China: Hikvision-Kameras schlagen Alarm bei Protestkundgebungen

Eine Software von Hikvision, einem chinesischen Hersteller von Überwachungskameras, informiert die Polizei in China automatisiert etwa über Versammlungen.

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(Bild: Scharfsinn/Shutterstock.com)

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Die auch in Deutschland vielfach geforderte und erprobte "intelligente Videoüberwachung" ist in China offenbar schon weit gediehen. So alarmiert eine cloudbasierte Software von Hikvision, einem großen chinesischen Produzenten von Überwachungskameras, die chinesische Polizei automatisiert etwa über Protestaktionen. Dies schreibt der britische Guardian unter Verweis auf einen Bericht der Forschungsfirma IPVM (Internet Protocol Video Market), die auf den Markt für Sicherheitskameras spezialisiert ist.

Alarm schlägt die Plattform demnach unter anderem bei einer "Versammlung von Menschenmengen zur Störung der öffentlichen Ordnung", bei "rechtswidrigen Zusammenkünften, Prozessionen und Demonstration" sowie bei Protesten, die auf Petitionen abzielen. Diese Aktivitäten sind laut dem Artikel neben Straftaten wie Mord, Glücksspiel, Entführung, Vergewaltigung und Drogengenuss oder störenden Ereignissen wie Brandgefahr in technischen Dokumenten aufgeführt, die Hikvision im chinesischen Original auf der eigenen Webseite veröffentlicht hat.

Die Publikationen sollen zunächst auch auf das Auslösen von Alarmen für die Kategorien "Religion" und "Falun Gong" verwiesen haben. Die zuletzt genannte spirituelle Bewegung ist in China verboten und wird von der Regierung der Volksrepublik als Sekte eingestuft. Nachdem IPVM das Unternehmen kontaktiert habe, seien diese beiden Einträge gelöscht worden, meldet die Zeitung. Zugehörige Fragen habe Hikvision aber nicht beantwortet.

Die Erkenntnisse gelangen wenige Wochen nach dem Ausbruch von Massenprotesten gegen die Null-Covid-Politik der kommunistischen Führung in ganz China an die Öffentlichkeit. Obwohl die Kundgebungen dazu führten, dass die Regierung die Corona-Maßnahmen lockerte, erhielten viele Demonstranten später Anrufe und Meldeaufforderungen von der Polizei.

Hikvision wuchs nach seiner Gründung 2001 in Hangzhou zum weltweit größten Hersteller von Videoüberwachungstechnik heran, die auch in Deutschland verbreitet ist. Bei der Auswertung baut der Konzern unter anderem auf biometrische Merkmale etwa zur automatisierten Gang- und Gesichtserkennung. Die US-Regierung setzte das Unternehmen 2019 auf eine schwarze Liste des Handelsministeriums, weswegen Bundesbehörden dessen Geräte nicht mit öffentlichen Mitteln beschaffen dürfen.

Die US-Regierung begründet dies damit, dass Hikvision Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Masseninhaftierung von Uiguren in der Provinz Xinjiang begünstigt. Jüngst verbot zudem die US-Regulierungsbehörde FCC unter Verweis auf die nationale Sicherheit generell den Verkauf und Import von Hikvision-Technik. Der Konzern erklärte bereits wiederholt, schon 2018 eine einschlägige Erkennungsfunktion aus seiner Firmware entfernt zu haben, die aber nicht auf eine "einzelne ethnische Gruppe" fokussiert gewesen sei. Trotzdem warnen auch britische Politiker vor Hikvision und dem Konkurrenten Dahua.

(tiw)