Medizin: Über die unterschätzte Rolle des biologischen Geschlechts

Geschlecht spielt eine größere Rolle bei Krankheiten, als die Medizin bisher wahrhaben will. Immunologen drängen darauf, Chromosomen mehr Beachtung zu schenken.

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Lesezeit: 18 Min.
Von
  • Sandeep Ravindran
Inhaltsverzeichnis

Sabra Klein ist sich sehr bewusst, dass es auf das Geschlecht ankommt. Während ihrer Doktorarbeit an der Johns Hopkins University lernte Klein, wie Sexualhormone das Gehirn und das Verhalten beeinflussen können. "Ich war naiv und dachte: Jeder weiß, dass Hormone viele physiologische Prozesse beeinflussen können – unseren Stoffwechsel, unser Herz, unsere Knochendichte. Es muss sich auch auf das Immunsystem auswirken", sagt sie.

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Als sie 1998 jedoch ihren Abschluss machte, hatte sie Mühe, andere zu überzeugen, dass Geschlechtsunterschiede im Immunsystem ein lohnendes Forschungsthema sind. "Ich war nicht in der Lage, einen Mikrobiologen oder einen Immunologen zu finden, der mich Geschlechtsunterschiede untersuchen lassen wollte", sagt sie.

Schließlich fand sie eine Stelle als Postdoktorandin im Labor eines Mitglieds ihres Dissertationskomitees. In den Jahren darauf hat sie sich ein eigenes Labor an der Bloomberg School of Public Health der Johns Hopkins University aufgebaut und gezeigt, dass das biologische Geschlecht – definiert durch Merkmale wie unsere Geschlechtschromosomen, Sexualhormone und Fortpflanzungsgewebe – tatsächlich die Immunantwort beeinflusst. Wenn auf den folgenden Seiten von "männlich" die Rede ist, sind damit Menschen mit XY-Chromosomen, einem Penis und Hoden gemeint, die eine testosterondominierte Pubertät durchlaufen, und "weiblich" steht für Menschen mit XX-Chromosomen und einer Vulva, die eine östrogendominierte Pubertät durchlaufen.