Twitter: der Unfall, bei dem man einfach nicht wegschauen kann

Elon Musk ist kein Geisterfahrer. Trumps Konto wieder freizugeben, gleicht eher einem Hyperloop für Aufmerksamkeit. Eine Analyse.

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(Bild: Rokas Tenys/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Elon Musk wird nicht müde zu erzählen, dass derzeit mehr Menschen denn je Twitter aktiv nutzen. Auch wenn man ihm nicht immer alles glauben mag, an dieser Stelle könnte er recht haben. Twitter ist seit der Übernahme ein bisschen wie ein Unfall, bei dem man einfach nicht wegsehen kann – selbst wenn man sich dafür schämt.

Es ist seit Tagen und Wochen das Thema der Stunde: Twitter. Und wo bekommt man alle Informationen zu Twitter? Auf Twitter. Entsprechend müssen Journalisten, genauso wie gut informierte Nicht-Journalisten, nach wie vor morgens als Erstes auf den kleinen Vogel am Smartphone tippen, wahlweise entsprechende Browser-Eingaben machen. Twitter tut also, was Twitter tun soll und will.

Eine Analyse von Eva-Maria Weiß

Eva-Maria Weiß hat an der Universität Wien Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienpsychologie studiert und arbeitet seither als Journalistin.

Klar, viele Nutzerinnen und Nutzer haben sich auch abgemeldet, besonders die deutschsprachige Twitter-Bubble ist zu gewissen Teilen zu Mastodon gewechselt. Thema dort oftmals, wenig überraschend, der Wechsel von der Vogelseite und wie das Fediverse funktioniert. Man kommt also auch bei der Alternative nicht wirklich los vom eigentlichen Unfallverursacher.

Elon Musk erscheint immer ein bisschen wie ein Geisterfahrer, der das Gegenteil von dem tut, was sinnvoll wäre. Mit der Wiederfreigabe des Kontos von Donald Trump ist passiert, was für viele eine Art Showstopper war. Aber was machen die vielen nun? Sie warten darauf, ob Trump seinen Account nun auch wieder nutzt (und ergehen sich dabei so manches Mal in von Trump ganz unabhängigen, seltsamen Zensurphantasien). Trump selbst aber beharrt bisher darauf, dass sein eigenes soziales Netzwerk – Truth Social – besser sei und er dort bleibe. Aber Achtung, Achtung, auf der P45 nähert sich eine potenzielle Gefahr. Musks Entscheidung ist weniger eine Geisterfahrt als mehr ein Hyperloop für Aufmerksamkeit.

Wahrscheinlich spielt auch ein gewisses Großevent, das gerade gestartet ist, Musk in die Hände. Wo sonst sollen die Menschen ihren Boykott kundtun? Da es sich um eine weltweite Veranstaltung handelt, reicht Mastodon eben leider (noch) nicht. Dort findet man unter passenden Hashtags wenig fade Beiträge. Bei Twitter kann man sich amüsieren, austauschen und aufregen.

Interessiert sich hier jemand für Wrestling – drüben bei Twitter läuft ein Shitstorm gegen eine Independent-Liga, die einen Auftritt in Dubai angekündigt hat. Das Gros aus der Medienwelt geschieht bei Twitter, nicht bei Mastodon – auch wenn es aktuell viele Bemühungen in andere Richtungen gibt. Twitter lebt wie jedes soziale Netzwerk vom Netzwerkeffekt, aber noch viel mehr von der Aufmerksamkeit, die auch einige wenige generieren können. Es bedarf keiner wahnsinnig großen Community. Die Unfälle müssen nur spektakulär genug sein, sodass jeder einen Blick darauf werfen will. Anders als auf der Straße sichert das zumindest vorübergehend noch das Überleben von Twitter.

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(emw)