Was war. Was wird. Alles ist fein, auch wenn die Hütte brennt.

Klimakrise? Augen zu und durch! Hal Faber baut mit Legosteinen eine heile Welt, während die Grünen in Lützerath unter die Baggerräder kommen.

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Viel heiße Luft: Eigentlich sollten in Deutschland täglich drei bis vier Windkraftanlagen aufgestellt werden. LNG dagegen – flutscht. Mehr Anstrengung gegen den Klimawandel? Die kriegst du nicht, Alter.

(Bild: Andrey Myagkov/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Alles Okay? Vor genau 10 Jahren erschien dieser Comic-Strip des Zeichners KC Green im Web. Reddit und Imgur sorgten dafür, dass der Hund ein Meme wurde und seit 2016 mit einem Webshop voller Kinkerlitzchen seinem Herrchen ein Auskommen beschert. Green zeichnete den Comic-Strip, als er in einer akuten Depression mit Medikamenten behandelt wurde und erstaunt darüber war, wie ruhig er dadurch wurde, obwohl rings um ihn seine Welt zusammenbrach. Abseits des Internets wurde die Karikatur bekannt, als die Republikaner das Motiv nutzten, um die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton zu verunglimpfen. Das misslang spektakulär, sorgte aber auf Twitter für eine große Debatte über Kunst und Wahlkampf. Nun ist Twitter drauf und dran, unter Elon Musk eine Unterstützungs-Plattform für die Republikaner zu werden, während der Question Hound in der Debatte um Klimaziele, Klimaleugner und Klimaschützer munter mit neuer Bedeutung aufgeladen wird, gewissermaßen um 1,5 Grad verdreht. So gesehen ist Lützerath auch ein Bedeutungsdreher, wenn bei der inszenierten Geschichte von David gegen Goliath die Grünen unter die Baggerräder kommen. Die Einschätzung des Protestes ging jedenfalls spektakulär daneben, wie hier beschrieben: "Ein paar Hippies sitzen in Lützerath auf den Bäumen und werden von der Polizei runtergepflückt: Nicht schön, klar, aber wir leben in pragmatischen Zeiten. Der ganz große Aufschrei wird schon ausbleiben. Also Augen zu und durch."

Die Hütte brennt: "Das ist in Ordnung" in Lego. Pragmatische Zeiten halt.

*** So geschrieben in einer Zeitung, der Bundesolaf ein großes Interview gibt, mit dem Ratschlag, doch bitteschön lieber dagegen zu demonstrieren, dass es sechs Jahre braucht, bis eine Windkraftanlage genehmigt wird. Das Ziel müsse sein, jeden Tag drei bis vier große Windkraftanlagen in Deutschland aufzustellen, verkündete der oberste Sozialdemokrat, nur um tags darauf nach Lubmin zu reisen: Innerhalb von wenigen Monaten "wurden die Terminals geplant, genehmigt und gebaut". Da sind Windkraftanlagen von einem ganz anderen Kaliber. Das eigentliche Problem sind nicht die Windkrafträder und diese Hippies da in Lützerath, sondern die Verhandlungen mit RWE, die von den grünen WirschaftsministerInnen Habeck und Neubaur im Geheimen geführt wurden. Das in Kombination mit dem angeblichen Riesenerfolg bei diesen Verhandlungen, wie es die Parteispitze darstellt, ist harter Tobak für eine Partei, die sich dem Umweltschutz verschrieben hatte.

*** Kaliber, Kaliber, da war doch was? Wir haben eine Verteidigungsministerin, die offensichtlich kurz vor einem Rücktritt steht. Da es nicht so einfach ist, in eine Ministerin hineinzugucken, muss man abwarten, was in der kommenden Woche passiert oder nicht passiert. Schließlich soll am Freitag in Ramstein eine Konferenz stattfinden, auf der sich die VerteidigungsministerInnen über die weitere Unterstützung der Ukraine austauschen. Von einem schlichten Ersatz durch die ebenfalls mit einem Video bekannt gewordene Wehrbeauftragte Eva Högli bis hin zu einer Kabinettsumbildung ist alles möglich, selbst die panzerfreundliche Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist im Gespräch. In ihrem Wahlkreis sitzt die Firma Rheinmetall, aber das macht ja nichts, wenn man schon in der Sandkiste unbestechlich war. Ein derart gutes Gedächtnis ist trotz aller Kritik von Lobbycontrol schon mal ein guter Anfang in einem solchen Ministerium. Und welcher Politiker oder welche Politikerin kann sich schon die Lobby aussuchen, die ihn auszeichnet?

