei Jahre später spezifiziert), sondern nur friemeliges Micro-USB. Doch seitdem USB-C einen Siegeszug angetreten hat und viele (auch verwirrende!) Neuerungen bekam, hat sich an Lightning seit dem Debüt wenig getan. Datenübertragungen etwa finden immer noch mit USB-2.0-Geschwindigkeit statt. Auch in technischer Hinsicht brächte der Wechsel also etwas für Apple wie Nutzer.

Die von Joswiak im Interview genannte und von Apple präferierte Idee, lieber nur die Ladegeräte zu spezifizieren, aber herstellerspezifische Kabel zuzulassen, ist hinsichtlich Nachhaltigkeit nicht von der Hand zu weisen: Wurde das Kabel zu oft gebogen oder hat die Katze dran genagt, muss man nur dieses ersetzen, aber nicht das Netzteil an sich.

Nur: Diese Option würde anderen Herstellern ebenfalls die Türe öffnen, eigene Buchsen zu entwerfen – und das ist genau der Punkt, dem die EU schon seit über zehn Jahren den Kampf angesagt hat. Und da Apple über das Mfi-Programm (Made for iPhone), das Lightning-Zubehör zertifiziert, viel Geld einnimmt, würden andere Hersteller so einen Geldfluss sicherlich ebenfalls gerne mitnehmen.

Der nächste potenzielle Knatsch zwischen Apple und der EU wirft derweil schon seine Schatten voraus: Ab 2026 soll die USB-C-Direktive dann nämlich auch für Notebooks gelten. Moment mal: Haben die MacBooks nicht längst alle USB-C und lassen sich darüber laden? Ja – aber der Teufel steckt im Detail.

So schafft USB-C beziehungsweise der zugehörige Ladestandard USB Power Delivery derzeit nur eine Ladeleistung bis zu 100 Watt. Eine Erweiterung bis 240 Watt namens Extended Power Range (EPR) wurde bereits festgezurrt, aber bis die in der breiten Masse bei größeren und leistungsstarken Notebooks (MacBook Pro, Gaming, ...) ankommt, wird es noch etwas dauern.

Apples stärkste MacBook-Pro-Netzteile, die 140 Watt liefern, sprechen übrigens schon heute vorbildlicherweise EPR. Wo dann das Problem ist? Die 140 Watt laufen derzeit ausschließlich über die – tada! – proprietären USB-C-Kabel mit magnetischem MagSafe-Stecker am anderen Ende. Per standardisiertem USB-C-auf-USB-C-Kabel nehmen die MacBook Pro maximal 100 Watt entgegen.

Zu Apples Ehrenrettung: Womöglich gibt es derzeit noch keine Bausteine für eine Stromversorgung in Notebooks, die einerseits schon EPR sprechen, andererseits aber auch alle anderen USB-C-Funktionen (USB, DisplayPort, Thunderbolt) beherrschen. Es muss sich aber in der Zukunft zeigen, ob Apple den derzeitigen Dualismus – Laden per USB-C geht, maximale Power braucht aber proprietäres MagSafe – beibehält. Und auch, ob der EU das genügt ... (mue)