Zahlen, bitte! Per Geheimorder 40° Süd – Wie James Cook zu neuen Ufern segelte

Kapitän James Cook inspirierte mit seinen Expeditionen viele Abenteurer bis hin zum Erfinder von Star Trek. Nur eines fand er nicht: die gesuchte Antarktis.

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Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Vor 250 Jahren überschritten die zwei Schiffe unter dem Kommando des Entdeckers James Cook am 17. Januar 1773 den südlichen Polarkreis und mussten im hohen Eisgang schließlich auf 67° 15' südlicher Breite umkehren. In den einschlägigen Chroniken findet sich darum der Eintrag, dass Cook als erster Mensch den südlichen Polarkreis erreichte. Das schafften mit ihm rund 220 Seeleute auf den Schiffen, die den Kontinent Terra Australis Incognita suchten.

Auf seinem Schiff, der HMS Resolution, schickte Cook am Tag der Umkehr den 15-jährigen Schiffsjungen George Vancouver auf den Klüverbaum und feierte ihn im Logbuch als "südlichsten Menschen der Welt", ehe er umkehrte. Vancouver selbst wurde später ein bedeutender Entdecker und Kartograph, genau wie James Cook.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

James Cook unternahm, abgesehen von etwa 40 Pendelfahrten zwischen Amerika und Großbritannien, drei große Erkundungsfahrten rund um die Welt. Im Auftrag der britischen Admiralität sollte er nach dem sagenhaften Südkontinent suchen, den viele Wissenschaftler am südlichen Polarkreis vermuteten. Wenn auf der Nordhalbkugel der Erde so viel Land vorhanden war, müsse es ein Gegenstück im Süden geben, dachte man damals. Das sollte für die britische Krone in Besitz genommen werden. Getragen wurde die Theorie von der Erkenntnis, dass das Packeis, das Seefahrer im Süden an Bord brachten, nach dem Zerhacken und Schmelzen bestes Trinkwasser war.

Es müsste also ein riesiges Südland mit großen Flüssen geben, die diese Menge an Eis produzierten, so die Vermutung des führenden britischen Geographen Alexander Dalrymple. Was er sich vorstellte, könnte man mit dem UTM-Gitter einer Mercator-Projektion illustrieren, mit dem Unterschied, dass das scheinbar riesige Südland ein Verzerrungsfehler ist.

Das Expiditionsschiff "Resolution" erreicht Packeis. Die Zeichnung wurde geschaffen vom Bord-Zeichner William Hodges. Cook selbst meinte einmal dazu:
"Ich will nicht sagen, dass es unmöglich war, irgendwo in dieses Eis einzudringen, aber ich will behaupten, dass der bloße Versuch ein sehr gefährliches Unternehmen wäre."

Auf der ersten Weltumsegelung, die Cook mit der HMS Endeavour, einem ehemaligen Kohlefrachter unternahm, war das Unternehmen noch geheim. Offiziell fuhr Cook mit einer Gruppe von Wissenschaftlern in die Südsee nach Tahiti, um dort den Venusdurchgang zu beobachten. Die Vermessung des Venustransits vom 3. Juni 1769 war ein internationales astronomisches Großprojekt, das den Abstand der Erde von der Sonne berechnen sollte, vorausgesetzt, dass das dritte Keplersche Gesetz gültig ist. Erst danach sollte er den Geheimbefehl öffnen und nach Süden den 40. Breitengrad durchqueren, um den Kontinent zu suchen.

Solche Geheimorder waren damals üblich und wichtig, weil die Seefahrtnationen miteinander konkurrierten. So hielten die Spanier die Existenz der Torres-Straße geheim, bis der erwähnte Dalrymple 1762 aus spanischen Aufzeichnungen auf die Existenz einer Passage zwischen Australien und Neuguinea schloss. Cook nutzte diese Erkenntnis und segelte auf dem Rückweg durch die Meerenge, die er in Endeavour-Straße umtaufte.

Die britische Admiralität wählte Kapitänsleutnant James Cook als Schiffsführer, weil dieser sich im Siebenjährigen Krieg in Kanada durch präzise Seekarten ausgezeichnet und sich bereits mit Problemen der Eisdrift im Sankt-Lorenz-Strom bei der Belagerung von Quebec beschäftigt hatte. Außerdem wurde er für die Vermessung von Neufundland gelobt und vom Master (1. Steuermann) zum Leutnant befördert. Nicht unwichtig war die Tatsache, dass seine Laufbahn als Seemann auf Kohleseglern begann und Schiffe wie die Endeavour von der Pike auf kannte.

Schließlich darf nicht unerwähnt sein, dass Cook als Bauernsohn mit dem Lagern von Lebensmitteln vertraut war und mit der Schiffs-Verpflegung experimentierte. So zwang er seine Offiziere, vor versammelter Mannschaft das allgemein verabscheute Sauerkraut zu essen, eine effektive Maßnahme gegen Skorbut. Wo immer sein Schiff anlegte, musste die Mannschaft Beeren und Früchte sammeln, auch mit dem Brauen von Fichtensprossen-Bier wurde experimentiert. Auch hier musste Cook seine an Grog gewöhnte Mannschaft vom Nutzen des Getränkes überzeugen.

