Mitgliedstaaten wollen an Fluggastüberwachung innerhalb der EU festhalten

Die EU-Länder suchen nach Wegen, wie sie das strikte EuGH-Urteil zur Fluggastspeicherung pro forma erfüllen, aber die Massendatenerfassung beibehalten können.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 17 Kommentare lesen
Blick aus einem Wartebereich des Flughafens Barcelona, im Hintergrund ein startendes Flugzeug.

(Bild: skyNext/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Angesichts des restriktiven Grundsatzurteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Rastern von Flugpassagierdaten bemühen sich die EU-Länder um die Quadratur des Kreises. Die Crux aus ihrer Sicht: Eine anlasslose Übermittlung und Verarbeitung sogenannter Passenger Name Records (PNR) soll laut den Luxemburger Richtern bei Flügen innerhalb der EU nur noch zulässig sein soll, wenn eine "reale und aktuelle oder vorhersehbare terroristische Bedrohung" in einem Land der Gemeinschaft besteht. Damit will sich ein Großteil der Mitgliedsstaaten nicht abfinden.

Die vormalige tschechische Präsidentschaft des EU-Ministerrats fragte im Herbst die Meinungen der nationalen Regierungen zu dem Thema ab. Am einfachsten wäre es ihr zufolge, "wenn alle oder die meisten der Mitgliedsstaaten" gerichtlich glaubhaft versichern könnten, dass sie sich mehr oder weniger dauerhaft mit der erwähnten weitgehenden Bedrohung konfrontiert sehen. Derart grob tricksen wollen die meisten EU-Länder dann aber doch nicht, wie aus den jetzt von der britischen Bürgerrechtsorganisation Statewatch veröffentlichten Antworten hervorgeht. Einige der auf Oktober datierten Stellungnahmen machen aber nicht weit von einem solchen Schritt Halt.

Das Ziel, das unliebsame Urteil pro forma zu erfüllen und gleichzeitig die Fähigkeit zur Massendatenerfassung beizubehalten, zieht sich durch mehrere der als Verschlusssache eingestuften Eingaben. Österreich etwa schlägt eine neue EU-Richtlinie vor: "Aus operativer Sicht könnte dies am besten durch einen verbindlichen Rechtsakt in Form einer PNR-Verordnung erreicht werden." Dabei müssten aber natürlich "alle Datenschutzvorschriften eingehalten werden". Ein neuer Rechtstext dürfe auch "nicht als Mittel zur Umgehung des EuGH-Urteils dienen".

"Belgien erkennt die Bedeutung der Erfassung von PNR für Flüge innerhalb der EU uneingeschränkt an", unterstreichen die dortigen Behörden. "Es fordert die Mitgliedstaaten auf, alle Optionen und Lösungen zu prüfen, um dem EuGH-Urteil zu PNR nachzukommen, ohne dass wichtige Reiseinformationen verloren gehen." Finnland unterstützt die Forderung Belgiens nach der Einrichtung einer Expertenarbeitsgruppe auf Ratsebene. Diese solle "mit der Entwicklung einer Risikobewertungsmethodik und deren Durchführung betraut werden", damit die EU-Länder "gemeinsam an der Begründung der Notwendigkeit arbeiten können, Informationen für einen Großteil der Flüge innerhalb der EU zu sammeln".

Für die französischen Behörden ist es nach Angaben der Regierung in Paris keine Option, künftig nur noch einen Teil intraeuropäischer Flüge zu erfassen: "Jede Einschränkung würde den Nutzen der Erhebung von PNR beeinträchtigen." Frankreich schlägt daher vor, "zwischen der Erhebung und der Verarbeitung von Daten" zu unterscheiden. So könnten alle PNR von Intra-EU-Flügen gesammelt werden, aber nur bei einer Auswahl davon würden sie dann ausgewertet. Prinzipiell müsse das gesamte Reisespektrum abgedeckt werden, da Terroristen sowie Kriminelle "Experten für Vermeidungsstrategien sind". Entgegen der EuGH-Vorgaben sollten PNR zudem weiter fünf Jahre auf Vorrat gespeichert werden.

Deutschland interpretiert das Urteil so, dass es den Mitgliedsstaaten in Eigenregie obliege einzuschätzen, ob es "hinreichend stichhaltige Gründe" für die Annahme der vom Gericht beschriebenen Bedrohung gebe. Es sei unwahrscheinlich, "dass eine dauerhafte Ausweitung der Bewertung den Anforderungen des EuGH genügen würde". Dessen Entscheidung werfe vor allem die Frage auf, "wie der mit einer terroristischen Bedrohung konfrontierte Mitgliedstaat solche Daten zeitlich begrenzt verarbeiten kann". Hierzulande hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden die vom Bundeskriminalamt (BKA) bislang praktizierte Himmels-Rasterfahndung vor Kurzem gestoppt, da diese zu einer "Totalüberwachung sämtlicher Flüge" geführt habe.

(mki)