Von den Römern lernen: Selbstheilender Beton für die Zukunft des Bauens

MIT-Professor Admir Masic hat Selbstheilungsprozesse in antikem Beton untersucht. Im TR-Interview erzählt er, wie man das für moderne Bauten nutzen könnte.

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Pantheon, Rom

Pantheon-Kuppel in Rom, die aus römischem Beton besteht.

(Bild: Flying Camera)

Lesezeit: 5 Min.

Admir Masic ist Professor für Bau- und Umweltingenieurwesen am Massachusetts Institute of Technology im amerikanischen Cambridge. Er hat seine jüngste Studie zusammen mit Kollegen an der Harvard University und Laboren in Italien und der Schweiz durchgeführt. Sie entdeckten bislang unbekannte Herstellungsmethoden des Betons aus der Antike, die wichtige Selbstheilungseigenschaften für den Baustoff liefern sollen.

Herr Masic, Gebäude aus römischem Beton haben Tausende von Jahren überdauert. Warum ist römischer Beton so langlebig im Vergleich zu den Baumaterialien, die wir heute verwenden?

Der antike römische Beton ist ein ganz besonderes Material, das es den Römern ermöglichte, eine architektonische Revolution zu gestalten. Statt Steine zu behauen und mit Mörtel zu verbinden, konnten sie durch das Gießen von Beton "Pseudosteine" in den gewünschten Formen und Größen herstellen. Dies war dank einer speziellen Zusammensetzung des Betons möglich, die sie entwickelt hatten. Dieses Material ist in der Lage, mit der Zeit an Festigkeit zu gewinnen.

Was war denn die besondere Zutat?

Lange Zeit gingen Forscher davon aus, dass der Schlüssel in einer Zutat liegt, einer speziellen Form von Vulkanasche aus Italien. Aber wir haben die Rolle der so genannten Kalkklasten, einer weiteren Schlüsselkomponente, übersehen. Diese Einschlüsse sind nicht nur eine passive Zutat. Sie verfügen über die Fähigkeit, sich mit der Zeit selbst zu stärken und sogar die Festigkeit zu erhöhen. Unsere Arbeit zeigt, dass diese Kalkklasten wichtig sind. Zweitens glauben wir, dass die Römer zur Herstellung ihres Mörtels eine Technik anwandten, an die vor dieser Arbeit noch nicht gedacht worden war, nämlich das Heißmischen. Dies versetzte sie in die Lage, systematisch Kalkklasten in die Beton- und Mörtelmischung einzubringen. Und das führt schließlich zu seiner Selbstheilungsfunktion.

Bei der angesprochenen Selbstheilungsfunktion verschließen die eingeschlossenen Kalkbröckchen die mit der Zeit auftretenden Risse und Poren im Beton durch einen chemischen Prozess. In die Risse eindringendes Wasser löst Kalzium aus den Brocken, worauf es wiederum mit anderen Bestandteilen reagiert und die Lücken wieder "kittet". Wie kann dieses römische Rezept bei unserem heutigen Bewehrungsbeton hilfreich sein?

Wir sagen ja nicht, dass wir mit dieser Technologie bauen wollen, damit ein Gebäude 2000 Jahre lang hält. Wir bauen heute mit Stahlbeton. Aber die selbstheilenden Eigenschaften des römischen Betons könnten bei aktuellen Problemen helfen, z. B. durch die Verlangsamung der Wasserausbreitung durch Risse in der Betonstruktur, die das Material angreift. Normalerweise dringt das Wasser langsam durch die Poren ein, und wenn der Riss dann den Bewehrungsstahl erreicht, korrodiert er. Das könnte mit einem selbstheilenden Beton viel besser verhindert werden.

Professor Admir Masic bei der Arbeit.

(Bild: MIT)

Würden Sie sagen, dass der heutige Beton schlechter ist? Und dass wir Methoden, die die Römer schon hatten, irgendwann verlernt haben?

Ich würde nicht sagen, dass er schlechter ist, aber er ist anders. Zunächst einmal haben die Römer mit einem Beton gebaut, der unbewehrt war. Sie bauten anders, weil sich die Last anders verteilen musste, so dass sie etwa Bögen und Kuppeln nutzten. Unsere Methoden, unser Design und unsere Bauweise erfordern Wände und Decken, die eine Bewehrung brauchen. Das ist ein wichtiger Unterschied.

Können bessere Rezepturen dazu beitragen, den CO2-Fußabdruck von Beton zu verkleinern?

Auf jeden Fall. Wir glauben, dass die Zukunft des Betons ein multifunktionaler Beton ist, bei dem verschiedene Funktionen in das Material einfließen. Ein Material, das nicht nur besonders tragfähig ist, sondern zum Beispiel auch selbstheilend. Und das spart Emissionen. Stellen Sie sich einen Paradigmenwechsel vor: von einem Beton, der die Umwelt verschmutzt, zu einem Beton, der sogar zu einer Kohlenstoffsenke werden könnte. Das ist eine wirklich schwierige Aufgabe, weil wir so viel von diesem Material produzieren. Und die Zeit für die notwendigen radikalen Veränderungen ist sehr kurz, denn für etwa die Hälfte dieser Emissionen haben wir keine technische Lösung. Wenn Betongebäude länger halten würden, wäre das wirklich von Vorteil.

Ist römischer Beton hilfreich für neue Bautechniken wie 3D-Druck?

Der 3D-Druck ist definitiv ein weiterer Paradigmenwechsel im Bauwesen, und es bedarf erheblicher Anstrengungen, vor allem aus Sicht der Forschung, um die Materialien zu finden, die für diese spezielle Anwendung wirklich geeignet sind. Es eröffnet völlig neue Dimensionen, was wir mit einem Raum anstellen und gleichzeitig bei der Herstellung die Emissionen reduzieren können. Wir wollen weniger Material verwenden und das Material genau dort einsetzen, wo es benötigt wird, um alle Anforderungen zu erfüllen. Auch die selbstheilenden Eigenschaften können sehr hilfreich sein. Wir sind im Gespräch mit 3D-Druckunternehmen, die von unserer Studie sehr angetan sind, weil sie direkt in ihre Forschungs- und Entwicklungsstrategien einfließen könnte.

Wie lange wird die Kommerzialisierung dauern?

Es ist schwierig, eine solche Frage zu beantworten, da die Branche bekanntlich sehr resistent gegenüber Veränderungen ist. Ich meine, Innovationen in der Betonindustrie sind eine große Herausforderung. Das liegt an der Kostenstruktur: Sie verdienen Geld, weil sie viel produzieren. Und wenn ein völlig neues Verfahren eingeführt wird, z. B. die Selbstheilung durch Bakterien, wie es Kollegen aus Delft kürzlich vorschlugen, muss es beispielsweise neu zertifiziert werden. Das Gute an der römischen Technologie ist, dass es sich um etwas handelt, das sich bereits bewährt hat, seit Ewigkeiten.

(bsc)