Onlinezugang zu Verwaltungsleistungen: Ziele verfehlt – folgt 2023 Neustart?

Alle staatlichen Dienstleistungen online anbieten – Anspruch und Realität fallen in Deutschland auseinander. Ob das im nächsten Jahr anders wird?

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(Bild: Chokniti Khongchum/Shutterstock.com)

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Bund und Länder haben ihre selbstgesteckten Ziele für den Online-Zugang zu Leistungen der Verwaltung weit verfehlt. Auch ein im vergangenen Mai beschlossener sogenannter Booster, der eigentlich dafür sorgen sollte, dass 35 besonders wichtige Leistungen rasch flächendeckend online zur Verfügung stehen, hat das Problem nicht gelöst. Diese Priorisierung sei den Ländern wichtig gewesen, habe aber insgesamt "noch nicht die gewünschte Wirkung entfaltet", bilanzierte das Bundesinnenministerium zum Jahresende.

Bund und Länder hatten eigentlich fünf Jahre Zeit, um ihre Verwaltungsdienstleistungen zu digitalisieren. Dazu sollte das Onlinezugangsgesetz (OZG) dienen, das im August 2017 vom Bundestag beschlossen wurde. Es gab den Ländern Zeit, bis Ende 2022 alle 575 Verwaltungsdienstleistungen zu digitalisieren und online anzubieten. Doch auch trotz einer besonderen Anstrengung ("Booster") seit dem Frühjahr war das nicht zu schaffen.

Im November dieses Jahres beklagten Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft die jahrelang anhaltende Misere einer verschleppten Digitalisierung und Modernisierung der öffentlichen Verwaltung. Sie kritisierten, die notleidenden deutschen Unternehmen würden unter anderem durch überkomplexe, papiergebundene Verfahren gebremst. Die Politik habe die mit dem OZG geweckten Erwartungen nicht erfüllt. Daher forderten die Verbände ein Recht auf vollständig digitale Abwicklung von Verwaltungsleistungen für Unternehmen. Bund und Länder müssten dazu eine Gesamtstrategie für die Digitalisierung der Verwaltung entwickeln. Nur so ließen sich die Herausforderungen der Zukunft bewältigen.

Um den bislang eher trägen Prozess der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen in Deutschland voranzutreiben, soll nun bald ein OZG 2.0 Abhilfe schaffen. Die Ressortabstimmung zu dem Entwurf für dieses Gesetz werde in Kürze eingeleitet, teilte eine Sprecherin des Innenministeriums auf Nachfrage mit. Der FDP-Digitalexperte Volker Redder sagte der Deutschen Presse-Agentur, er sei optimistisch, dass das Vorhaben im ersten Quartal 2023 im Bundestag beschlossen werden könne.

Voraussetzung für echte Fortschritte bei der Online-Verfügbarkeit ist aus Sicht des Bundestagsabgeordneten aber, dass auch bei der Registermodernisierung nachgebessert wird. Gegen dieses noch unter dem früheren Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verabschiedete Gesetz, das den Datenaustausch zwischen Behörden verbessern soll, haben Politiker von FDP und Grünen datenschutzrechtliche Bedenken angemeldet.

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Außerdem müssen laut Redder, um das Prinzip "Einer für Alle" erfolgreich umzusetzen, auf allen Ebenen – Bund, Länder und Kommunen – gleiche "Standards angewendet werden". Gerade hier hakt es auch aus Sicht des Nationalen Normenkontrollrats. Malte Spitz (Grüne), der sich in dem Gremium um Verwaltungsdigitalisierung kümmert, sagte, der dpa: "Anstatt einzelne Leistungen der Verwaltung zu digitalisieren, brauchen wir Standards und gemeinsame Basiskomponenten, wie ein Bezahlsystem für alle Ebenen." Bislang gebe es nicht einmal eine bundesweit einheitliche Definition der Verwaltung für "Einkommen" – je nach Anliegen würden unterschiedliche Kriterien zugrunde gelegt.

Er kritisierte: "Die rund drei Milliarden Euro aus dem Sondervermögen zur Bewältigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie hätten eine echte Chance geboten, beim Onlinezugangsgesetz umzusteuern." Leider sei diese Chance nicht genutzt worden. Die Digital-Expertin Joana Cotar (ehemals AFD) sagte: "Das OZG ist kläglich gescheitert." Statt der bis Jahresende geplanten 575 digitalen Verwaltungsdienstleistungen könnten deutsche Behörden lediglich wenige Dutzend flächendeckend anbieten. Die fraktionslose Bundestagsabgeordnete sieht eine Ursache für das Scheitern in geteilten Zuständigkeiten – etwa zwischen dem Innen- und dem Finanzressort.

(tiw)