Interview: C++ und der Mangel an Fortbildungskultur

C++ behauptet sich seit vielen Jahren als Programmiersprache. Experte Rainer Grimm erklärt im Gespräch, warum "einmal gelernt" aber nicht reicht.

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C++ Code

(Bild: mki / heise online)

Lesezeit: 3 Min.

Entwickler für C++ werden von vielen Firmen dringend gesucht – dennoch erfreut sich die Programmiersprache nicht gerade größter Beliebtheit. Das führt laut Erhebungen zu einer sinkenden Zahl von Entwicklerinnen und Entwicklern.

C++-Experte Rainer Grimm

Doch liegt es wirklich nur daran? Der deutsche C++-Trainer Rainer Grimm bezeichnete vor Kurzem in einer Onlineveranstaltung die Ausbildung als "schrecklich". Der Softwarearchitekt, Team- und Schulungsleiter beschäftigt sich in seinem Blog Modernes C++ auf heise Developer intensiv mit der Sprache. Er ist zudem Autor mehrerer Bücher über C++.

heise Developer hat mit ihm darüber und C++ im Allgemeinen gesprochen:

C++ ist eine Programmiersprache mit einer für IT-Verhältnisse langen Geschichte. Was macht für Sie den Reiz dieser Sprache aus? Warum konnte sie sich im Gegensatz zu anderen gegen neuere Sprachen so gut behaupten?

C++ schafft einen Spagat. Einerseits erlaubt es C++, direkt mit der Hardware zu kommunizieren. Anderseits bietet sie die notwendigen Abstraktionen an, die das Programmieren deutlich angenehmer machen. Das Besondere bei C++ ist insbesondere, dass sie den Zugriff auf Hardware für Nullkosten anbietet.

Statistiken und Jobangebote zeigen: Entwickler mit Fachkenntnissen in C++ sind besonders gefragt. Dennoch scheint C++ bei einigen nicht hoch in der Gunst zu stehen. Woran liegt das?

C++ ist eine komplizierte Sprache, die in komplizierten Domänen wie systemnahe Programmierung, High-Performance Computing oder Concurrency eingesetzt wird. Sprachen wie Python abstrahieren viel von dieser Komplexität der Domäne weg. Dies geht aber zulasten von Ressourcen wie Zeit und Speicher.

Sie wurden in einem Bericht über ein Webinar mit der Aussage zitiert, dass die Ausbildung schlecht sei. Woran mangelt es?

In unserer Industrie wird häufig noch Ausbildung als eine einmalige Herausforderung angesehen, die es wie ein Führerschein zu meistern gilt. Für diese naive Sichtweise ist unsere Domäne aber viel zu dynamisch. Weiterbildung muss ein fester Bestandteil unserer täglichen Routine werden. Wir müssen lernen, dass Lernen ein fester Bestandteil unserer professionellen Tätigkeit ist.

Was könnte unternommen werden, um die Ausbildung zu verbessern?

Wir benötigen eine Fortbildungskultur in unseren Firmen. Ich habe zweimal in meinen Firmen Fortbildungsrunden etabliert. Beide waren ein sehr großer Erfolg und haben sehr viel Dynamik entfaltet. Für mich waren sie der Startpunkt meiner "Karriere" als Trainer/Mentor.

Vor allem im Finanzbereich und in der Autoindustrie soll es einen Mangel an C++-Experten geben. Wie erklärt sich das? Benötigen Bewerber besondere Fachkenntnisse?

In diesen Domänen werden viele, teilweise heterogene Fähigkeiten benötigt. So zeichnet zum Beispiel die Autoindustrie eine Kombination aus Hardware und Software aus. In der Autoindustrie müssen sie sowohl direkt mit Hardware kommunizieren können, als auch die große Softwarearchitektur entwerfen. Darüber hinaus ist der Autobereich stark reguliert und hohe Sicherheitsanforderungen gilt es einzuhalten.

Raten Sie jungen Menschen, die in die Entwickler-Ausbildung gehen, zu einem Schwerpunkt in C++? Oder wie sollte man sich am besten aufstellen, um fit für die Zukunft zu sein?

Ich will mit einem englischen Sprichwort antworten: "Don't hire for skills, hire for attitude." Von diesem Sprichwort habe ich mich in meinen Einstellungsgesprächen leiten lassen. Mich interessiert vor allem, wie engagiert ein Bewerber ist, an sich und seinen Fähigkeiten zu arbeiten, denn seine bestehenden Fähigkeiten besitzen eine sehr kurze Halbwertszeit.

Das Interview führte Malte Kirchner, Redakteur bei Heise Online.

(mki)