Foto eines Meteoriten bringt 3 Monate Twitter-Sperre

Weil eine britische Astronomin einen kurzen Clip der Perseiden twitterte, wurde sie gesperrt. Die KI des Dienstes hielt das für Video für Pornographie.​

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Ein Screenshot aus dem monierten Video.

(Bild: Mary McIntyre, Screenshot: heise online)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Nico Ernst

Ganz kurz blitzt in einem sechs Sekunden langen Video der bunte Schweif eines Meteors der Perseiden auf – in bunten Farben vor weitgehend schwarzem Himmel. Mehr ist für Menschen auch mit viel Fantasie nicht zu sehen - für Twitters Algorithmen oder trainierte KI-Instanzen aber offenbar schon.

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Veröffentlicht wurde der Clip von der britischen Astronomin Mary McIntyre am 13. August 2022, kurz nach dem Höhepunkt des jährlich wiederkehrenden Metoritensturms der Perseiden. Das einzige, was daran technisch ungewöhnlich ist, ist die Zusammensetzung aus mehreren Einzelbildern. Das ist für Videos von astronomischen Ereignissen, bei denen oft eine automatische Kameraführung die Erdrotation ausgleicht, nichts ungewöhnliches.

Kurz darauf erreichte die Astronomin eine Mitteilung von Twitter, dass Ihr Account gesperrt sei, weil der Tweet "intimate content" enthalte – zu deutsch: Pornographie. Um wieder Zugang zu erhalten, sollte McIntyre den Tweet löschen. Das kam für die Wissenschaftlerin aber nicht infrage, wie sie der BBC sagte: Sie fürchtete, damit das Verbreiten von Pornographie zuzugeben. Da sie in ihrem Beruf auch mit Kindern arbeitet, fürchtete sie um ihren Ruf.

Sämtliche Einspruchsmöglichkeiten gegen die ganz offensichtlich unberechtigte Sperre schöpfte sie in der Folge aus. Dem Bericht zufolge hätte sie nie von einem Menschen eine Antwort erhalten. Folglich ist die Sperre wohl nur aufgrund von Bilderkennung beziehungsweise durch maschinelles Lernen erfolgt. Erst als die BBC darüber berichtete, und Twitters Support auch öffentlich über den Dienst anschrieb, wurde die Sperre aufgehoben. Zusätzlich hatte die BBC auch Elon Musk über SpaceX kontaktiert - auf beide Versuche gab es keine Antwort. Den üblichen Weg über die Presseabteilung konnte die BBC nicht gehen, denn eine solche gibt es seit den Kündigungswellen nach der Übernahme von Musk nicht mehr.

Der Fall zeigt einmal mehr, wie problematisch der Versuch ist, unerwünschte oder gar illegale Inhalte in sozialen Medien rein automatisch erkennen zu lassen. Das wird für Twitter auch zunehmend zu einem rechtlichen Problem: In Deutschland klagt der Würzburger Rechtsanwalt Chan-Jo Jun gegen die nicht erfolge Löschung von seiner Darstellung nach illegalem Material. Dabei geht es auch darum, eine weitere Verbreitung dieser Inhalte auf Twitter zu unterbinden.

Wie Jun in einem Youtube-Video erklärt, könnte im Extremfall sogar die Abschaltung von Twitter drohen, nämlich dann, wenn der Dienst sich nicht in der Lage sieht, solche Forderungen zu erfüllen – sofern sie denn gerichtlich festgestellt werden.

(keh)