Am 27. August 1768 startete die Expedition, nach einem Aufenthalt in Rio de Janeiro wurde am 16. Januar 1769 Kap Hoorn erreicht. Am 13. April landete man auf Tahiti und begann unverzüglich damit, ein Fort zu bauen, in dem die Astronomen arbeiten konnten. Nach dem erfolgreichen ersten Teil kreuzte Cook in der Südsee und entdeckte schließlich das Land, das heute Neuseeland heißt und von Holländern Tasmanien genannt wurde. Cook verbrachte sechs Monate damit, das Land zu kartographieren und entdeckte dabei, dass es aus zwei Teilen bestand, getrennt durch die nach ihm benannte Cook-Straße. Danach ging es über eine Bruchlandung in Australien zurück nach England: Die Endeavour kollidierte mit dem Great Barrier Reef, konnte aber als Plattbodenschiff an Land gezogen und repariert werden. Am 13. Juli 1771 war man wieder zu Hause.

Die Resolution am Kap der guten Hoffnungen. Zeichnung von William Hodges.

Für die zweite Reise rüstete die Admiralität zwei Schiffe aus, ebenfalls umgebaute Kohlenfrachter. Die HMS Resolution und Adventure waren mit neuartigen Chronometern von John Harrison ausgerüstet, die die Bestimmung des Längengrades erleichterten. Die Reise begann am 13. Juli 1772 und führte über Kapstadt direkt ins Polarmeer. Ab dem 51. Breitengrad hatte man es mit Eisbergen zu tun, doch beide Schiffe konnten unbeschadet am 17. Januar 1773 den Polarkreis erreichen und das historische Datum feiern.

Danach begann Cook in einem Zickzack-Kurs, immer wieder nach Süden vorzustoßen, um die Terra Australis Incognita zu finden. Dabei verlor er den Kontakt zum Schwesterschiff und musste mit Beginn des antarktischen Winters in die Tropen umkehren und auf Tahiti überwintern. In der nächsten Sommerperiode setzte Cook die Suche fort und stieß über die Südspitze Neuseelands weiter in den Süden vor. Im Zickzack ging es weiter, bis Cooks Schiff am 30. Januar 1774 auf 71° 10' den südlichsten Punkt seiner Fahrten erreichte. Danach ging es über Neuseeland zurück nach Großbritannien, wobei Cook noch Neukaledonien entdeckte. Von seiner Mannschaft hatte er vier Seeleute verloren, jedoch keinen durch Skorbut.

Die Weltkarte von Rumold Mercator aus dem Jahr 1587. Im Südpol ist der vermutete und zu dem Zeitpunkt noch nicht entdeckte Kontinent Terra Australis Incognita. Die Antarktis, die wesentlich kleiner war, als zu dem Zeitpunkt vermutet, wurde erst im Jahr 1820 entdeckt.

Die dritte Reise galt einem anderes Eisproblem: Die Admiralität suchte nach der vermuteten Nordwest-Passage im nördlichen Eismeer. Der nunmehr international berühmte Entdecker entschloss sich, auch diese Herausforderung anzunehmen und segelte mit seinem Schiff und der HMS Discovery über Kapstadt wieder in den Süden, um im anstehenden Polar-Sommern noch einmal das Südland zu suchen. Im Januar 1778 erreichte diese Expedition 71° 10' südlicher Breite. Nun war Cook fest davon überzeugt, dass es den Südkontinent nicht gibt.

Er drehte um und segelte Richtung Nordosten in die Arktis. Im Logbuch schrieb er: "Ich habe mich mit meinen Ambitionen (den Kontinent zu entdecken) weiter vorgewagt als alle Menschen vor mir und so weit, wie ich denke, dass es möglich ist, für Menschen zu gehen, muss die Grenzen erkennen, auch die Grenzen der Gefahren und Härten, die untrennbar mit der Navigation am südlichen Polarkreis verbunden sind." Cooks Formulierung "Where no man has gone before" wurde vom Autor Gene Roddenberry aufgegriffen, dessen Raumschiff Enterprise von einem Captain Kirk gesteuert wird, der (laut Roddenberry) als eine Kreuzung des realen James Cook und des fiktiven Horatio Hornblower angelegt war.

Über Landungen Kalifornien und Oregon ging die Reise bis nach Sibirien. Cook versuchte vergeblich, eine Passage zu finden und musste in der Beringstraße zum Überwintern abdrehen. Er war gewissermaßen 250 Jahre zu früh aufgebrochen, denn erst mit dem heutigen Klimawandel wird diese Passage in Zukunft eine Rolle spielen. Cook wollte auf Hawaii überwintern, stieß jedoch auf feindlich gesinnte Inselbewohner, die einen Kutter stahlen. Beim Versuch, diesen Kutter wiederzuerobern, wurde er am 14. Februar 1779 getötet.

(mawi)