Wollmammut und Beuteltier: Wie ausgestorbene Arten wieder zurückkommen sollen

Das Start-up Colossal Biosciences ist die erste Firma, die explizit ausgestorbene Tiere wiederbeleben will. Doch wer wird dafür zahlen? Ein Interview.

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(Bild: Thomas Quine / cc-by-2.0)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Antonio Regalado
Inhaltsverzeichnis

Sara Ord verbrachte die letzte Woche damit, mit Wissenschaftlern über Hautzellen eines mausgroßen Beuteltiers namens Dunnart zu sprechen. Die Zellen der Schmalfuß-Beutelmaus wurden dem "De-Extinction"-Unternehmen, bei dem sie arbeitet, Colossal Biosciences, aus Australien zugesandt.

Ords Aufgabe ist es, ein Team zu leiten, das herausfindeen soll, wie man mit Hilfe von Gen-Editing die DNA dieser Zellen schrittweise so verändern kann, dass sie der eines entfernt verwandten Tieres ähnelt, dem Thylacine, einem gestreiften Beuteltier, das auch als Tasmanischer Tiger oder Beutelwolf bekannt ist und 1936 ausstarb. Wenn es dem Team gelingt, eine Dunnart-Zelle mit genügend Thylacine-DNA herzustellen, könnte in einem nächsten Schritt durch Klonen versucht werden, Embryonen – und schließlich lebende Tiere – zu erzeugen.

Und das war es noch nicht: Bei einem anderen Colossal-Projekt wird sogar versucht, asiatische Elefanten in eine Art Wollhaarmammut zu verwandeln, indem ihnen Gene für Kälteresistenz und dichtes rotes Haar hinzugefügt werden. Noch gibt es keine wiederauferstandenen Arten. In Ords Job als "Direktorin für Artenwiederherstellung" geht es um eine – noch – imaginäre Zukunft, in der eine Kombination aus DNA-Technologie, Stammzellenforschung, Gen-Editierung und künstlicher Gebärmutter nicht nur zur Wiederauferstehung verlorener Arten, sondern auch zur Erhaltung von Arten führen soll, die kurz vor dem Aussterben stehen.

Ord hat sich für diesen Job entschieden, nachdem sie sich in der Laborforschung, einem Krankenhaus und einem Softwareunternehmen versucht hat. Sie sagt, das sei eine natürlich Entwicklung gewesen. Sie ist selbst mit vielen Haustieren aufgewachsen und liebt Natursendungen beim Discovery Channel und National Geographic. "Ich habe Tiere schon immer geliebt", sagt sie.

Colossal Bioscience kombiniert Hollywood mit harter Wissenschaft. Zu den Geldgebern gehören der Investor und Unterhaltungsmogul Thomas Tull und Tony Robbins, seines Zeichens Autor von Motivationsbüchern. Die Ideen stammen wiederum aus dem Labor des nicht unumstrittenen Genforschers George Church, der seit 2013 in den Medien für die Wiederauferstehung des Wollhaarmammuts wirbt, wenn auch bisher mit wenig praktischem Erfolg.

Ords Aufgabe ist ähnlich gelagert: Sie besteht aus einem Teil Kommunikation, einem Teil Wissenschaft, gemixt mit Futurismus. Was wäre, wenn es ihrem Unternehmen tatsächlich gelingt, den Tasmanischen Tiger – oder etwas Ähnliches – zurück auf den Planeten zu holen? Colossal Biosciences könnte dann von dem Erlös von Eintrittskarten profitieren. Klingt wie ein Hauch von Jurassic Park. Im Interview erläutert Ord, wie man das Vorhaben zu verstehen hat. Ambitioniert ist das Programm schon einmal: Der Tasmanische Tiger ist bis 2025, das Mammut bis 2027 geplant.

Technology Review: Sie haben eine der futuristischsten Berufsbezeichnungen, die wir je gesehen haben.

Ord: Ich war einer der ersten Mitarbeiter hier bei Colossal. Ich kam mit dem CEO Ben [Lamm] zusammen und wir haben überlegt, wie mein Titel lauten sollte. Wir kamen auf "Direktor für Artenwiederherstellung". Als ich das hörte, dachte ich sofort: Ja, das ist der richtige Job.

Man hätte auch "Direktor für Wiederbelebungstechnologie" nehmen können.

Sowas könnte aber beängstigend sein, finden Sie nicht? Es geht ja darum, das, was wir tun, für alle verständlich zu machen.

Wie viel von Ihrer Arbeit besteht aus Kommunikation?

Ich würde sagen, es ist wahrscheinlich ein Drittel meiner Arbeit. Am meisten Spaß macht es, das Projekt mit dem Tasmanischen Tiger zu erklären, das ich leite. Warum sollte man den Beutelwolf zurückbringen? Er war an der Spitze der Nahrungskette im tasmanischen Ökosystem. Und wenn man einen Spitzenprädator herausnimmt, hat das viele negative Auswirkungen. Man hat dann eine Menge Beutetiere in der Umgebung, die Chaos anrichten, weil es keine Populationskontrolle mehr gibt. Die Wiederansiedlung im tasmanischen Ökosystem wäre von enormem Wert.

