Kritik gelöscht: Saudi-Arabien hat angeblich Wikipedia infiltriert

Hochrangige Administratoren von Wikipedia sollen gesperrt worden sein, weil sie für Saudi-Arabien gearbeitet haben. Kritische Kollegen sitzen im Gefängnis.

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(Bild: Allmy/Shutterstock.com)

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Die Führung von Saudi-Arabien hat angeblich Wikipedia infiltriert und die höchstrangigen Administratoren in dem Land rekrutiert. Gleichzeitig wurden zwei Personen zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt, weil sie Informationen zur Unterdrückung von politischem Aktivismus auf die Online-Enzyklopädie eingestellt haben sollen. Das berichten mit SMEX und Dawn zwei Nichtregierungsorganisationen, die sich für Bürgerrechte im Nahen Osten einsetzen. Sie verbinden mit der Enthüllung auch Kritik an der Wikimedia Foundation, der für Wikipedia verantwortlichen gemeinnützigen Organisation. Die müsse Verantwortung dafür übernehmen, dass zwei autorisierte Redakteure für ihre Arbeit an Wikipedia-Seiten im Gefängnis sitzen.

Der Bericht legt nahe, dass Wikimedia die Infiltrierung von Wikipedia durch Saudi-Arabien erkannt hat. Anfang Dezember hat die Gesellschaft 16 Personen für einen "Interessenkonflikt" bei der Bearbeitung von Wikipedia-Inhalten gesperrt. Die Rede war damals von der MENA-Region, das steht für "Nahost und Nordafrika". Anonymen Quellen zufolge sollen alle Sperren aber gegen Personen aus Saudi-Arabien verhängt worden sein. Es gehe um die höchstrangigen Administratoren aus dem Land, bei Wikimedia habe man herausgefunden, dass sie für das Regime gearbeitet hätten. Sie sollten demnach positive Inhalte hervorheben und kritische Texte löschen, auch zu Inhaftierten. Gegenüber der taz hat Wikimedia dem jedoch widersprochen, man habe "keinen Hinweis auf Saudis, die unter dem Einfluss der saudischen Regierung handeln".

SMEX und Dawn berichten weiterhin, dass bereits 2020 zwei hochrangige Wikipedia-Administratoren in Saudi-Arabien festgenommen und zwei fünf beziehungsweise acht Jahren Haft verurteilt worden seien. Ihnen sei die "Beeinflussung der öffentlichen Meinung" und "Verletzung der öffentlichen Moral" im Zusammenhang mit ihrer Arbeit an der Online-Enzyklopädie vorgeworfen worden. Vor wenigen Monaten sei die Strafefür einen der beiden gar auf 32 Jahre erhöht worden. Es sei "verabscheuungswürdig, aber völlig vorhersehbar", dass die saudische Regierung die Veröffentlichung von Inhalten über Menschenrechtsverletzungen verfolgt, meint Raed Jarrar von Dawn. Gleichzeitig sei es aber auch äußerst unverantwortlich, wenn internationale Organisationen und Unternehmen glauben, dass ihre Ableger unabhängig von der saudischen Regierung oder sicher vor deren Kontrolle operieren könnten.

Von Wikimedia verlangen die beiden Organisationen, dass die Ergebnisse der internen Ermittlungen offengelegt werden. Auch solle bekannt gemacht werden, welche Seiten die inzwischen Gesperrten bearbeitet haben, um die unabhängig überprüfen zu können. Außerdem solle die Rolle von Administratoren und Administratorinnen in autoritär beherrschten Staaten überdacht. Nötig seien Warnungen, dass Inhalte von den Führungen dort abhängig sein könnten. Außerdem müsse geprüft werden, wie die Redakteure und Redakteurinnen dort besser geschützt werdne können.

(mho)