Metas Oversight Board kritisiert unausgewogene Brust-Zensur

Metas Zensurregeln für menschliche Brüste sind verwirrend und respektieren Menschenrechtsstandards nicht, sagt das Gremium. Männer sind weniger betroffen.

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Stempel "Censored"

(Bild: Olivier Le Moal/Shutterstock.com)

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Meta Platforms Oversight Board übt erneut Kritik an Zensurentscheidungen des Facebook-Konzerns hinsichtlich menschlicher Nacktheit. Dieser unabhängige Beschwerde-Rat überprüft ausgewählte Streitfälle zwischen dem Konzern und seinen Anwendern. Schon bei den allerersten Fällen, die das Oversight Board 2021 entschieden hat, ging es um nackte Brüste – diesmal sind Brüste mit abgedeckten Brustwarzen Anlass für die Rüge.

Ein Paar aus zwei nicht-binären Menschen hat 2021 und 2022 jeweils ein Brustfoto auf Instagram gepostet, wobei die Brustwarzen abgedeckt waren. Das Paar bat um Spenden für eine Operation zur teilweisen Entfernung der Brüste einer der beiden Personen. Diese Bilder wurden mehrfach überprüft, mindestens in einem Fall auch von einem dafür bezahlten Menschen. Schließlich wurden die Bilder unter Verweis auf das Verbot der Anbahnung von Sexarbeit gesperrt, obwohl es gar nicht um Sexarbeit ging. Ein Einspruch der beiden Betroffenen half zunächst nicht, erst nachdem das Oversight Board den Fall angenommen hatte, nahm Meta die Zensurentscheidung zurück.

Nun hat das Oversight Board festgestellt, dass die Sperre nicht im Einklang mit Metas Regeln, Werten und Verantwortlichkeit für die Einhaltung von Menschenrechten war (Az. 2022-009-IG-UA und 2022-010-IG-UA). Die Kritik des Aufsichtsgremiums geht aber deutlich weiter: Die internen Vorschriften zur Durchsetzung des Verbots der Anbahnung von Sexarbeit reichen demnach deutlich weiter, als die von Meta angeführten Gründe für das Verbot und die öffentlich verfügbaren Richtlinien. Das führe bei Nutzern und Zensoren zur Verwirrung, was zu unpassenden Löschungen führe.

Schlimmer noch, die Vorschriften beruhten auf einer überkommenen Auffassung von Geschlechtern und sexuellen Identitäten. Männliche Brustwarzen sind generell zulässig, weibliche Brustwarzen nur, wenn es um medizinische Themen wie Geburten, Brustkrebs oder Brustoperationen, oder aber um Nacktheit als Ausdruck eines Protests geht – allerdings seien diese Ausnahmen oft verschlungen formuliert; beispielsweise müssten Zensoren darauf achten, wie viel Operationsnarben zu sehen sind, um zu entscheiden, ob eine der Ausnahmen greift oder nicht.

Auf Brüste transgender, intersexueller oder nicht-binärer Personen geht Meta gar nicht erst ein. Zensoren müssten in Windeseile Annahmen zu Geschlecht und sexueller Identität ihnen persönlich unbekannter User treffen, was nicht skalieren könne. Metas automatische Filter hätten die Bilder wiederholt beanstandet, obwohl sie regelkonform waren. Im Ergebnis führten die derzeitigen Vorschriften über die Darstellungen der Nacktheit Erwachsener zu größeren Hürden der Redefreiheit für weibliche, transgender und nicht-binäre Personen.

Daher rät das Oversight Board Meta zu umfassenden Änderungen bei den Regeln über Darstellungen der Nacktheit Erwachsener und sexueller Aktivität (Adult Nudity and Sexual Activity Policy). Es fordert klare Kriterien, die alle Nutzer gleich behandeln und dabei Menschenrechtsstandards entsprechen. Dafür sei eine umfassende Beurteilung der Auswirkungen gefragt. In dem Aufwaschen solle der Konzern auch überprüfen, ob seine Regeln Menschen ausreichend vor der Veröffentlichung ihrer Intimfotos ohne Zustimmung schützen.

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Was das Verbot der Anbahnung von Sexarbeit angeht soll Meta seine Nutzer detaillierter informieren. Außerdem soll es die internen Vorgaben für die Zensoren so überarbeiten, dass sie zu den veröffentlichten Vorschriften passen. Damit könnte falsche Zensur weniger häufig werden, hofft das Aufsichtsgremium.

(ds)