Strafverfolger: Telegram gibt noch zu wenig Nutzerdaten heraus

Nur in 25 von 230 bedeutsamen Fällen hat Telegram bislang dem BKA Informationen wie E-Mail- oder IP-Adressen übermittelt. Bei Twitter flutscht es inzwischen.

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(Bild: Justlight/Shutterstock.com)

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Deutsche Strafverfolger beklagen, dass Telegram selbst bei Ermittlungsanfragen zu schweren Straftaten nach wie vor nicht hinreichend kooperiert. In "230 herausgehobenen Fällen" habe das Bundeskriminalamt (BKA) bislang Bestandsdaten zur Identifizierung von tatverdächtigen Nutzern angefragt, haben der WDR und die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) in Erfahrung gebracht. Nur bei knapp über 60 solcher Ersuchen sei überhaupt eine Antwort erfolgt. Personenbeziehbare Informationen wie E-Mail- oder IP-Adressen habe man nur in 25 Fällen erhalten.

Meist funktionierte die Zusammenarbeit den Berichten zufolge bei Darstellungen von sexuellem Kindesmissbrauch oder im Bereich des islamistischen Terrorismus, wo die US-Bundespolizei vor Kurzem bei zwei festgenommenen Männern in Castrop-Rauxel auf verdächtige Chats gestoßen sei. Insgesamt habe sich die Zahl der Auskünfte gegenüber deutschen Strafverfolgungsbehörden aber seit Sommer 2022 nicht erhöht. Im Juni war bekannt geworden, dass der offiziell in Dubai sitzende Betreiber des umstrittenen Messenger-Diensts überhaupt erstmals in mehreren Fällen Nutzerdaten ans BKA herausgab. Telegram richtete sogar eine E-Mail-Adresse speziell für die Wiesbadener Polizeibehörde ein.

Im Spätsommer führte der Betreiber dann eine Umfrage durch, ob und wie Daten der deutschen Messenger-Nutzer mit hiesigen Behörden einschließlich der deutschen Polizei geteilt werden sollten – oder nicht. Die aktuelle Datenschutzerklärung erlaube seit 2018, IP-Adressen und Telefonnummern von Terrorverdächtigen auf Regierungsanfrage bei Vorlage eines Gerichtsbeschlusses offenzulegen, hieß es damals. Offenbar hielt sich die Zustimmung in engen Grenzen. So moniert Christoph Hebbecker von der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) der Kölner Staatsanwaltschaft: "Wir kommen an Telegram einfach nicht ran."

Seine auf Hasskommentare und Hetze fokussierte Behörde führe kaum Verfahren mit Bezug zu dem Dienst, erklärte Hebbecker gegenüber den beiden Medien: "Wir wissen mittlerweile, dass wir in der Regel höchstwahrscheinlich keinen Verdächtigen ermitteln können, weil Telegram nicht kooperiert." Bei anderen Plattformen wie Facebook, Instagram und TikTok soll die Kooperation deutlich besser laufen. Zudem bestätigten sich Sorgen der Ermittler nicht, dass nach der Übernahme des Dienstes durch Elon Musk dort endgültig ein rechtsfreier Raum entstehen könnte.

Lange sei das Verhalten von Twitter "katastrophal" gewesen, erinnert sich Benjamin Krause von der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main laut WDR und SZ. Oft seien Anfragen unbeantwortet geblieben. Das Blatt habe sich just mit dem Einstieg Musks gewandelt, obwohl der Serienunternehmer nach außen hin gern die Meinungsfreiheit und den Schutz der Privatsphäre der Nutzer hochhält. Krause berichtet: "Wir wissen nicht, aus welchem Grund, aber auf einmal schickt Twitter regelmäßig Daten."

Wenig getan hat sich derweil im Streit der deutschen Justiz mit Telegram über die Einhaltung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG). Nach langem Hin und Her stellte das Bundesamt für Justiz (BfJ) zwei Bußgeldbescheide in Höhe von insgesamt 5,125 Millionen Euro gegen den Betreiber aus. Dieser wird inzwischen in Deutschland von einer Anwaltskanzlei vertreten, die Einspruch eingelegt hat. Die Begründungen prüft das BfJ derzeit, hieß es dazu aus dem Bundesjustizministerium. Eine Entscheidung werde vorbereitet. Sollte es bei der Strafe bleiben, ist offen, wie sie bei einem weitgehend unkooperativen Anbieter vollstreckt werden könnte. Justizminister Marco Buschmann (FDP) plante hier voriges Jahr etwa, in die Finanzströme an das Unternehmen einzugreifen.

(axk)