Onlinezugangsgesetz 2.0: Weiterhin nur "Schaufensterdigitalisierung"?

Viele Behörden drucken Onlineanträge aus und führen Papierakten. Das könnte noch lange so bleiben: Die diskutierte Ende-zu-Ende-Digitalpflicht kommt wohl nicht.

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(Bild: Chokniti Khongchum/Shutterstock.com)

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Die Bundesregierung will Behörden anders als ursprünglich geplant nun doch nicht zu einer umfassenden Digitalisierung interner Abläufe verpflichten: Ein im Dezember von netzpolitik.org geleakter Entwurf für das "Onlinezugangsgesetz 2.0" enthielt noch die Anforderung, einen großen Teil der Verwaltungsleistungen "vollständig elektronisch" abzuwickeln. Im neuen Entwurf vom 20. Januar ist diese Anforderung nicht mehr enthalten.

In der Begründung des neuen Entwurfs, der c't vorliegt, heißt es dazu: "Von weitergehenden Verpflichtungen, etwa einer verpflichtenden Regelung einer Ende-zu-Ende-Digitalisierung der Fachverfahren, sieht der Regelungsvorschlag ab." Die Erforderlichkeit einer solchen durchgehenden Digitalisierung werde dabei aber "nicht in Zweifel gezogen". Warum die Pflicht gestrichen wurde, lässt sich der Begründung nicht entnehmen. Eine Anfrage von c't zu diesem Thema ließ das Bundesinnenministerium bislang unbeantwortet.

Die Digitalpolitikerin Anke Domscheit-Berg (Linke) kritisiert das Fehlen einer Ende-zu-Ende-Digitalpflicht im neuen Entwurf. Es sollte eigentlich allen Verantwortlichen klar sein, dass "eine Schaufensterdigitalisierung, die nur auf ein Online-Frontend setzt", keine sinnvolle Strategie sei, sagte sie gegenüber c't. Ohne den Fokus auf tatsächlich digitalisierte Prozesse ermögliche das Gesetz "nicht einmal mehr Hoffnung auf einen Kurswechsel". Domscheit-Berg verwies auf die Berichte über Online-Bafög-Anträge, für deren Ausdruck in Behörden extra neues Personal eingestellt werden musste.

Außerdem vermisst die Bundestagsabgeordnete im Gesetzentwurf ein "Mehrkanalprinzip": Unabhängig vom Kanal, über den ein Antrag gestellt wird, müssten die Daten direkt im internen "Fachverfahren" der Behörde landen.

Positiv sieht Domscheit-Berg hingegen die Vorgabe des Gesetzentwurfs, dass es künftig nur noch ein Nutzerkonto geben soll, mit dem Bürgerinnen und Bürger Anträge stellen sowie mit Behörden kommunizieren, und zwar das Nutzerkonto des Bundes ("BundID"). Das alte Onlinezugangsgesetz sah noch 17 verschiedene Nutzerkonten vor – das Bundeskonto sowie 16 Länderkonten. Diese Konten sollten interoperabel sein, damit man zum Beispiel nach einem Umzug in ein anderes Bundesland kein neues Konto anlegen muss.

Der neue Gesetzentwurf macht klar, dass diese Idee gescheitert ist: Die Anforderungen an die Interoperabilität der Nutzerkonten seien zu hoch gewesen, heißt es in der Begründung. "Zudem erweist es sich als wirtschaftlich und organisatorisch zunehmend unverhältnismäßig, die stetig wachsenden Anforderungen an die Funktionalität eines Nutzerkontos parallel in 17 Konten abzubilden".

Die Bundesländer sollen ihre bereits entwickelten Nutzerkonten laut dem Entwurf einstampfen, und zwar spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes.

"Grundsätzlich ist eine zentrale Lösung sinnvoll, es muss aber sichergestellt werden, dass das Nutzerkonto Bund in seinen Funktionalitäten und seiner Nutzerfreundlichkeit dem Qualitätsniveau der Nutzerkonten der Länder entspricht", hieß es zu dem Thema aus Hamburg. Die Anforderungen müssten deshalb im IT-Planungsrat beschlossen werden. Das bayerische Digitalministerium wollte sich auf Anfrage noch nicht zu dem Gesetzentwurf äußern. (cwo)