*** Haben Maschinen eine Seele? Das fragt die Zeit und bebildert die Frage mit einem Roboter oder einer Roboterin, der oder die einen Frauenkopf hält. Die Frage bezieht sich auf den Google-Forscher Blake Lemoine, der davon überzeugt ist, dass der Chatbot LaMDA ein Bewusstsein hat und damit als fühlendes Wesen einzustufen sei. Die Frage nach der Seele ist kniffliger als die Frage nach den Studenten, die ChatGPT nutzen, um Seminararbeiten schreiben zu lassen. "KI rüttelt uns hier wach und lässt uns fragen: Ist unsere Sicht darauf, was 'Bildung' und 'Leistung' bedeuten, noch zeitgemäß?", sagt einer im c't-Gespräch, der Seminararbeiten bewerten muss, etwa über feministische Arbeiterbewegungen in Lateinamerika. Das kann eine ganz praktische Sache sein, wenn man mal eben einen Chatbot anwerfen kann: "Ein Beispiel: Wir wollten in einem recht theoretischen Seminar über Ethik und Globalisierung ein paar Fallbeispiele aus dem Globalen Süden einbringen – das haben wir dann einfach von der KI in der ersten Fassung ausarbeiten lassen – die uns dann Beispiele gab, zum Beispiel eine Session zu feministischen Arbeiterbewegungen in Lateinamerika. Darauf wären wir bestimmt selbst gekommen – aber nicht nach fünf Sekunden." Die Frage nach der Seele kann man sich eigentlich schenken. Schon 1981 schrieb der Journalist Tracy Kidder ein Buch über einen Computer. "Die Seele einer neuen Maschine" beantwortete sie recht ausführlich mit der Erkenntnis, dass die Seele einfach nur eine neu designte CPU sein kann – und einem Vers aus Tolkiens "Herr der Ringe":

Man kann es nicht seh'n, man fühlt es nicht
kann es nicht hören, auch riechen nicht,
es liegt hinter Stern und tiefem Grund
und füllt die leeren Löcher rund.

Olaf Scholz ist ein vielbeschäftigter Mann. Ihn verschlägt es nächste Woche nach Davos, wo das Weltwirtschaftsforum mit 1500 Führern der Welt die Frage der "Zusammenarbeit in einer fragmentierten Welt" beantworten will. Vielleicht sollte man einfach ChatGPT bitten, die Frage zu beantworten und lieber eine Schneeballschlacht machen. Doch das würde dem Homo davosiensis, zuletzt in der Schweiz als Homo globalis beschrieben, gar nicht passen: "Der 'Homo globalis' ist dagegen ein ökonomisches Konstrukt, noch am ehesten verkörpert durch die Gestalt des überall auf Konferenzen herumwieselnden 'Homo davosiensis': Angehöriger eines internationalen Söldnertums aus Managern, Finanzexperten, Beratern, die durch die Globalisierung zu Macht und Einfluss gekommen und in der Regel nicht einem Land verpflichtet sind." Man trifft sich und will getroffen werden, 1000 private Jets machen sich dafür auf den Weg. Nur Elon Musk ist nicht mit von der Partie, weil er das Treffen absolut langweilig findet. Auch wenn das eine Retourkutsche sein mag, weil das Weltwirtschaftsforum Twitter verlassen hat, hat Musk diesmal ausnahmsweise recht.

Das internationale Geldsöldnertum trifft sich in Davos zur strategischen Schneeballschlacht mit seinen politischen Herren und Nutznießern.

(tiw)