Von der Krux um beliebte Filter fĂĽr das "Instagram-Gesicht"

Instagram verbietet Filter, die "plastische Chirurgie fördern". Hilft das, die Schönheits-OP-Nachfrage zu senken, die durch ein falsches Selbstbild entsteht?

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(Bild: Florencia Solari)

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Von
  • Tate Ryan-Mosley
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Die massive Änderung in Facebooks Geschäftsmodell liegt nun schon über ein Jahr zurück. Im Oktober 2021 kündigte das soziale Netzwerk an, seinen Namen in Meta zu ändern und voll auf Augmented Reality und Virtual Reality zu setzen – in einem zukünftigen futuristischen Internet, das sich Metaversum nennen soll.

Tatsächlich hatte sich die Strategie schon seit Jahren allmählich herauskristallisiert. Dazu gehörte auch eine Produktfunktion beim Foto- und Videodienst Instagram, der auch zu Meta gehört. Es waren Gesichtsfilter, die beispielsweise dem Haaransatz Welpenohren hinzufügen oder die Lippen größer erscheinen lassen. Dabei werden ausgeklügelte AR- und VR-Algorithmen verwendet. Gleichzeitig wurde eine Schnittstelle geöffnet. Tausende von Entwicklern haben mittlerweile kostenlose Filter zur Verfügung gestellt. Die Menschen, die sie nutzen, liefern wiederum Meta Unmengen an Daten, die Technik zu verbessern.

Die wenigen Untersuchungen, die es zur neuen digitalen Schönheitskultur gibt, ergaben, dass visuelle Plattformen wie Instagram, die sich auf KI-Empfehlungsalgorithmen stützen, die Schönheitsstandards in einem atemberaubenden Tempo verändern – und massiv einschränken, was entsprechend wahrgenommen wird. Filter helfen dabei, diese "Ideale" zu erreichen, wenn auch nur in der digitalen Welt. Und es gibt ernstzunehmende Hinweise darauf, dass die übermäßige Verwendung schädliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit hat, insbesondere bei jungen Mädchen. Das sprichwörtliche "Instagram-Gesicht" ist eine ästhetische Schablone: ethnisch uneindeutig und mit makelloser Haut, großen Augen, vollen Lippen, kleiner Nase und perfekt geformten Kurven, die zum großen Teil durch Filter ermöglicht werden.

Doch hinter jedem Filter steht eine Person, die auf einem Bildschirm eine App bedient, Regler und Masken verschiebt, um das gewünschte digitale Aussehen zu erreichen. Schönheit mag subjektiv sein – dennoch fördert die Gesellschaft weiterhin strenge, unerreichbare Ideale. Für Mädchen und Frauen sind diese oft weiß, schlank und mit einer eindeutigen Weiblichkeit.

Instagram veröffentlicht nur sehr wenige Daten zur Nutzung von Filtern, das gilt insbesondere für die problematischen Schönheitsfilter. Im September 2020 gab der Mutter-Konzern Meta bekannt, dass über 600 Millionen Menschen mindestens eine seiner AR-Funktionen ausprobiert haben. Das Metaversum ist ein Konzept, das viel größer ist als Meta selbst. Es besteht aus zahlreichen Firmen, die in AR- und VR-Produkte investieren. Auch Snap und TikTok haben eine riesige Anzahl von Filternutzern, obwohl Snap besonders gerne in ortsbezogene AR-Anwendungen investiert. Die Produktpalette von Meta umfasst das Oculus-Headset und eine Ray-Ban-Brille mit Fototechnik. Doch interessanterweise konzentriert sich das Unternehmen insbesondere auf das, was Facebook populär gemacht hat – das Gesicht.

Besonders beliebt und umstritten sind solche Filter, die die Form eines Gesichts und seine Merkmale drastisch verändern. Instagram hat diese sogenannten Deformationseffekte ursprünglich von Oktober 2019 bis August 2020 offiziell verboten, weil es Bedenken hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die psychische Gesundheit gab. Die Richtlinie wurde inzwischen allerdings aktualisiert. Nun werden nur noch Filter verboten, die, so der Konzern, "plastische Chirurgie fördern". Die Richtlinie besagt, dass "Inhalte gemäß den Facebook-Gemeinschaftsstandards nicht für die Verwendung eines potenziell gefährlichen kosmetischen Verfahrens werben oder die Auswirkungen eines solchen Verfahrens darstellen dürfen." Dies schließe Effekte ein, die solche Verfahren simulieren, in dem sie Markierungslinien von Schönheits-OPs darstellen. Im April 2021 hatte Facebook dazu gegenüber MIT Technology Review erklärt, man setze die Richtlinie durch eine Kombination aus automatisierten Systemen und menschlichen Bearbeitern durch. Sie sollen Effekte überprüfen, sobald sie zur Veröffentlichung eingereicht werden. Allerdings wissen viele Filter-Entwickler selbst nicht, was denn ein Filter sein soll, der "Schönheitsoperationen fördert" – und Meta agiert offenbar uneinheitlich.

Auch wenn Filter vielen Nutzern nur zur Unterhaltung dienen – die Technik dahinter ist aufwendig, egal ob es um Hundeohren oder eine Gesichtsverschönerung geht. Sie erfordern zunächst eine Gesichtserkennung, bei der ein Algorithmus die verschiedenen Schattierungen der von einer Kamera aufgenommenen Bildpunkte interpretiert, um ein Gesicht und seine Merkmale zu identifizieren. Eine digitale Maske eines Standardgesichts wird dann auf das Bild des echten Gesichts angewendet und die Form entsprechend angepasst, wobei die virtuelle Kieferlinie und die Nase der Maske an die der Person angepasst werden. Auf dieser Maske erzeugen von Programmierern entwickelte Grafiken die Effekte, die auf dem Bildschirm zu sehen sind. Die Bilderkennungstechnologie der letzten Jahre hat dies in Echtzeit und auch bei Videobildern ermöglicht.

Spark AR ist das Software-Development-Kit (SDK) von Instagram, das es den Entwicklern von Augmented-Reality-Effekten ermöglicht, die Gesichtsfilter, die im Instagram-Feed zu sehen sind, zu erstellen und zu verbreiten. Das ist eine große Szene, zu der auch Florencia Solari, die auf AR-Technik spezialisiert ist, gehört. Sie zeigte MIT Technology Review, wie man einen Gesichtsfilter herstellt, der verspricht, die Wangen aufzupumpen und zu heben und die Lippen aufzufüllen, um eine "verbesserte" Gesichtsform im Stil von Kim Kardashian zu erhalten.