Der Tasmanische Tiger ist ein Beuteltier, aber es ist auch ein Fleischfresser. Wenn das funktioniert, könnte von ihm also auch etwas Flauschiges gefressen werden. Gibt es Tierliebhaber, die gegen diesen Plan sind?

Wir hatten eine überwältigend positive Reaktion. Ich glaube, das liegt vor allem daran, dass dieses Tier bis zur Ausrottung gejagt wurde. Und dies ist unsere Chance, das rückgängig zu machen.

Was ist der wissenschaftliche Teil Ihrer Arbeit?

Ich habe ein Team von 12 Genom- und Phänotypingenieuren. Wir arbeiten auch mit einigen Embryologen und Computerbiologen zusammen. Ich lese so viele Veröffentlichungen wie möglich, komme selbst ins Labor und bringe die wissenschaftliche Seite voran. Und dann ist es auch wichtig, an Gesprächen teilzunehmen, in denen es darum geht, wo wir ein solches Tier unterbringen, wenn wir es einmal haben. Wie sieht das aus? Welche ökologischen Auswirkungen hat die Wiederansiedlung einer Art – und wie hilft das den derzeit bedrohten Arten?

Sie haben in Ihrem Blog beschrieben, dass die Wiederbelebung einer Art mehrere Schritte erfordert, darunter die Bearbeitung von Genen in den Zellen einer verwandten Art, das Klonen eines Embryos und die anschließende Auswilderung eines Tieres. Welcher dieser Schritte ist der bislang spekulativste?

Es geht wirklich darum, zu verstehen, wie viele Gene man verändern muss. Der Tasmanische Tiger ist mit der gesamten Familie der Dasyuriden verwandt, zu der auch der Dunnart, der Quoll und der Tasmanische Teufel gehören. Aber es handelt sich immer noch um 70 Millionen Jahre [evolutionärer] Divergenz – ein extremes Ausmaß. Was muss man also an einem Dunnart oder einem asiatischen Elefanten ändern, um einen Phänotyp einer Art zu schaffen, der die gleiche ökologische Nische ausfüllt wie der Tasmanische Tiger oder das Wollhaarmammut?

Haben Sie einen ausgestopften Tasmanischen Tiger, an dem Sie arbeiten können? Was ist die Ausgangsbasis für das Projekt?

Es gab ein Jungtier, das Anfang 1900 in Ethanol konserviert wurde – man nennt es den "Wunderwelpen". Unsere Mitarbeiter an der Universität von Melbourne konnten aus dieser Probe DNA extrahieren und daraus eine sehr genaue Genomsequenz erstellen. Außerdem sind viele Felle und Museumsproben im Umlauf, die wir erhalten konnten und aus denen wir Sequenzen erstellen.

Haben Sie einen Zeitplan, wann die erste ausgestorbene Art wieder auftauchen wird?

Auf jeden Fall. Für das Mammut rechnen wir mit dem Jahr 2027 und für den Tasmanischen Tiger mit 2025. Der entscheidende Unterschied ist die Trächtigkeitsdauer. Elefanten brauchen etwa 18 bis 22 Monate, um trächtig zu werden, während Beuteltiere – und insbesondere der Dunnart, der unsere Ersatzart sein wird – zwischen 12 und 14 Tagen brauchen. Danach reift das Tier im Beutel heran.

Es gibt Studien, die zeigen, dass Beuteltiere aus dem Beutel einer Art in den Beutel einer anderen Art übertragen werden können und dort gut wachsen. Aber wir haben auch ein Team, das an einem "Exo-Beutel" arbeitet. Dabei handelt es sich um einen künstlichen Beutel, in den die Jungtiere eingesetzt werden können und in dem sie die gleiche Nahrung, die gleiche Umgebung und die gleiche Lichteinwirkung erhalten wie im Beutel einer Beuteltiermutter.

Colossal weist stets darauf hin, dass man es mit einem gewinnorientierten Unternehmen zu tun hat. Was genau ist dann das Produkt? Was werden Sie verkaufen?

Ich denke, Colossal kann auf verschiedene Arten profitieren. Eines unserer Produkte ist die Story. Wir suchen nach vielen Partnern in den Medien, die uns helfen, sie zu erzählen. Eine weitere Möglichkeit ist, dass wir neue Technologien entwickeln, die lizenziert oder in Form von Spin-offs ausgegliedert werden können. Wir haben schon eine erste Ausgründung namens FormBio [ein Biologie-Softwareunternehmen, Anm. d. Red.] – außerdem sind wir im Bereich der Gen-Editierung führend.

Und dann kommen wir zum eigentlichen Kern der Sache, nämlich der Spezies: dem Tasmanischen Tiger oder dem Wollhaarmammut. Wir planen Partnerschaften mit Zoos. Wir sehen eine Welt, in der wir die natürlichen Lebensräume dieser Lebewesen erneut schaffen und dann Eintrittskarten verkaufen, damit die Leute sie sich ansehen können.

Wie viel würden Sie denn selbst zahlen, um einen Tasmanischen Tiger zu sehen?

Ich investiere viele Stunden meines Lebens in die Sache. Also alles Geld der Welt.

(jle)